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27.10.2022
Indirekte Steuern/Zoll

BMF: Das aktuelle BMF-Schreiben zur Vorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Gebäuden und potenzielle Optimierungsmöglichkeiten beim Vorsteuerabzug

Ein Unternehmer, der ausschließlich steuerpflichtige Ausgangsleistungen erbringt, ist grundsätzlich zum Vorsteuerabzug berechtigt. Problematisch sind in der Praxis die Fälle der gemischten Verwendung, bei denen der Unternehmer sowohl steuerpflichtige als auch steuerfreie Ausgangsumsätze tätigt etwa bei der Vermietung von gemischt genutzten Gebäuden.

Hintergrund

Sofern ein Unternehmer die für sein Unternehmen bezogenen Eingangsleistungen sowohl für steuerpflichtige als auch steuerfreie Ausgangsleistungen verwendet, scheidet vielfach ein vollständiger Vorsteuerabzug aus. Nach dem Unionsrecht ist in diesen Fällen für die Aufteilung der Vorsteuerbeträge auf die Gesamtheit der von dem Unternehmer bewirkten Umsätze abzustellen (sog. globaler Umsatzschlüssel). Allerdings eröffnet Art. 173 Abs. 2 Buchst. c) MwStSystRL den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, vom globalen Umsatzsteuerschlüssel abzuweichen und andere Grundsätze für die Aufteilung der Vorsteuerbeträge zu bestimmen. Der deutsche Gesetzgeber hat von dieser Abweichung Gebrauch gemacht und sieht vorrangig eine Aufteilung von Vorsteuerbeträgen nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Zurechnung vor. So heißt es in § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG wörtlich:

„Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist.“

Diese Diskrepanz sowie die Auslegung und Anwendung im Einzelfall war in den vergangenen Jahren Gegenstand zahlreicher gerichtlicher Verfahren und lebhafter Diskussionen in der Praxis. Sowohl der EuGH als auch der BFH bestätigten die Vereinbarkeit der deutschen Regelung für die Fälle, in denen eine Aufteilung von Vorsteuerbeträgen nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Zurechnung zu präziseren Ergebnissen führt.

Die „andere“ wirtschaftliche Zurechnung, allen voran die Anwendung eines Flächenschlüssels, stößt jedoch in den Fällen der erheblich unterschiedlichen Ausstattung der Räumlichkeiten (z. B. wegen der Höhe der Räume, der Dicke der Wände und Decken oder in Bezug auf die Innenausstattung) an ihre Grenzen und verliert ihre Präzision hinsichtlich der Aufteilung der Vorsteuerbeträge. In solchen Fällen führt eine Vorsteueraufteilung nach einem (objektbezogenen) Umsatzschlüssel zu einem präzisieren Ergebnis, weil sich die qualitativen Merkmale in den erzielten Ausgangsumsätzen widerspiegeln.

Die Finanzverwaltung nimmt mit dem aktuellen BMF-Schreiben nun erstmals zu den zahlreichen in den letzten Jahren ergangenen höchstrichterlichen Entscheidungen Stellung.  

Das BMF-Schreiben vom 21.10.2022 – Umsetzung der Rechtsprechung

Hinsichtlich Eingangsleistungen für die Nutzung, Erhaltung und Unterhaltung von gemischt genutzten Gebäuden (sog. Erhaltungsaufwand) ist dem BMF-Schreiben zu entnehmen, dass die Leistungen nach den allgemeinen Grundsätzen zunächst soweit möglich direkt den zum Vorsteuerabzug berechtigenden bzw. diesen ausschließenden Ausgangsumsätzen zuzuordnen und verbleibende Vorsteuerbeträge sachgerecht aufzuteilen seien. Lediglich hinsichtlich Anschaffungs- und Herstellungskosten sowie Erhaltungsaufwand, wo eine sachgerechte Aufteilung nach dem Prinzip der direkten Zuordnung gem. 15.17 Abs. 1 bis 4 UStAE nicht möglich ist, erfolgt nach dem BMF-Schreiben eine einheitliche Aufteilung der Vorsteuerbeträge in einen abziehbaren und in einen nicht abziehbaren Teil. In der Praxis ist eine Aufteilung von Erhaltungsaufwand nach dem Prinzip der direkten Zuordnung jedoch mit (Dokumentations-)Aufwand verbunden, was dazu führt, dass vereinzelt unmittelbar die nachstehenden Grundsätze der Finanzverwaltung zur wirtschaftlichen Zurechnung angewandt werden, was jedoch nicht im Einklang mit der Rechtsprechung und Finanzverwaltungsauffassung ist. 

1. Der Flächenschlüssel

Zur Aufteilung von Vorsteuerbeträgen aus Anschaffungs- und Herstellungskosten sowie nicht zuordenbaren Erhaltungsaufwand favorisiert die Finanzverwaltung weiterhin einen das Verhältnis der Nutzflächen des Gebäudes wiederspiegelnden Flächenschlüssel (sog. objektbezogener Flächenschlüssel), da dieser regelmäßig die wirtschaftlich präzisere Aufteilungsmethode gegenüber dem Gesamtumsatzschlüssel darstellt. Sie stellt allerdings auch klar, dass der Unternehmer einen Flächenschlüssel nur beanspruchen kann, wenn dieser sachgerecht ist. Dabei treffe die Feststellungslast, dass der Flächenschlüssel präziser als der Umsatzschlüssel sei, das Finanzamt. Voraussetzung hierfür sei jedoch, dass der Unternehmer seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen ist.

2. (Objektbezogener) Umsatzschlüssel

Ein objektbezogener Umsatzschlüssel sei für die Fälle heranzuziehen, in denen der objektbezogene Flächenschlüssel kein präzises Instrument zur Aufteilung der Vorsteuer darstelle. Dies sei in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH dann der Fall, wenn die Flächen eines Grundstücks in qualitativer Hinsicht von erheblich unterschiedlicher Wertigkeit seien und es somit an einer Vergleichbarkeit fehle. Nur ausnahmsweise könne in solchen Fällen eine Aufteilung nach dem Gesamtumsatzschlüssel zur Anwendung kommen, nämlich z. B. bei Verwaltungsgebäuden, wenn die Eingangsumsätze den Umsätzen des gesamten Unternehmens dienen. Erheblich seien die Unterschiede erst, wenn sie über die bloße unterschiedliche Nutzung hinaus zu einem deutlich unterschiedlichen Bauaufwand für nur einen Gebäudeteil führen, dem im anderen Gebäudeteil kein entsprechender, funktions- und wertähnlicher Aufwand gegenübersteht.

3. Umbauter Raum als Aufteilungsschlüssel

Sofern Gebäudeteile mit unterschiedlichen Geschosshöhen, aber ansonsten ohne erhebliche Unterschiede in der Ausstattung vorlägen, könne der umbaute Raum als Aufteilungsschlüssel herangezogen werden, wenn erhebliche Abweichungen in der Geschosshöhe bestehen (d.h. eine Aufteilung nach dem Volumen der Gebäudeteile). 

Die o.g. Ausführungen zur wirtschaftlichen Zurechnung sind zur Zuordnung von gemischt genutzten Grundstücken gem. § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG zum Unternehmensvermögen entsprechend anzuwenden (siehe Abschn. 15.2c Abs. 8 UStAE).

Anmerkung

Die Klarstellungen und Ergänzungen seitens der Finanzverwaltung sowie die Veröffentlichung der höchstrichterlichen Entscheidung im Bundesteuerblatt zur Anwendung über den Einzelfall hinaus sind grundsätzlich zu begrüßen und werden die Unklarheiten hinsichtlich der Anwendung des zutreffenden Vorsteuerschlüssels zu einem erheblichen Teil beseitigen. Damit geht auch eine präzisere und sachgemäßere Aufteilung der entstandenen Vorsteuerbeträge einher, die beim Bezug von Eingangsleistungen im Zusammenhang mit gemischt genutzten Gebäuden entstehen.

Die Grundsätze des BMF-Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden; es wird jedoch nicht beanstandet, wenn sich Unternehmen vor der Veröffentlichung des Schreibens auf die bisherige Finanzverwaltung berufen. Positiv hervorzuheben ist noch einmal, dass die Finanzverwaltung die Beweislast trägt, dass der Flächenschlüssel präziser als ein Umsatzsteuerschlüssel ist.

Nicht eindeutig ist dem BMF-Schreiben zu entnehmen, ob eine Aufteilungsmethode rückwirkend gewechselt werden kann (ablehnend: Abschn. 15.17 Abs. 4 UStAE). U.E. sind Unternehmer hierzu jedenfalls berechtigt, wenn die gewählte Aufteilungsmethode nicht sachgerecht ist, so dass Unternehmer prüfen sollten, ob sich eine Vorsteueraufteilung nach den neuen Maßstäben zu Gunsten auswirkt.

Nicht dazu durchringen konnte sich die Finanzverwaltung, für die Sachgerechtigkeit eines Umsatzsteuerschlüssels auf quantitative Merkmale abzustellen. So wurde in der Literatur diskutiert, ob zum Beispiel bei einer Vorsteuerabweichung von 10% gegenüber dem Flächenschlüssel zum Umsatzschlüssel optiert werden könne. Die Finanzverwaltung stellt im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung allein auf qualitative Merkmale des Gebäudes bzw. Grundstücks ab.

Dass die Anwendung eines Umsatzschlüssels nicht zwangsläufig zugunsten eines Unternehmens auswirkt, zeigt eine anhängige Entscheidung beim BFH (Az. XI R 16/21). Im Streitfall begehrt der Steuerpflichtige den Vorsteuerabzug aus der Reparatur einer Dachfläche, auf der eine Photovoltaikanlage installiert ist. Abweichend vom Steuerpflichtigen, der einen Flächenschlüssel begehrt anzuwenden, beabsichtigt die Finanzverwaltung für Zwecke des Vorsteuerabzugs die fiktiven Vermietungsumsatz für die Dachfläche ins Verhältnis zum fiktiven Vermietungsumsatzes für das gesamte Haus zu setzen (objektbezogener Umsatzschlüssel).

Zu guter Letzt ist noch darauf hinzuweisen, dass die Finanzverwaltung daran festhält, dass eine Zurechnung von Vorsteuerbeträgen gebäudeteilbezogen erfolgen müsse. Bei Anschaffung eines Gebäudes kann dies zu erheblichen Vorsteuerschäden führen, wenn der Verkäufer lediglich für bestimmte Gebäudeteile zur Umsatzsteuer gem. § 9 UStG optiert und die Gebäudeteile vom Käufer schlussendlich abweichend genutzt werden. Dies ist u.E. nicht im Einklang mit dem Unionsrecht, so dass betroffene Unternehmer gegen Festsetzungen zu Ungunsten vorgehen sollten.  

Betroffene Normen

​§ 9, 15 Abs. 4 UStG; ABschn. 15.17 Abs. 7 UStAE; ABschn. 15.2 Abs. 8 UStAE

Fundstelle

BMF-Schreiben vom 20.10.2022, III C 2 - S 7306/19/10001 :003

Ihre Ansprechpartner

Benno L’habitant
Director

blhabitant@deloitte.de
Tel.: +49 69 756957852

Amir Nabipour
Manager

anabipour@deloitte.de
Tel.: +49 69 756957202

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