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09.12.2011
Indirekte Steuern/Zoll

Europäischer Gerichtshof: Urteil zur Steuerbefreiung von Flugbenzin

Sachverhalt

Geklagt hat ein deutsches Unternehmen, das elektronische Komponenten und Software entwickelt und vertreibt. Das Unternehmen ist Eigentümerin eines Flugzeugs, das der Geschäftsführer sowohl für private Zwecke als auch für Flüge zu anderen Unternehmen und Messen, ferner für Schulungs- und Wartungsflüge nutzt. Das Unternehmen war nicht Inhaberin einer Betriebsgenehmigung nach dem Luftverkehrsgesetz. Das zuständige Hauptzollamt (HZA) lehnte den Antrag auf Vergütung der im Jahr 2004 gezahlten Mineralölsteuer für betrieblich veranlasste Flüge in Deutschland, darin enthaltenen Flüge zu einer Flugzeugwerft und zurück, ab, da das Unternehmen kein Luftfahrtunternehmen sei. Auf die dagegen erhobene Klage entschied das Finanzgericht (FG), dass ein Anspruch auf Vergütung für die betrieblich veranlassten Flüge bestehe, jedoch nicht für die Wartungsflüge. Gegen dieses Urteil legten sowohl das Unternehmen als auch das HZA beim Bundesfinanzhof (BFH) Revision ein. Der BFH setzte das Verfahren aus. Er bat den EuGH um Antwort auf die Frage, ob die Steuerbefreiung ausschließlich im Luftverkehrsgewerbe tätigen Unternehmen zu gewähren sei (unmittelbare Verwendung) oder ob die Steuerbefreiung sich auf alle in der Luftfahrt eingesetzten Kraftstoffe erstreckt, sofern der Einsatz des Flugzeugs erwerbsbezogenen Zwecken dient (mittelbare Verwendung).

Entscheidung

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat zum Umfang der Steuerbefreiung für Flugbenzin (KN 2710 0026) Stellung genommen (Urteil vom 01.12.2011, RechtssacheC-79/10). Danach ist Flugbenzin entsprechend der Festlegungen der sog. Energiesteuerrichtlinie (EnergieStRL - Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27.10.2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftsrechtlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom, AB. L 283, S. 51) nur dann steuerfrei, wenn es sich um Luftfahrttätigkeiten handelt, die unmittelbar der Erbringung einer entgeltlichen Luftfahrt-Dienstleistung dienen. 

Die EnergieStRL sieht eine Steuerbefreiung vor für „Lieferungen von Energieerzeugnissen zur Verwendung als Kraftstoff für die Luftfahrt mit Ausnahme der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt“. Diesen Begriff definiert sie negativ dahingehend, dass „das Luftfahrzeug ... für andere als kommerzielle Zwecke und insbesondere nicht für die entgeltliche Erbringung von Dienstleistungen oder für behördliche Zwecke genutzt wird“ (Art. 14 Abs. 1 Buchst. b) EnergieStRL). 

Der EuGH folgert aus der genannten Bestimmung, dass der Kraftstoff nur dann steuerfrei ist, wenn er für ein Luftfahrzeug verwendet wird, das unmittelbar der entgeltlichen Erbringung von Luftfahrt-Dienstleistungen dient. Der Begriff „Luftfahrt“ verlange, dass die entgeltliche Dienstleistung unmittelbar mit dem Flug des Luftfahrzeugs zusammenhänge. Dies folgert das Gericht aus der Historie der Richtlinienbestimmung und den Zielen der EnergieStRL. Vor allem sei die Wettbewerbsfähigkeit zwischen Luftfahrtgesellschaften in der EU und außerhalb der EU zu wahren. Würde das von EU-Luftfahrtgesellschaften für innergemeinschaftliche und internationale Flüge verwendete Flugbenzin besteuert, verringerte dies die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Luftfahrtgesellschaften gegenüber den Mitbewerbern aus Drittstaaten. Da die Luftfahrttätigkeiten der Klägerin jedoch nicht unmittelbar der Erbringung einer entgeltlichen Luftfahrt-Dienstleistung dienten, sondern die Mitarbeiter mit dem unternehmenseigenen Jet lediglich zu Kunden oder Messen befördert wurden, liege keine Verwendung eines Luftfahrzeugs für solche kommerziellen Zwecke vor. Nichts anderes ergebe sich aus den verschiedenen Sprachfassungen der Richtlinie oder der EuGH-Rechtsprechung zur Energiesteuerbefreiung für die Schifffahrt. Auch für diese Steuerbefreiung komme es nicht auf den Zweck der Fahrt an, sondern darauf, ob die Schifffahrt eine entgeltliche Dienstleistung umfasse. 

Auch die Frage, ob Flüge zu einer Flugzeugwerft und zurück steuerfrei sein könnten, hat der EuGH verneint. Denkbar sei eine Befreiung insoweit nur „für ... Kraftstoffe, die bei der Fertigung, Entwicklung, Erprobung und Wartung von Luftfahrzeugen ... verwendet würden“ (Art. 15 Abs. 1 Buchst. j) EnergieStRL). Die Steuerbefreiung könne nach dem Wortlaut nur Unternehmen zustehen, die die entsprechenden Tätigkeiten (Fertigung, Entwicklung etc.) ausführen würden. Nach der Systematik sei zudem nur eine Befreiung von am Boden eingesetztem Kraftstoff denkbar. 

Die Entscheidung des EuGH hat endlich Klarheit für die Frage der Steuerbefreiung von Flugbenzin gebracht. Steht, wie im Fall der Klägerin, die Luftfahrt-Tätigkeit lediglich in mittelbarem Zusammenhang mit der Tätigkeit des Unternehmens (hier: Entwicklung und Vertrieb von elektronischen Komponenten und Software), ist insofern keine Steuerbefreiung möglich. Sofern hingegen die Tätigkeit des Unternehmens als solche Luftfahrt-Tätigkeit ist oder unmittelbar damit zusammen hängt, ist eine Befreiung möglich. Möglicherweise kann in entsprechenden Fällen über Gestaltungen nachgedacht werden, etwa die Ausgliederung des Flugbetriebs in eine eigenständige Gesellschaft. 

Hinzuweisen ist auch auf die jüngste Änderung der Energiesteuer-Durchführungsverordnung zur Luftfahrt durch die Verordnung zur Änderung der Energiesteuer- und der Stromsteuer-Durchführungsverordnung vom 20.09.2011 (Bundesgesetzblatt I Nr. 49, S. 1890 ff.). Danach gilt im Ergebnis nun auch die gewerbsmäßige Beförderung von Personen oder Sachen in einem Luftsportgerät als gewerbliche Luftfahrt (§ 60 Abs. 4 Nr. 1 Energiesteuer-Durchführungsverordnung). Luftsportgeräte sind Luftfahrtgeräte, deren Hauptverwendungszweck die Ausübung eines Sports ist, z. B. Ultraleichtflugzeuge. Die Zulassung als Luftfahrtunternehmen ist also nicht mehr zwingend vom Verordnungsgeber vorgeschrieben.

Ansprechpartner

Dr. Fabienne Boulanger | Hamburg
Dr. Julia Kurzrock | Frankfurt

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