EuGH: Generalanwalt nimmt Stellung zur Umsatzsteuerbarkeit von Verrechnungspreisanpassungen
Nach Auffassung des Generalanwalts beim EuGH stellen Verrechnungspreisanpassungen jedenfalls dann ein umsatzsteuerbares Entgelt für konzerninterne Dienstleistungen dar, sofern solche Leistungen vertraglich vereinbart und erbracht wurden.
EuGH, Arcromet, C-726/23, Schlussanträge vom 03.04.2025
Hintergrund
Das Spannungsfeld zwischen Umsatzsteuer und Verrechnungspreisen stellt Unternehmen regelmäßig vor praktische Herausforderungen, da beide Disziplinen in grenzüberschreitenden Konzernstrukturen gleichermaßen relevant sind, aber völlig unterschiedliche Zielrichtungen verfolgen. Während die Umsatzsteuer als indirekte Steuer an Leistung und Gegenleistung anknüpft, dienen Verrechnungspreise dazu, eine zutreffende Allokation von Gewinnen zu einzelnen Konzerngesellschaften für Zwecke der Ertragsbesteuerung sicherzustellen.
Trotz hoher Relevanz war dieser Themenkomplex in der Vergangenheit kaum Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung. Dies ändert sich aktuell durch eine Reihe von Vorabentscheidungsersuchen beim EuGH. Neben der kürzlich entschiedenen Rechtsache Weatherford Atlas Gip, C-527/23 sind aktuell drei weitere Verfahren zu Fragestellungen an der Schnittstelle zwischen Umsatzsteuer und Verrechnungspreisen anhängig: Rechtsache Stellantis Portugal S.A., C-603/24; Rechtsache Högkullen, C-808/23 (siehe Deloitte Tax-News) sowie Rechtsache Arcromet,-C726/23. Im letztgenannten Fall, der die umsatzsteuerliche Behandlung von Verrechnungspreisanpassungen betrifft, liegen nunmehr die Schlussanträge des Generalanwalts vor.
Die bisherige Basis für die umsatzsteuerliche Diskussion zur Beurteilung von Verrechnungspreisanpassungen stellen die – nicht verbindlichen – auf EU-Ebene erarbeiteten Working Papers des Mehrwertsteuerausschusses (Arbeitspapier Nr. 923) und der VAT-Expert Group (Papier Nr. 071 REV2) dar. Danach gibt es grundsätzlich drei denkbare Lösungsansätze: (1) Behandlung als nicht umsatzsteuerbare Gewinnanpassung, (2) Behandlung als Entgeltanpassung für zuvor ausgeführte Umsätze und (3) Behandlung als Entgelt für eine eigenständige Dienstleistung. Da sich die umsatzsteuerlichen Konsequenzen dieser denkbaren Lösungsansätze jeweils signifikant unterscheiden und somit erhebliche Risikopotenziale bestehen, wären in diesem Gebiet klare Leitlinien durch die Rechtsprechung zu begrüßen.
Sachverhalt
Die Arcomet Romania gehört zum Arcomet-Konzern, der im Bereich Kranvermietung tätig ist. Die belgische Konzernmutter übernimmt die Rolle der Auftraggeberin, entwickelt die strategische Ausrichtung, verwaltet und überwacht die wesentlichen Risiken und tätigt sowohl die Auftragsvergabe als auch die Verhandlungen mit Lieferanten im Namen des rumänischen Unternehmens. Arcomet Romania beschafft Kräne durch Kauf oder Miete und bietet diese anschließend seinen Kunden zur Miete oder zum Kauf an.
Aus Verrechnungspreis-Sicht soll der Gewinn der Arcomet Romania in einer bestimmten Bandbreite von EBIT-Margen liegen (TNMM-Methode). In den Streitjahren lag der Gewinn der Arcomet Romania über der vorgesehenen Spanne. Die Konzernmutter stellte daher Rechnungen über „Ausgleichszahlungen“ aus, die zu einer entsprechenden Anpassung führten. Für die Ausgleichszahlung bestand eine vertragliche Grundlage, in der sich beide Vertragsparteien verpflichteten, eine Reihe von Dienstleistungen zu Gunsten der anderen zu erbringen.
Der EuGH soll im Vorabentscheidungsersuchen die Fragen klären, ob diese Gewinnanpassungen in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen. Mit der zweiten Vorlagelagefrage soll geklärt werden, ob die Finanzbehörden für den Nachweis der unternehmerischen Verwendung von Eingangsleistungen neben den entsprechenden Rechnungen weitere Nachweise angefordert werden dürfen.
Schlussanträge vom 3. April 2025
Der Generalanwalt stellt zunächst fest, dass eine pauschale Antwort auf die Frage, ob Verrechnungspreisanpassungen der Mehrwertsteuer unterliegen, nicht möglich sei. Stattdessen sei jeweils eine Einzelfallprüfung erforderlich, um festzustellen, ob die Voraussetzungen für einen steuerbaren Leistungsaustausch erfüllt sind.
Für den vorgelegten Sachverhalt bejaht der Generalanwalt einen steuerbaren Leistungsaustausch. Seine Begründung stützt sich dabei überwiegend auf die vertragliche Grundlage der Zahlung. In dieser seien konkrete Leistungen vereinbart worden, für die eine nach genauen Kriterien festgelegte Vergütung als Gegenleistung bestimmt wurde. Daher seien die konzerninternen Dienstleistungen der Muttergesellschaft gegen Entgelt an die Tochtergesellschaft erbracht worden und somit umsatzsteuerbar.
Zur zweiten Vorlagefrage vertritt der Generalanwalt die Auffassung, dass die Steuerbehörden berechtigt seien, weitere Unterlagen anzufordern, sofern dies verhältnismäßig und im Einklang mit dem Grundsatz der Mehrwertsteuerneutralität geschieht.
Betroffene Normen
Art. 72 MwStSystRL; Art. 80 MwStSystRL., § 10 Abs. 4 und Abs. 5 UStG
Anmerkung
Das Ergebnis, dass für die umsatzsteuerliche Beurteilung von Verrechnungspreisanpassungen eine Einzelfallprüfung nach den allgemeinen Grundsätzen zum Leistungsaustausch erforderlich ist, entspricht der bereits gelebten Praxis in Betriebsprüfung und Beratung. Das bedeutet jedoch auch, dass die Aussagen in den Schlussanträgen wenig neue Impulse zur Lösung der daraus erwachsenen praktischen Herausforderungen geben.
Die Herleitung des Leistungsaustausches durch den Generalanwalt erfolgt im Vorlagefall anhand des zwischen den Konzerngesellschaften geschlossenen Dienstleistungsvertrages. Selbst bei Vorliegen einer solchen vertraglichen Vereinbarung stellt sich in der Praxis jedoch regelmäßig die Frage, ob die vereinbarten Leistungen auch tatsächlich erbracht wurden. Ist die nicht der Fall, fehlt es trotz Vertrag an einem Leistungstausch. Werden tatsächlich Leistungen erbracht, schließt sich daran unter Umständen direkt die Frage nach der Mindestbemessungsgrundlage an. Da Verrechnungspreisanpassungen das Ziel verfolgen, die Gewinnallokation anzupassen, decken diese nicht notwendigerweise die vorsteuerbehafteten Kosten für die erbrachten Leistungen ab.
Zudem bleibt im Vorlagefall unklar, welche umsatzsteuerlichen Konsequenzen sich bei einer Ausgleichszahlung der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft im Falle einer zu niedrigen Marge der Tochtergesellschaft ergeben hätten. In diesem Fall wäre sowohl eine Umkehr der Leistungsrichtung als auch ein negatives Entgelt für die Leistungen der Muttergesellschaft denkbar. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass sich im sachverhaltsgegenständlichen Vertrag „jede Partei verpflichtet, eine Reihe von Dienstleistungen zugunsten der anderen zu erbringen“. Da jedoch nur eine Partei eine Zahlung an die andere leistet, drängt sich die Frage auf, ob diese Vereinbarung ggf. geeignet ist, einen tauschähnlichen Umsatz mit Baraufgabe zu begründen.
Auch nicht thematisiert wird die Problematik der Aufteilung der (regelmäßig pauschalen) Verrechnungspreisanpassung auf verschiedene Leistungen. Sofern im Gegenzug Leistungen erbracht werden, die unterschiedlich zu behandeln sind (insbesondere steuerfreie oder dem ermäßigten Steuersatz unterliegende Leistungen sowie abweichende Ortsbestimmungsregelungen), ist eine solche Aufteilung obligatorisch. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass Generalanwältin Kokott sich mit ihren Schlussanträgen in der Rechtssache Högkullen, C808/23 gegen eine Behandlung von konzerninternen Verrechnungen als einheitliche Leistung eigener Art und für eine Einzelbetrachtung der einzelnen Leistungen ausgesprochen hat.
Zusammenfassend bleiben auch nach den Schlussanträgen in dieser Rechtssache wesentliche Fragen im Umgang mit Verrechnungspreisanpassungen offen. Ob die Entscheidung des EuGH in dieser Rechtssache weitere Impulse gibt, bleibt abzuwarten.
Fundstelle
EuGH, Arcromet, C-726/23, Schlussanträge vom 03.04.2025
