BMF: Kein tauschähnlicher Umsatz bei gesetzlich angeordneter Verwertung gefährlicher Abfälle
BMF übernimmt jüngste BFH-Rechtsprechung zur Entsorgung (werthaltiger) Abfälle.
Hintergrund
Die Finanzverwaltung ging bisher davon aus, dass bei der Abfallentsorgung zwingend ein tauschähnlicher Umsatz zwischen Entsorger und Abfallerzeuger/-besitzer vorliegt, sofern der zur Entsorgung überlassenen Abfall sich auf die Höhe der Barvergütung für die Entsorgungsleistung auswirkt (Abschn. 3.16. Abs. 1 Satz 2 UStAE). Hiervon abweichend hat der BFH mit Urteil vom 18.04.2024, V R 7/22 entschieden, dass die Entsorgung gefährlicher Abfälle keinen tauschähnlichen Umsatz begründet, selbst wenn im Entsorgungsprozess werthaltige Stoffe entstehen und dies bei der Kalkulation des Preises der Entsorgungsleistung berücksichtigt wird.
Im Urteilsfall fehlte es nach Auffassung des BFH an einer Verschaffung der Verfügungsmacht an den überlassenen Abfällen, da es sich hierbei um nicht marktfähige Handelswaren handele, die zweckgebunden zur gesetzlich vorgeschriebenen Entsorgung überlassen wurden. Mangels Lieferung von Abfällen begründe der Sachverhalt daher lediglich eine steuerbare Entsorgungsleistung gegen Entgelt anstatt eines tauschähnlichen Umsatzes mit Baraufgabe.
Verwaltungsanweisung vom 15.01.2025
Das BMF hat die Grundsätze dieses Urteils nun mit BMF-Schreiben vom 15.01.2025 in die Verwaltungsauffassung übernommen und Abschn. 3.16. Abs. 1 UStAE durch eine entsprechende Einschränkung im neu angefügten Satz 3 ergänzt. Danach liegt – entgegen dem weiterhin bestehenden Grundsatze – kein tauschähnlicher Umsatz vor, wenn ein Unternehmer nicht mehr nutzbaren, gefährlichen Abfall zum ausschließlichen Zweck der gesetzlich angeordneten Verwertung zur Rückgewinnung/Regenerierung von Abfällen übernimmt.
Eine Übergangsregelung enthält das Schreiben nicht, sodass dessen Grundsätze in allen offenen Fällen anzuwenden sind.
Anmerkung
Der BFH beschäftigt sich in seinem Urteil aktiv mit einer Entscheidung des EuGH, in dem gleich in zwei Entsorgungsfällen jeweils ein tauschähnlicher Umsatz bejaht wurde (EuGH, Urteil vom 10.01.2019 – C-410/17, A Oy). Hierbei handelte es sich um die Entsorgung von (werthaltigem) Metallschrott und Mobiliar. Diese Sachverhalte unterscheiden sich einerseits durch den Umstand, dass die überlassenen Abfälle im Urteilsfall vom 18.04.2024 nicht verkehrsfähig, dafür aber gefährlich und somit vor Aufbereitung unstreitig nicht werthaltig waren. Darüber hinaus bestand im BFH-Fall eine gesetzliche Pflicht zur sachegerechten Entsorgung dieser Abfälle.
Das BMF-Schreiben greift in seiner Umsetzung des Urteils im Umsatzsteueranwendungserlass sämtliche dieser Besonderheiten kumulativ auf und schränkt seine bisherige Auffassung zum tauschähnlichen Umsatz lediglich für „nicht mehr nutzbaren, gefährlichen Abfall“ ein, der dem Entsorgungsunternehmen zum „ausschließlichen Zweck der gesetzlich angeordneten Verwertung“ überlassen wird. Vor dem Hintergrund der sehr deutlichen Absage an einen tauschähnlichen Umsatz durch den BFH stellt sich die Frage, ob wirklich sämtliche dieser Merkmale kumulativ erfüllt sein müssen, um eine Lieferung werthaltiger Abfälle zu verneinen. Ungeachtet der eher restriktiven Umsetzung des BMF sollten sowohl Abfallverursacher als auch Unternehmen der Entsorgungsbranche das BMF-Schreiben zum Anlass nehmen, die bisherige umsatzsteuerliche Abwicklung von Entsorgungsleistungen kritisch zu hinterfragen.
Fundstelle
BMF, Schreiben vom 15.01.2025, III C 2 - S 7119/00004/002/027
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 18.04.2024, V R 7/22
EuGH, Urteil vom 10.01.2019, C-410/17, A Oy
