EuGH: Zinserstattung im Falle rechtswidrig erhobener Einfuhrabgaben
Mit Urteil vom 28.04.2022 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in drei verbundenen Rechtssachen auf Vorlage des Finanzgerichts Hamburg zur Zinserstattung im Falle rechtswidrig erhobener Einfuhrabgaben Stellung genommen und zu Gunsten der Kläger entschieden.
Hintergrund
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte bereits 2017 mit Urteil C-365/15 entschieden, dass dann, wenn Einfuhrabgaben erstattet werden, weil sie unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhoben wurden, eine unionsrechtliche Pflicht besteht, die entrichteten Beträge ab dem Zeitpunkt ihrer Zahlung zu verzinsen.
Allerdings ließ der EuGH offen, wann konkret ein Verstoß gegen das Unionsrecht vorliegt. In dem vom Finanzgericht Düsseldorf vorgelegten Verfahren ging es um Antidumpingzölle, die erstattet werden mussten, nachdem die zugrundeliegende Verordnung teilweise für nichtig erklärt worden war.
In der Folge wurde immer wieder darüber diskutiert, ob ein unionsrechtlicher Verzinsungsanspruch auch dann besteht, wenn die Behörde Unionsrecht falsch angewendet hat (z.B. durch falsche Auslegung). Diese Frage hat der EuGH nun mit Urteil vom 28.04.2022 in drei verbundenen Rechtssachen (C-415/20, C-419/20 und C-427/20) zu Gunsten der Kläger entschieden.
Entscheidungsgründe
Der Europäische Gerichtshof weist zunächst, wie im Urteil von 2017, darauf hin, dass nach dem allgemeinen Grundsatz der Rückforderung rechtsgrundlos entrichteter Beträge ein unionrechtlicher Anspruch gegen den betreffenden Mitgliedstaat auf Erstattung der Einfuhrabgaben und, um die Nichtverfügbarkeit des Geldes auszugleichen auch ein Anspruch auf eine Zinszahlung besteht.
Im Weiteren führt der EuGH aus, dass ein Verstoß gegen Unionsrecht sich auf jede Regel des Unionsrechts beziehen könne. Der allgemeine Grundsatz auf Anspruch der Erstattung von Einfuhrabgaben und Zinsen sei nicht auf bestimmte Unionsverstöße beschränkt und schließe auch nicht bestimmte Unionsverstöße aus.
Daraus folge, dass diese Ansprüche nicht nur dann geltend gemacht werden können, wenn eine nationale Behörde von einem Beteiligten auf der Grundlage eines Unionsrechtsakts, der sich als rechtswidrig erweist, einen Geldbetrag in Form einer Abgabe erhoben hat, sondern auch in anderen Fallkonstellationen.
Die genannten Ansprüche könnten daher auch dann geltend gemacht werden, wenn von den nationalen Gerichten oder vom EuGH festgestellt wurde, dass die nationale Behörde bei einer unionsrechtlich unzutreffenden Anwendung eines Unionsrechtsakts oder einer nationalen Regelung zur Durchführung oder zur Umsetzung eines Unionsrechtsakts vom Beteiligten eine Abgabe erhoben hat.
Auch für etwaige Beschränkungen durch das nationale Recht (nationale Regelungen, die den Zinsanspruch von der Erhebung einer gerichtlichen Klage abhängig machen und die Zahlung von Zinsen auf die Zeit ab ihrer Rechtshängigkeit beschränken) sah der EuGH keine Rechtfertigung.
Anmerkung
Die Zollverwaltung sperrte sich bisher gegen die Anerkennung eines unionsrechtlichen Zinsanspruchs und wird es vermutlich auch weiterhin tun. Es sollte dennoch in jedem einzelnen Erstattungsfall geprüft werden, ob ein Verstoß der Zollbehörde gegen Unionsrecht vorliegt, der eine Zinspflicht auslöst. Unseres Erachtens sollte dies auch für zurückliegende Fälle geprüft werden, da die Verjährung eines Zinsanspruchs nach hiesiger Auffassung frühestens mit der Verjährung des Erstattungsanspruchs (in der Regel 3 Jahre) eintreten dürfte.
Bei Fragen zu diesem Beitrag oder bei allgemeinem Beratungsbedarf, steht Ihnen unser Global Trade Advisory Team gerne zur Verfügung.
Fundstellen
EuGH, Urteil vom 28.04.2022 in den verbundenen Rechtsachen C-415/20, C-419/20 und C-427/20