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01.06.2023
Indirekte Steuern/Zoll

EuGH: Vermietung von Betriebsvorrichtungen im Rahmen einer Immobilienvermietung

​Vorrang der einheitlichen Leistung vor dem Aufteilungsgebot.

Hintergrund

Die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken und Gebäuden ist nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG von der Umsatzsteuer befreit. Das gilt nicht für die Vermietung und Verpachtung von Betriebsvorrichtungen, die nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG ausdrücklich von der Steuerfreiheit ausgenommen sind. Unionsrechtliche Grundlage der deutschen Regelungen ist Art. 135 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL. Abweichend von der MwStSystRL und dem deutschen Gesetzeswortlaut bestimmt die Durchführungsverordnung Nr. 282/2011, was für die Zwecke der Anwendung der MwStSystRL als Grundstück gilt (Art. 13b Buchst. d MwSt-Durchführungsverordnung (DVO)). Danach gelten als Grundstück auch „Ausstattungsgegenstände oder Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder Bauwerk installiert sind, und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder das Bauwerk zu zerstören oder zu verändern.“ Wird ein Gebäude samt spezieller Betriebsvorrichtungen vermietet, stellt sich damit stets die Frage, ob die Vermietungsleistung in einen steuerfreien und steuerpflichtigen Teil aufzuteilen ist oder ob eine einheitliche Leistung vorliegt. Im vorliegenden deutschen Vorabentscheidungsersuchen hatte der EuGH Gelegenheit zur Frage Stellung zu beziehen, ob der Grundsatz der einheitlichen Leistung Vorrang vor der Anwendung des Aufteilungsgebots hat.

Sachverhalt

Der Kläger verpachtete Stallgebäude zur Putenaufzucht mit auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen, die speziell der optimalen Nutzung als Putenaufzuchtstall dienten. Die Verpachtung des Stalls und der Vorrichtungen sowie der Maschinen erfolgte gegen ein einheitliches Entgelt, das vertraglich nicht gesondert aufgeteilt war.

Der Kläger war der Ansicht, dass seine Leistung insgesamt steuerfrei ist. Das Finanzamt vertrat hingegen die Ansicht, dass in Umsetzung des Aufteilungsgebots die einheitliche Pacht zu 20% auf die steuerpflichtige Verpachtung von Betriebsvorrichtungen entfällt. Das niedersächsische FG entschied, dass die Überlassung der Vorrichtungen und Maschinen eine Nebenleistung zur Gebäudeüberlassung als Hauptleistung darstellen und im Ergebnis eine einheitliche steuerfreie Leistung vorlag. Der BFH setzte das Verfahren aus und legte es dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

Entscheidung

Art. 135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c MwStSystRL ist dahin auszulegen, dass er auf die Vermietung auf Dauer eingebauter Vorrichtungen und Maschinen keine Anwendung findet, wenn diese Vermietung eine Nebenleistung zu einer Hauptleistung der Verpachtung eines Gebäudes ist, die im Rahmen eines zwischen denselben Parteien geschlossenen und nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. l dieser Richtlinie steuerbefreiten Pachtvertrags erbracht wird, und diese Leistungen eine wirtschaftlich einheitliche Leistung bilden. 

Anmerkung

Der EuGH stellt klar, dass im Rahmen einer Gesamtbetrachtung darauf abzustellen ist, ob es sich um eine einheitliche Leistung handelt. Liegt eine solche vor, teilt die Nebenleistung das mehrwertsteuerliche Schicksal der Hauptleistung. Ein einheitlich wirtschaftlicher Vorgang darf nicht künstlich in eigenständige Leistung aufgeteilt werden. Das folgt auch nicht aus Art. 135 Abs. 2 MwStSystRL. In der Sache verweist der EuGH an den BFH zurück, damit dieser bestimmt, ob es sich bei der Verpachtung des Zuchtstalls und der in diesem Gebäude auf Dauer eingebauten Anlagen, die speziell an die Zucht angepasst sind, um eine wirtschaftlich einheitliche Leistung handelt. Aus Sicht des EuGH scheint eine einheitliche Leistung nahe zu liegen.

Aus dem Urteil und dem damit einhergehenden Vorrang der einheitlichen Leistung gegenüber dem Aufteilungsgebot folgt, dass sich Art. 135 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL (§ 4 Nr. 12 Satz 2 UStG) nur auf die Fälle beschränkt, in denen die Überlassung der Vorrichtungen und Maschinen eigenständig und damit ohne Zusammenhang mit einer weitergehenden Gebäude- und Grundstücksüberlassung erfolgt. Betroffene Unternehmen sollten daher überprüfen, ob die Überlassung von Betriebsvorrichtungen Nebenleistungen zur steuerfreien Vermietungsleistung als Hauptleistung darstellen. Übertragbar ist das u.a. auch auf Fälle im Bereich der Überlassung von Sportanlagen. Wird bislang an einen anderen Unternehmer eine Sportanlage zur Überlassung an Dritte in eine steuerfreie Grundstücksüberlassung und eine steuerpflichtige Vermietung von Betriebsvorrichtungen aufgeteilt (Abschn. 4.12.11. Abs. 2 UStAE), könnte sich dies künftig ändern, sofern eine einheitliche Leistung vorliegt.

Betroffene Normen

​§ 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG, § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG, Art. 13b Buchst. d MwSt-Durchführungsverordnung, Art. 135 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL

Fundstelle

EuGH, Urteil vom 04.05.2023, C-516/21​ 

Ihre Ansprechpartner

Dr. Ulrich Grünwald
Partner

ugruenwald@deloitte.de
Tel.: +49 30 25468 258

Dr. Diana-C. Kurtz
Senior Manager

dkurtz@deloitte.de
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