BMF: Relevanz des Zahlungszwecks für die Abgrenzung zwischen Entgelt und echtem Zuschuss
Leistungsentgelt oder echter Zuschuss? Das BMF präzisiert die Abgrenzungskriterien.
Hintergrund
Bei finanziellen Zuwendungen an einen Unternehmer stellt sich regelmäßig die Frage (vgl. Deloitte Tax News), ob die Zahlung unabhängig von einer Leistung des Zahlungsempfängers erfolgt und damit umsatzsteuerrechtlich unbeachtlich ist (echter Zuschuss) oder ob die Zahlung ein Entgelt für eine Leistung des Unternehmers an den Zuschussgeber darstellt (unechter Zuschuss). In Drei-Personen-Konstellationen kann die Zahlung als Entgelt dritter Seite gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG zu qualifizieren sein, wenn der leistende Unternehmer eine Zahlung von einem anderen als dem Leistungsempfänger für die Lieferung oder sonstige Leistung erhält und der Leistungsempfänger einen Anspruch auf die Zahlung hat, die Zahlung in Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung gegenüber dem Leistungsempfänger oder zumindest im Interesse des Leistungsempfängers gewährt wird (vgl. Abschn. 10.2 Abs. 3 Sätze 1 und 4 UStAE). Während der BFH in der Vergangenheit grundsätzlich einen steuerbaren Leistungsaustausch annahm, wenn ein Unternehmer auf der Grundlage eines gegenseitigen Vertrages mit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts Leistungen gegen Entgelt erbringt (BFH, Urt. v. 28.05.2013, XI R 32/11, BStBl. II 2014, 411, Rz. 43 mwN; BFH, Urt. v. 05.08.2010, V R 54/09, BStBl. II 2011, 191, Rz. 13) und sich die Finanzverwaltung diesem Verständnis angeschlossen hat (Abschn. 10.2 Abs. 2 Satz 7 UStAE), schränkte der BFH in der Folge diesen Grundsatz ein, indem er auf den Zahlungszweck aus der Perspektive des Zahlenden nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise abstellte (BFH, Urt. v. 18.11.2021, V R 17/20, BStBl. II 2024, 492, Rz. 22 ff.).
Verwaltungsanweisung vom 11.06.2024
Mit der aktuellen Verwaltungsanweisung präzisiert das BMF die Kriterien, die für die Abgrenzung zwischen Entgelt und echtem Zuschuss maßgeblich sind. Zudem ergänzt das BMF den Bespielkatalog des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses um weitere Fallkonstellationen nach Maßgabe der BFH-Rechtsprechung (BFH, Urt. v. 05.08.2010, V R 54/09, BStBl. II 2011, 191; BFH, Urt. v. 18.11.2021, V R 17/20, BStBl. II 2024, 492).
Kriterien für die Abgrenzung zwischen Entgelt und echtem Zuschuss
Mit der Verwaltungsanweisung stellt das BMF klar, dass es für die Abgrenzung zwischen Entgelt und echten Zuschuss insbesondere auf die Person des Bedachten und das Förderungsziel ankommt (Abschn. 10.2 Abs. 2 Satz 3 UStAE). Dabei kommt dem Zweck, den der Zahlende verfolgt, Indizwirkung zu (Abschn. 10.2 Abs. 2 Satz 4 UStAE).
Kein Leistungsaustausch trotz vertraglich vereinbarter Zahlungen
Neu ist ein Verweis im Anwendungserlass (Abschn. 10.2 Abs. 9 Satz 6 UStAE), wonach bei Zuwendungen aus öffentlichen Kassen kein Leistungsaustausch vorliegt, wenn vertraglich vereinbarte Zahlungen aus den in Abschn. 10.2 Abs. 7 Sätze 3 und 4 UStAE genannten Gründen gewährt werden. Echte Zuschüsse liegen danach auch dann vor, wenn der Zahlungsempfänger die vertraglich vereinbarten Zahlungen lediglich erhält, um in die Lage versetzt zu werden, überhaupt tätig zu werden oder seine nach dem Gesellschaftszweck obliegenden Aufgaben erfüllen zu können (Abschn. 10.2. Abs. 9 Satz 6 UStAE i.V.m. Abschn. 10.2 Abs. 7 Satz 3 UStAE). Dazu gehören vertraglich vereinbarte Zahlungen, die vorrangig dem Zahlungsempfänger zu seiner Förderung aus strukturpolitischen, volkswirtschaftlichen oder allgemeinpolitischen Gründen gewährt werden (Abschn. 10.2. Abs. 9 Satz 6 UStAE i.V.m. Abschn. 10.2 Abs. 7 Satz 3 UStAE).
Erweiterung des Bespielkatalogs
Ein Entgelt für eine steuerbare und steuerpflichtige Leistung in Gestalt der Bewirtschaftung einer Liegenschaft liegt z.B. vor, wenn ein Sportverein einen jährlichen Betrag von einer Gemeinde erhält, um auf der Grundlage eines Geschäftsbesorgungsvertrags eine Sporthalle zu vermieten und die Mietforderungen einzuziehen (Abschn. 10.2 Abs. 2 Satz 10 Beispiel 5; BFH, Urt. v. 05.08.2010, V R 54/09, BStBl. II 2011, 191). Ein echter Zuschuss ist hingegen anzunehmen, wenn einem gemeinnützigen Sportverein eine Sportanlage von einer Gemeinde ohne Auflagen für bestimmte Sportangebote unentgeltlich zur Eigennutzung und allgemeinen Förderung der Vereinstätigkeit überlassen wird und die Gemeinde eine pauschale Kostenerstattung an den Sportverein gewährt (Abschn. 10.2 Abs. 7 Satz 8 Beispiel 6; BFH, Urt. v. 18.11.2021, V R 17/20, BStBl. II 2024, 492).
Anwendungsregelung
Die Verwaltungsgrundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden.
Anmerkung
Die finanzielle Belastung, die Zahlungsempfängern, die ggf. nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, in Fällen des unerkannten oder zu spät identifizierten Vorliegens eines Leistungsentgelts droht, verdeutlicht die Relevanz der zutreffenden umsatzsteuerrechtlichen Qualifizierung der Zuschussgewährung. Die Einordnung als Leistungsentgelt kommt dabei nur in Betracht, wenn die Tatbestandsmerkmale eines Leistungsaustauschs erfüllt sind. Maßgeblich ist, ob der Zahlungsempfänger dem Zahlenden für die finanzielle Zuwendung einen konkreten verbrauchsfähigen Vorteil gewährt. Wird dem Zahlungsempfänger hingegen lediglich ermöglicht, seine Tätigkeit überhaupt ausüben zu können und ist er nicht dazu verpflichtet, eine konkrete Leistung zugunsten des Zahlenden zu erbringen, ist das für einen Leistungsaustausch vorausgesetzte Gegenseitigkeitsverhältnis nicht gegeben. Insbesondere die Ausführungen der Finanzverwaltung im Bereich der Überlassung von Gemeindeeinrichtungen an Vereine sind praxisnah erläutert. Mit der aktuellen Verwaltungsanweisung schließt sich das BMF der höchstrichterlichen Rechtsprechung an, indem es den Umsatzsteuer-Anwendungserlass um die vom BFH formulierten Abgrenzungskriterien erweitert und dabei exemplarisch die vom BFH entschiedenen Fallkonstellationen heranzieht.
Betroffene Normen
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, § 10 Abs. 1 S. 2 UStG
Fundstelle
BMF, Schreiben vom 11.06.2024, III C 2 - S 7200/19/10001 :028