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03.05.2012
Indirekte Steuern/Zoll

BFH: Vorsteuerberichtigung bei Rabattgewährungen außerhalb einer Lieferkette

Erstattet der erste Unternehmer in einer Lieferkette dem letzten Abnehmer einen Teil des von diesem gezahlten Leistungsentgelts durch nachträglich ausgezahlte Gutschriften, ist dessen Vorsteuerabzug nicht nach § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG in der bis zum 15.12.2004 gültigen Fassung zu berichtigen. Nach neuer Rechtslage (ab 16.12.2004) muss eine Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 1 S. 4 UStG i.d.F. des EURLUmsG vorgenommen werden.

Sachverhalt

Streitig ist, ob die Klägerin, eine GmbH, den von ihr in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug berichtigen muss, weil sie außerhalb einer Lieferkette nachträglich gewährte Herstellerrabatte erhalten hatte.

Die im Baustoffhandel tätige Klägerin bezog im Streitjahr 2004 Zement von der D-GmbH, die ihrerseits den Zement von der Z-AG bezog. Die Z-AG gewährte der Klägerin außerhalb der Lieferkette Rabatte in Form von nachträglich ausgezahlten Gutschriften. Die Z-AG minderte ihre steuerpflichtigen Umsätze für das Kalenderjahr 2004 in Höhe der gewährten Rabatte und berichtigte den von ihr geschuldeten Steuerbetrag entsprechend.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass - korrespondierend zu der Steuerminderung der Z-AG - der Vorsteuerabzug bei der Klägerin als Empfängerin der Rabatte zu mindern sei. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Das FG wies die sich anschließende Klage als unbegründet ab. Die Vorsteuer könne nach § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG in der bis zum 15.12.2004 gültigen Fassung (a.F.) berichtigt werden.

Entscheidung

Die Revision der Klägerin ist begründet und führt zur Aufhebung der Vorentscheidung. Eine Rechtsgrundlage zur Berichtigung des von der Klägerin in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs ist nicht vorhanden.

Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz geändert, so haben nach § 17 Abs. 1 S. 1 UStG a.F. der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag (§ 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG a.F.) und der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug (§ 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG a.F.) entsprechend zu berichtigen.

Für die an die Klägerin von der D-GmbH ausgeführten Umsätze (Zementlieferungen) hat sich die Bemessungsgrundlage, das Entgelt, nicht gemindert. Es fehlt mithin insoweit an den Voraussetzungen, an die die Vorsteuerkorrektur (§ 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG a.F.) anknüpft. Der Umsatz, dessen Bemessungsgrundlage sich nachträglich geändert hat, wurde nicht an die Klägerin, sondern (von der Z-AG) an die D-GmbH ausgeführt.

Erstattet der erste Unternehmer in einer Lieferkette dem letzten Abnehmer - wie im Streitfall die Z-AG der Klägerin - einen Teil des von diesem gezahlten Leistungsentgelts oder gewährt er ihm einen Preisnachlass, mindert sich dadurch die Bemessungsgrundlage für den Umsatz des ersten Unternehmers - hier der Umsatz der Z-AG an die D-GmbH - (vgl. z.B. BFH vom 12.01.2006). Die Z-AG konnte daher den für ihren Umsatz an ihren Abnehmer der nächsten Stufe - die D-GmbH - geschuldeten Steuerbetrag zu ihren Gunsten berichtigen (vgl. BFH vom 12.01.2006). Der von der D-GmbH an die Klägerin ausgeführte Umsatz ist hiervon nicht betroffen.

Entgegen der Vorentscheidung und der von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung (BMF-Schreiben vom 19.12.2003) kann § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG a.F. nicht gemäß des dem § 17 UStG zugrunde liegenden Art. 20 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden, dass - wie das FG entschied - Unternehmer im Sinne dieser Vorschrift (= "Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist") auch der ist, an den der Umsatz, dessen Bemessungsgrundlage sich geändert hat, zwar nicht ausgeführt wurde, der aber Leistungsempfänger auf einer späteren Stufe innerhalb einer Lieferkette war.

Eine richtlinienkonforme Auslegung kommt nur in Betracht, wenn es im konkreten Fall verschiedene Auslegungsmöglichkeiten gibt. Der Wortlaut des § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG a.F. (Vorsteuerberichtigung bei dem "Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist") ist - entgegen dem FG - eindeutig. Eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs bei der Klägerin wäre danach nur bei einer Änderung der Bemessungsgrundlage für den zwischen der Klägerin und der D-GmbH ausgeführten Umsatz vorzunehmen; das Entgelt für diesen Umsatz ist aber - wie dargelegt - unverändert. Das für die Klägerin günstigere nationale Recht geht in diesem Fall dem Unionsrecht vor (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25.11.2004). Über seinen Wortlaut hinaus ist § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG a.F. nicht anzuwenden. Einer teleologischen Extension steht entgegen, dass der Gesetzgeber bis zur Änderung des § 17 Abs. 1 UStG durch das EURLUmsG mit Wirkung ab 16.12.2004 es - in Kenntnis der Problematik - unterlassen hatte, die nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehenen Maßnahmen bei Rabattgewährungen außerhalb einer Lieferkette - wie im Streitfall - in nationales Recht umzusetzen.

Der ursprüngliche Vorsteuerabzug wird nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Einzelheiten berichtigt, "wenn sich die Faktoren, die bei der Festsetzung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Erklärung geändert haben, insbesondere bei ... erlangten Rabatten ..." Hierzu führte der EuGH für den Fall, dass eine Vergütung nicht an den Leistungsempfänger des Rabattgewährenden, sondern an einen anderen zum Vorsteuerabzug berechtigten Abnehmer einer Lieferkette gewährt wird, der die Ware für sein Unternehmen verwendet, aus, "ein Vorsteuerüberhang, der sich aus der nachträglichen Erstattung eines Gutscheins ergäbe, [kann] dadurch verhindert werden, dass bei dem Endabnehmer eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach Artikel 20 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 77/388/EWG vorgenommen wird. Diese Vorschrift sieht nämlich vor, dass der ursprüngliche Vorsteuerabzug berichtigt werden kann, wenn sich die Faktoren, die bei der Festsetzung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Erklärung geändert haben" (EuGH, Urteil vom 15.10.2002).

Eine dementsprechende Vorsteuerberichtigung war im UStG ursprünglich nicht vorgesehen. Erst mit § 17 Abs. 1 S. 4 UStG i.d.F. des EURLUmsG wurde Art. 20 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG insoweit in nationales Recht umgesetzt und eine Berichtigung der abgezogenen Vorsteuer für den Fall angeordnet, dass ein anderer Unternehmer als der, für den der Umsatz ausgeführt wurde, durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich begünstigt wird.

Betroffene Norm

§ 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG in der bis zum 15.12.2004 gültigen Fassung (a.F.)
Streitjahr 2004

Vorinstanz

Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 29.05.2009, 1 K 4494/08 U, EFG 2010, S. 456

Fundstelle

BFH, Urteil vom 15.02.2012, XI R 24/09

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 12.01.2006, V R 3/04, BStBl II 2006, S. 479
BMF, Schreiben vom 19.12.2003, IV B 7 -S 7200- 101/03, BStBl I 2004, S. 443
Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
BFH, Urteil vom 25.11.2004, V R 4/04, BStBl II 2005, S. 415
EuGH, Urteil vom 15.10.2002, C-427/98, BStBl II 2004, S. 328

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