BFH: Nachträgliche Entgelterhöhung im Kundenbindungssystem bei Nichteinlösung von Prämienpunkten
Ein Unternehmer, der im Rahmen von sog. Kundenbindungssystemen neben der entgeltlichen Ausgabe von Prämienpunkten auch Verwaltungsleistungen an Partnerunternehmen erbringt, hat eine Berichtigung der Umsatzsteuer (Erhöhung) für die erbrachten Verwaltungsleistungen im Falle des Nichteinlösens der Prämienpunkte durch die Kunden des Partnerunternehmens vorzunehmen.
Sachverhalt
Die Klägerin bietet ein Kundenbindungsprogramm für den Internethandel an. Sie schließt mit im (Internet-) Handel tätigen Unternehmen (Partnerunternehmen) Partnervereinbarungen ab, wonach diese ihren Kunden beim Bezug von Produkten oder Dienstleistungen Prämienpunkte gewähren können. Die Prämienpunkte kann der Kunde bei der Klägerin in Form von Sach- oder Dienstleistungen einlösen. Jedes Partnerunternehmen zahlt der Klägerin eine Vergütung, die sich erstens aus einem gleich hohen Festbetrag als Einlösewert der Prämienpunkte und zweitens einer variablen, individuell mit jedem Partner vereinbarten Servicefee (Dienstleistungsgebühr) zusammensetzt.
Der Einlösewert entspricht dem Gegenwert, den der Kunde bei Einlösung der Prämienpunkte als Sach- oder Dienstleistungsprämie erhält, während die Servicefee die organisatorische Abwicklung des Kundenbindungssystems und somit Service- und Managementleistungen (Verwaltungsleistungen) vergütet. Nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin verfallen die Prämienpunkte nach drei Jahren ohne einen Erstattungsanspruch für das Partnerunternehmen.
Das Finanzamt ging davon aus, dass sich durch den Verfall der Prämienpunkte das steuerpflichtige Entgelt für die Verwaltungsleistung erhöht hat. Die finanzgerichtliche Klage blieb ohne Erfolg.
Entscheidung
Der BFH hat die Klage ebenfalls abgewiesen. In seiner Begründung stellt der BFH insbesondere auf die bereits ergangene EuGH Rechtsprechung zu sogenannten Kundenbindungsprogrammen ab (EuGH Urteile v. 07.10.2010, C-53/09, Loyalty Management UK Ltd; C-55/09, Baxi Group Ltd.) Die lediglich dem Einlösewert der Prämienpunkte entsprechende Zahlung durch das Partnerunternehmen an die Klägerin erfolgt nicht für eine steuerbare Leistung. Erst mit der Prämiengewährung (Sach- oder Dienstleistung) durch die Klägerin an die Kunden (der Partnerunternehmen) erbringt die Klägerin eine steuerbare und steuerpflichtige Leistung, die als Drittentgelt durch das Partnerunternehmen vergütet wird.
Bei einem Verfall der Prämienpunkte mangels rechtzeitiger Einlösung, fehlt es an einer steuerbaren Leistung. Der vergütungslose Verfall der Prämienpunkte führt dazu, dass sich das Entgelt für die von der Klägerin erbrachten Verwaltungsleistungen nachträglich, um den Einlösewert der verfallenen Prämienpunkte, erhöht. Nach den Vereinbarungen der Klägerin mit den Partnerunternehmen verfallen die Prämienpunkte ohne eine entsprechende Erstattung durch die Klägerin. Daher haben alle Zahlungen des Partnerunternehmens an die Klägerin Entgeltcharakter. Nach Ansicht des BFH steht in den Fällen der nachträglichen Entgeltserhöhung den Partnerunternehmen der höhere Vorsteuerabzug zu, ohne dass es einer Rechnungsberichtigung bedarf.
Anmerkung
Das Finanzgericht Münster hatte bereits festgestellt, dass die ausgegebenen Prämienpunkte sog. Mehrzweckgutscheine und keine sog. Einzweckgutscheine darstellen. Der Verkauf eines Mehrzweckgutscheines ist zunächst eine nicht steuerbare Ausgabe eines Zahlungsmitteläquivalents, so dass der Lieferant erst im Zeitpunkt der Einlösung des Gutscheins durch den Gutscheinempfänger eine steuerbare Lieferung ausführt (vgl. § 3 Abs. 13 bis 15 UStG).
Wenn der Kunde die Prämien bei der Klägerin einlöst, kann jedoch das Partnerunternehmen keinen Vorsteuerabzug aufgrund der von ihm an die Klägerin vorgenommenen Zahlungen (=Einlösewert der Prämienpunkte) vornehmen, da es sich um ein sog. Entgelt von dritter Seite handelt. Nicht zu entscheiden war vom BFH der Fall, wenn Serviceleistung und Prämienauslieferung von zwei eigenständigen Unternehmen erbracht werden.
Betroffene Normen
§ 10 Abs. 1 Satz 3 UStG a.F., § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG Streitjahr 2006
Vorinstanz
Finanzgericht Münster, Urteil vom 14.11.2017, 15 K 281/14 U, EFG 2018, S. 316
Fundstelle
BFH, Urteil vom 26.06.2019, V R 64/17, DStR 2019, S. 1810
Weitere Fundstellen
EuGH, Urteil vom 07.10.2010, C-53/09, C-55/09, DStRE 2010, S. 1392