ECOFIN-Rat: Annahme des ViDA-Pakets – was gilt ab wann?
Nach der politischen Einigung am 05.11.2024 und der Annahme durch das Europäische Parlament am 11.2.2025 hat der ECOFIN-Rat das ViDA-Paket in der Sitzung am 11.03.2025 offiziell verabschiedet. Das Paket, bestehend aus einer Richtlinie, einer Verordnung über die Verwaltungszusammenarbeit und einer Durchführungsverordnung, tritt am zwanzigsten Tag nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft. Die Veröffentlichung im Amtsblatt der EU wird in den nächsten Tagen erwartet. Damit wird bereits ein Teil der neuen Regeln in Kraft treten.
Hintergrund
Der Rat der Europäischen Union hat gestern, am 11.03.2025, das umfassende Maßnahmenpaket „Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter (ViDA = VAT in the Digital Age) zur Vereinfachung und Modernisierung der MwSt-Vorschriften offiziell verabschiedet.
Mit den neuen Vorschriften für elektronische Rechnungen und die Echtzeitmeldung von Daten sowie über digitale Plattformen abgewickelte Geschäfte soll das Gesetzgebungspaket zur Bekämpfung von Steuerbetrug beitragen, Unternehmen unterstützen und die Digitalisierung fördern.
Die Annahme ebnet den Weg für die schrittweise Einführung der neuen Vorschriften bis Januar 2035.
Das Paket, bestehend aus einer Richtlinie, einer Verordnung über die Verwaltungszusammenarbeit und einer Durchführungsverordnung, tritt am zwanzigsten Tag nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft. In Bezug auf den vorgesehenen Zeitplan wurden keine Änderungen vorgenommen. Die Veröffentlichung im Amtsblatt der EU wird in den nächsten Tagen erwartet, so dass damit bereits ein Teil der neuen Regelungen in Kraft treten wird.
Worum geht es bei ViDA?
Der ViDA-Vorschlag stellt die größte Überarbeitung der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie seit Jahren dar, einschließlich völlig neuer digitaler Lösungen, aber auch der Erweiterung bereits bestehender Rechtsvorschriften zum One-Stop-Shop-Mechanismus und der vorgesehenen Bereitstellung für Plattformen. Mit diesen Änderungen will die Europäische Kommission das EU-Mehrwertsteuersystem weniger betrugsanfällig gestalten, gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen Online- und traditionellen Unternehmen schaffen und den Verwaltungsaufwand für Steuerzahler verringern (siehe auch Deloitte Tax-News; Deloitte Tax-News; zu den inhaltlichen Themen im Rahmen des nun angenommenen Kompromissvorschlags siehe auch Deloitte Tax-News).
Das Paket, über das Einigung erzielt wurde, umfasst drei Säulen, deren Maßnahmen zwischen 2025 und 2035 in Kraft treten werden. Im Einzelnen (siehe auch Deloitte Tax-News:
DRR: vollständige Digitalisierung der MwSt-Meldepflichten für grenzüberschreitende Umsätze bis 2030
Plattform: Verpflichtung von Online-Plattformen zur Zahlung von MwSt für Kurzzeitvermietung von Unterkünften und für Personenbeförderung in den meisten Fällen, in denen einzelne Dienstleistungserbringer keine MwSt erheben
SVR: Verbesserung und Ausweitung der einzigen Anlaufstellen für die MwSt im Internet, damit Unternehmen nicht in allen Mitgliedstaaten, in denen sie tätig sind, eine kostspielige MwSt-Registrierung vornehmen müssen
Digital Reporting Requirements
Die DRR-Säule enthält neue Vorschriften für die digitale Berichterstattung in nahezu Echtzeit auf Grundlage strukturierter elektronischer Rechnungen. Sinn und Zweck ist es, den EU-Mitgliedstaaten wertvolle Informationen des für die Bekämpfung des MwSt-Betrugs zu liefern und die Verwaltungs- und Compliance Kosten für Unternehmen zu senken.
Derzeit werden Unternehmen alle paar Monate aufgefordert, ihren nationalen Steuerbehörden zusammenfassende Meldungen der Gegenstände und Dienstleistungen zu übermitteln, die sie an Unternehmen in anderen EU-Mitgliedstaaten, die dort steuerpflichtig sind, verkauft haben. Dies schafft eine Lücke für Betrüger: Sie können die Schwierigkeiten ausnutzen, die die Behörden dabei haben, verdächtige oder betrügerische Transaktionen aufzudecken, da die Daten unvollständig und nicht in Echtzeit verfügbar sind (siehe auch Deloitte Tax-News).
Durch die Einführung eines digitales Echtzeit-Meldesystem für MwSt-Zwecke mittels elektronischer Rechnungen stellen Unternehmen im B2B Bereich künftig elektronische Rechnungen für grenzüberschreitende Transaktionen aus und melden damit die Daten automatisch an ihre Steuerverwaltung. Das ist auf den bestehenden europäischen Standard für die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen gestützt. Die nationalen Steuerbehörden tauschen die Daten dann über ein (neues) IT-System aus, das in der Lage ist, verdächtige Vorgänge zu ermitteln.
Ein Rahmen auf nationaler Ebene soll für die Qualität, der in den elektronischen Rechnungen enthaltenen Daten sorgen, wobei den Mitgliedstaaten Flexibilität bei der Umsetzung dieses Rahmens eingeräumt wird.
Damit erhalten die Mitgliedstaaten schnell vollständige Informationen über grenzüberschreitende Umsätze, die sie zur Bekämpfung von MwSt-Betrug verwenden können.
Das EU-System soll bis 2030 einsatzbereit sein. Die Interoperabilität aller bestehenden nationalen Systeme mit dem EU-System soll bis 2035 sichergestellt werden.
Plattformwirtschaft
Die Säule der Plattformwirtschaft zielt darauf ab, die MwSt-Pflicht auf Plattformen zu verlagern und die Wettbewerbsbedingungen zwischen online- und traditionellen Geschäftsmodellen zu verbessern.
Derzeit zahlen viele Online-Anbieter von Kurzzeitvermietung von Unterkünften und von Personenbeförderung keine MwSt. Das ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass es sich dabei in der Regel um einzelne Anbieter (wie einen Fahrer oder eine Person, die ihre Wohnung vermietet) oder um kleine Unternehmen handelt, die sich meistens nicht für MwSt-Zwecke registrieren müssen oder sich oft ihrer Verpflichtungen oder der Steuervorschriften in anderen Mitgliedstaaten einfach nicht bewusst sind. In der Folge werden große Mengen an MwSt nicht erhoben, so dass mitunter ein unfairer Wettbewerb zwischen herkömmlichen Beherbergungs- und Beförderungsanbietern und jenen, die über Plattformen tätig sind, besteht.
Gemäß den neuen Vorschriften sind die Betreiber der Plattformwirtschaft für die Erhebung und Abführung der MwSt in den Fällen zuständig, in denen ihre Dienstleistungserbringer die MwSt nicht selbst zahlen (nach dem Modell des „fiktiven Lieferers/Dienstleistungserbringers“). Die Plattformen müssen die MwSt direkt beim Kunden erheben und sie an die Steuerbehörden abführen (siehe auch Deloitte Tax-News).
Durch die neuen Vorschriften wird den Mitgliedstaaten mehr Flexibilität eingeräumt, indem die Definition der Kurzzeitvermietung von Unterkünften für Steuerzwecke weiter ist. Die Mitgliedstaaten haben die Möglichkeit, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) von den Vorschriften über fiktive Lieferer/Dienstleistungserbringer auszunehmen.
Einzige Anlaufstelle für die MwSt-Registrierung
Die SVR-Säule zielt darauf ab, den Verwaltungsaufwand für Steuerzahler zu verringern, indem die Notwendigkeit ausländischer MwSt-Registrierungen reduziert wird.
Derzeit können Unternehmen über ein System von einzigen Anlaufstellen die MwSt auf ihre Verkäufe – aus einem EU-Land in ein anderes – von Gegenständen und Dienstleistungen an Verbraucher über die Behörden eines einzigen Mitgliedstaats und in einer einzigen Sprache melden und abführen. Unternehmen, die Gegenstände an Verbraucher innerhalb eines anderen Mitgliedstaats als ihrem eigenen verkaufen wollen (d. h. aus einem Lager oder von einem Wochenmarkt in diesem Mitgliedstaat), müssen sich jedoch nach wie vor zweimal für MwSt-Zwecke registrieren lassen.
Daher wird der Anwendungsbereich der bestehenden einzigen Anlaufstellen mit den neuen Vorschriften ausgeweitet; er betrifft jetzt nicht nur grenzüberschreitende Lieferungen, sondern auch die Verkäufe – von Unternehmen an Verbraucher – bestimmter Produkte, wie etwa Strom oder Gas, die innerhalb eines anderen Mitgliedstaats als ihrem eigenen getätigt werden. Dazu gehören auch Situationen, in denen Unternehmen lediglich Lagerbestände in einen anderen Mitgliedstaat verlegen wollen, um die Waren dort zu einem späteren Zeitpunkt direkt an Verbraucher zu verkaufen (siehe auch Deloitte Tax-News).
Die erweiterte einzige Anlaufstelle wird daher mehr Unternehmen ermöglichen, ihren MwSt-Pflichten über ein einziges Online-Portal und in einer einzigen Sprache nachzukommen.
Ferner wird die Verantwortung für die Zahlung der MwSt in Transaktionen zwischen Unternehmen von dem Lieferer eines Gegenstands oder einer Dienstleistung auf den Käufer übertragen, wenn der betreffende Lieferer nicht in dem Mitgliedstaat niedergelassen ist, in dem die MwSt geschuldet wird (im Rahmen der „Umkehrung der Steuerschuldnerschaft“). Das war bereits in einigen Situationen möglich, wird aber künftig verbindlich werden.
Entsprechend dem Vorschlag des Rats vom 05.11.2024 bleibt es somit auch dabei, dass die bestehende Bestimmung des fiktiven Lieferers/Dienstleistungserbringers – wonach die Zuständigkeit für die Erhebung der MwSt bei den Plattformen liegt, die die Transaktionen ermöglichen, und nicht bei den zugrunde liegenden Lieferern – nicht auf alle von Online-Plattformen gelieferten Gegenstände und nicht auf unternehmensinterne Verbringungen von Gegenständen ausgeweitet wird. Auch die Vorschriften für Kunstgegenstände und Antiquitäten unterliegen nicht der Änderung.
Was gilt ab wann?
Die Richtlinie, die Verordnung und die Durchführungsverordnung treten am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft. Die Änderungen der Mehrwertsteuerrichtlinie sollten anschließend von den EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Die Verordnungen haben unmittelbare Wirkung. Die Veröffentlichung wird innerhalb der nächsten Tage erwartet.
Überblick über die wichtigsten Zeitpunkte
20 Tage nach Veröffentlichung der Richtlinie
EU-Mitgliedstaaten können elektronische Rechnungen für inländische Transaktionen ohne vorherige Ausnahmegenehmigung der EU-Kommission verlangen. Wird hiervon Gebrauch gemacht, können die EU-Mitgliedstaaten auf die derzeit erforderliche Zustimmung des Empfängers zur Annahme der elektronischen Rechnungen verzichten.
01.01.2027
Gesetzliche Klarstellungen im Hinblick auf das OSS (one-Stop-Shop) und IOSS (Import-One-Stop-Shop) Verfahren.
Bestehende fingierte Lieferkette B2C-Lieferungen innerhalb der EU, die im Drittland ansässige Onlinehändler über Plattformen erbringen, wird auf B2B Lieferungen ausgeweitete
30.06.2028
Vereinfachungsregelung für Konsignationslager gilt nur noch für bis zum 30.06.2028 eingelagerte Gegenstände.
01.07.2028
Aktualisierte Plattformregeln für die kurzfristige Vermietung von Unterkünften (maximal 30 Nächte) und die Personenbeförderung (fakultative Anwendung, siehe auch Deloitte Tax-News; obligatorisch ab dem 01.01.2030).
Erweiterter Anwendungsbereich der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft für B2B-Umsätze von nicht ansässigen Unternehmen im EU-Ausland und damit verbundene Berichterstattung sowie erweiterter Anwendungsbereich des OSS-Verfahrens (Installationslieferungen, innergemeinschaftliches Verbringen).
01.07.2030
EU-interne Anforderungen an elektronische Rechnungen und DRR, die grenzüberschreitende B2B-Transaktionen betreffen; Beginn der Harmonisierung der inländischen DRR.
01.01.2035 – letzte Phase des ViDA-Pakets
Vollständige Harmonisierung der inländischen DRR für EU-Mitgliedstaaten, die zum 01.01.2024 über inländische DRR verfügen oder vor diesem Datum die Genehmigung zur Einführung eines solchen Systems erhalten haben.
Zukunft: VAT after ViDA
Die EU-Kommission blickt bereits in die Zukunft und denkt darüber nach, die bestehenden Leitlinien zum elektronischen Handel (Erläuterungen, Leitfaden) und die IT-Anforderungen im Lichte der Regelung zur Single VAT Registration zu aktualisieren. Darüber hinaus ändert die Europäische Normungsorganisation CEN die EU-Norm für die elektronische Rechnungsstellung, EN 16931-1. Eine neue Version der Norm wird bis Juni 2025 erwartet.
Fundstellen
Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 11.03.2025: Annahme des Pakets „Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter“ (engl.)
Pressemitteilung des Rates der EU vom 05.11.2024: Rat erzielt Einigung über Paket „Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter“
