BFH: Verwaltung unselbständiger Stiftungen
Für eine steuerbare Verwaltungsleistung reicht es aus, dass diese sich auf ein Sondervermögen bezieht, ohne dass es für die Bejahung eines verbrauchsfähigen Vorteils beim Leistungsempfänger darauf ankommt, ob dieser entgeltlich eigene Vermögensinteressen oder die Vermögensinteressen Dritter —wie etwa gemeinnützige Interessen— verfolgt.
Hintergrund
Eine Stiftung kann rechtlich selbständig oder unselbständig sein. Unselbständige Stiftungen, auch treuhänderische oder fiduziarische Stiftungen genannt, werden von einem Rechtsträger verwaltet, da sie keine juristische Person und nicht rechtsfähig sind. Eine unselbständige Stiftung entsteht, wenn ein Stifter Vermögenswerte einer bestehenden juristischen Person/rechtsfähigen Stiftungsträger mit der Auflage überträgt, diese Vermögenswerte für einen bestimmten, vom Stifter festgelegten Zweck zu verwenden. Die übertragenen Werte sind vom Stiftungsträger wirtschaftlich getrennt vom Eigenvermögen als Sondervermögen zu verwalten und dauerhaft zur Verfolgung des Zwecks zu nutzen. Aufgrund der fehlenden Rechtspersönlichkeit wird das Stiftungsvermögen zivilrechtlich Teil des Vermögens des Stiftungsträgers - er wird Eigentümer des ihm zugewandten Vermögens. Die Errichtung beruht regelmäßig auf einer Schenkung unter Auflagen oder auf einem Geschäftsbesorgungsvertrag. Umsatzsteuerlich höchstrichterlich nicht geklärt war bislang, ob die Verwaltung des Vermögens der unselbständigen Stiftung durch dessen Stiftungsträger zu einer steuerbaren Leistung führt.
Sachverhalt
Der Kläger ist ein eingetragener Verein. Er unterstützte, beriet und verwaltete als Treuhänder Stiftungsvermögen von unselbständigen Stiftungen sowie einer Dachstiftung (Stiftungsfonds). Mit den Stiftern schloss er sogenannte „Treuhandverträge“ oder als „Schenkung mit Auflage“ bezeichnete Verträge. Für seine gemeinnützigen Aufgaben und für alle Leistungen, die bei der Verwaltung des Stiftungsvermögens anfielen, erhielt der Kläger nach dem Treuhandvertrag einen entsprechend der Höhe des Stiftungsvermögens gestaffelten Stiftungsbeitrag.
Das Finanzamt war der Auffassung, dass der Kläger eine Verwaltungsleistung gegen Entgelt an die unselbständigen Stiftungen erbracht hat. Das FG Münster (Urt. v. 5.5.2022, 5 K 1753/20 U) gab der Klage statt, da unselbständige Stiftungen mangels Selbständigkeit keine Leistungsempfänger sein könnten. Ein Leistungsaustausch zwischen Stiftungsträger und Stifter des Vermögens liege auch nicht vor, da der Stifter durch die vom Stiftungsträger erbrachten Verwaltungsdienstleistungen keinen verbrauchfähigen Vorteil erhalte. Das Stiftungsvermögen, dem diese Leistungen zugutekommen, sei bereits dauerhaft in das zivilrechtliche Eigentum des Stiftungsträgers übergegangen.
Entscheidung
Der BFH hob das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Sache an das FG zurück. Der BFH entschied, dass es für eine steuerbare Verwaltungsleistung ausreicht, dass diese sich auf ein Sondervermögen bezieht. Für das Vorliegen eines verbrauchsfähigen Vorteils beim Leistungsempfänger ist es unerheblich, ob dieser entgeltlich eigene Vermögensinteressen oder die von Dritten – wie etwas gemeinnützige Interessen – verfolgt.
Gründe
Zumindest im Hinblick auf eine Stiftung (W) hat der BFH, unter Hinweis auf seine Rechtsprechung zur Steuerbarkeit von Verwaltungsleistungen an Sondervermögen (BFH Urt. v. 10.12.1982, V R 36/76), Leistungen an die Stifter bejaht. Da nicht sicher war, ob die tatsächliche Situation bei allen Stiftungen wie bei der W-Stiftung war, hat der BFH vorsorglich darauf hingewiesen, dass unberechtigte Eingriffe oder bei Unentgeltlichkeit Entnahmen vorliegen könnten oder der Vorsteuerabzug zu kürzen sein könnte.
Anmerkung
Der BFH teilt zwar die Ansicht des FGs, wonach unselbständige Stiftungen mangels Rechtsfähigkeit keine Leistungsempfänger sein könnten, verweist aber im Hinblick auf das Vorliegen eines Leistungsaustausches zwischen dem Stiftungsträger und dem Stifter auf seine Rechtsprechung zur Steuerbarkeit von Verwaltungsleistungen an Sondervermögen (s.o.). Danach ist die Verwaltung von Sondervermögen als Leistung für den am Sondervermögen Berechtigten anzusehen, wobei die Leistung gegen Entgelt erfolgt, wenn der Verwalter für seine Tätigkeit zu Entnahmen aus dem Sondervermögen berechtigt ist. Nach dem vorliegenden Urteil gilt das auch dann, wenn das Sondervermögen nicht dazu dient, das Vermögensinteresse des Anlegers zu fördern, sondern ein Stifter Vermögensmittel in ein Sondervermögen gibt, damit es für wohltätige Zwecke verwendet wird und auf diesem Weg zu dieser Verwendung gewinnbringend verwaltet werden soll und zugunsten des Stifters anlässlich der Stiftung Kontroll- und Einflussrechte vereinbart werden. Mit der Darstellung der Grundsätze zur Steuerbarkeit bei der Verwaltung von unselbständigen Stiftungen sowie der detaillierten Prüfung der umsatzsteuerlichen Leistungsbeziehungen zwischen den Parteien handelt es sich um ein Grundsatzurteil von erheblicher praktischer Relevanz. Die Aussagen im Hinblick auf die mangelnde Rechtsfähigkeit der unselbständigen Stiftungen, die allein deswegen weder Leistender noch Leistungsempfänger sein kann, erinnern an die Ausführungen des BFH zur Bruchteilsgemeinschaft nach §§ 741 ff. BGB (vgl. BFH Urt. 22.11.2018, V R 65/17, siehe auch Deloitte Tax-News: Steuern – Indirekte Steuern/Zoll) und enden abrupt in § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG, in dem die Unabhängigkeit der Unternehmereigenschaft von der Rechtsfähigkeit zum 1.1.2023 gesetzlich normiert wurde. Während der BFH die Person des Leistenden und des Leistungsempfängers stets nach dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis beurteilt, was regelmäßig aus den zivilrechtlich getroffenen Vereinbarungen folgt, und er sich ebenfalls auf die Rechtsprechung des EuGH in der Rs. HE (EuGH Urt. v. 21.4.2005, C-25/03) berufen kann, verfolgt der deutsche Gesetzgeber eine andere Intention. Aus Sicht der Finanzverwaltung wird damit vermutlich ein weiteres Urteil nicht in den Anwendungserlass aufgenommen werden.
Fundstellen
