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08.11.2011
Indirekte Steuern/Zoll

BFH: Stromsteuerliches Herstellerprivileg gilt nicht für die Herstellung von Energieerzeugnissen, die zur Stromerzeugung eingesetzt werden

Sachverhalt

Streitig ist, ob für eine einem Blockheizkraftwerk (BHKW) vorgeschaltete Biogasanlage, in der insbesondere durch Fermentation von Mais bzw. Maissilage Biogas erzeugt wird, das stromsteuerliche Herstellerprivileg nach § 9 Absatz 1 Nr. 2 StromStG Anwendung findet.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb ein derartiges BHKW mit einer vorgeschalteten Biogasanlage. Das beklagte Hauptzollamt hatte der Klägerin eine uneingeschränkte Erlaubnis zur steuerfreien Entnahme von Strom erteilt. Mit Bescheid vom 12. Februar 2010 erteilte das Hauptzollamt (HZA) der Klägerin mit Rückwirkung ab dem 1. Januar 2009 eine neue Erlaubnis zur steuerfreien Entnahme von Strom, die es jedoch auf den Betrieb der Stromerzeugungsanlage, d.h. auf den Betrieb des BHKW, und auf 135 MWh pro Jahr beschränkte. Den Antrag der Klägerin auf Erstattung der für das Jahr 2008 entrichteten Stromsteuer aus Billigkeitsgründen nach § 227 AO lehnte das HZA ab. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hat die Revision einstimmig für unbegründet gehalten. Unter Bezugnahme auf die Richtlinie 2003/96/EG (RL 2003/96/EG) des Rates vom 27.10.2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 283/51) hat der BFH in seiner ausführlichen Begründung dargelegt, dass der zum Betrieb der Biogasanlage verwendete Strom nicht zur Stromerzeugung i.S. von § 9 Absatz 1 Nr. 2 StromStG entnommen wird. Die Klägerin kann für diese Strommengen daher keine Steuerbefreiung beanspruchen. Der BFH verweist in seinem Beschluss einleitend auf den Wortlaut der Vorschrift, der bereits nahelege, dass nur die Strommengen von der Steuer befreit sind, deren Verwendung in einem engen Zusammenhang mit der eigentlichen Stromerzeugung stehen. Dazu gehöre z.B. bei herkömmlichen Kraftwerken, in denen Energieerzeugnisse, wie z.B. Kohle, Heizöl oder Erdgas zur Wärmegewinnung verheizt werden und Strom mit Hilfe dampfbetriebener Turbinen in Generatoren erzeugt wird, der Strom, der zur Stromerzeugung entnommen wird, um die Generatorleistung zu ermöglichen. Derartige Neben- und Hilfseinrichtungen seien mit in die Begünstigung einzubeziehen, da ohne diese eine Stromerzeugungsanlage nicht betrieben werden könne.

Der BFH nimmt in seiner Entscheidung ferner auf § 12 Absatz 1 Nr. 1 StromStV Bezug. In dieser Vorschrift habe der Gesetzgeber nähere Festlegungen getroffen und Anlagen, die zur Stromerzeugung notwendig sind (z.B. zur Wasseraufbereitung und Wassereinspeisung sowie zur Frischluft- und Brennstoffversorgung) mit in die Steuerbegünstigung einbezogen, da ohne diese Anlagen der Betrieb einer Stromerzeugungsanlage nicht aufrechterhalten werden könne.

Die Klägerin hatte vorgetragen, dass der Betrieb einer Stromerzeugungsanlage auch den Einsatz von Brennstoffen erfordere und ohne Verheizen geeigneter Energieträger die Erzeugung von Wasserdampf und der Antrieb von Generatoren nicht möglich sei. Dieses Argument hat der BFH jedoch nicht für einschlägig gehalten, da zwischen der Herstellung von Energieerzeugnissen zur Stromerzeugung und der Stromerzeugung als solcher differenziert werden müsse. Maissilage, mit der in einem Fermenter Biogas erzeugt wird, wird selbst nicht verheizt und nicht unmittelbar zur Stromerzeugung genutzt, sondern dient lediglich als Rohstoff für die Erzeugung eines Energieerzeugnisses im Sinne von § 1 Absatz 2 Nr. 2 EnergieStG (Biogas). Mit diesem Biogas soll erst in einem weiteren Schritt eine Stromerzeugungsanlage betrieben werden. Der Strom, der zur Herstellung des Energieerzeugnisses eingesetzt wird, wird folglich nicht zur Stromerzeugung entnommen. Folglich gehört eine Anlage zur Herstellung von Energieerzeugnissen, die in einem Kraftwerk zur Stromerzeugung eingesetzt werden sollen, nicht zu den Anlagen, die der Stromerzeugung dienen.

Eine Steuerbefreiung nach § 9 Absatz 1 Nr. 2 StromStG kommt daher nach Ansicht des BFH nicht in Betracht.

Der BFH weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass für Stromsteuerzwecke der Anlagenbegriff des EEG nicht gilt. Nach § 3 Nr. 1 EEG gilt als „Anlage“ jede Einrichtung zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien (u.a. auch Biogas nach § 3 Nr. 3 EEG) oder aus Grubengas. Das EEG und das Stromsteuergesetz verfolgen jeweils unterschiedliche Zwecke. Während es vorrangiger Gesetzeszweck des EEG ist, im Interesse des Klima- und Umweltschutzes eine nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung zu ermöglichen und den Beitrag erneuerbarer Energien an der Stromversorgung deutlich zu erhöhen (§ 1 EEG), verfolgt das Stromsteuergesetz ungeachtet der umwelt- oder wirtschaftspolitisch motivierten Exemtionen hauptsächlich fiskalpolitische Zwecke. Im Ergebnis ist es daher für die Auslegung von § 9 Absatz 1 Nr. 2 StromStG unbeachtlich, ob eine Biogasanlage zusammen mit der Stromerzeugungsanlage (BHKW) nach dem EEG als ein Kraftwerk angesehen werden kann.

Der BFH gewährte der Klägerin mangels persönlicher und sachlicher Billigkeitsgründe auch keinen Entlastungsanspruch nach § 227 AO. In dem entschiedenen Fall hatte die Klägerin es außerdem versäumt, einen Antrag auf Spitzenausgleich nach § 10 StromStG beim zuständigen Hauptzollamt zu stellen bzw. die für den Antrag erforderlichen Rentenversicherungsbeiträge vorzutragen. Damit konnte die von der Klägerin gezahlte Stromsteuer im Ergebnis nicht erstattet werden.

Diese Entscheidung des BFH zeigt einmal mehr, wie wichtig es für jedes Unternehmen ist, die Anlagen, die Prozesse und Verfahren in denen Strom produziert und verbraucht wird, aus verbrauchsteuerlicher Sicht genauestens zu prüfen und zu analysieren, um einerseits die steuerlichen Pflichten zu erfüllen und andererseits die sich durch die Stromsteuer ergebenden Ansprüche auf Steuerentlastung voll auszuschöpfen. Gleiches gilt natürlich auch für die Energiesteuer und nicht zuletzt für Rechte und Pflichten aus dem EEG.

Betroffene Norm

§ 9 Absatz 1 Nr. 2 StromStG
Streitjahr 2008

Vorinstanz

FG Hamburg vom 09.11.2010, 4 K 94/10

Fundstellen

BFH, Beschluss vom 09.09.2011, VII R 75/10 
Rat der Europäischen Union, Richtlinie 2003/96/EG (RL 2003/96/EG) vom 27.10.2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 283/51)

Ansprechpartner

Tino Wunderlich I Berlin
Tina Dubiel I Berlin

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