FG Baden-Württemberg: Steuerschuld aus zu hohem Steuerausweis in einer nicht ausreichend berichtigten Schlussrechnung bei Organschaft
Ist eine Umsatzsteuer, die auf § 14c UStG beruht, dann nicht entstanden, wenn der Rechnungsempfänger keinesfalls eine Vorsteuer (mehr) geltend machen konnte, ein Umsatzsteuerausfall also nicht drohte?
Hintergrund
Ein Unternehmer schuldet nach § 14c Abs. 1 UStG die in einer Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer, unabhängig davon, ob der Empfänger den Vorsteuerabzug tatsächlich geltend gemacht hat. Diese Regelung basiert auf Art. 203 der MwStSystRL, wonach jede Person, die die Mehrwertsteuer in einer Rechnung ausweist, diese auch schuldet. Der Zweck dieser Regelung ist es, einer Gefährdung des Steueraufkommens durch das Recht auf Vorsteuerabzug entgegenzuwirken. Für die Anwendung des § 14c UStG reicht es deshalb aus, dass das Dokument als Abrechnung die Gefahr begründet, vom Empfänger oder einem Dritten zur Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs gebraucht zu werden (siehe auch Deloitte Tax-News).
Die Frage, ob eine Gefährdung des Steueraufkommens auch dann angenommen werden kann, wenn der Rechnungsempfänger keine Vorsteuer aus der unrichtigen Rechnung geltend gemacht hat und auch nicht mehr geltend machen kann, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt. Im vorliegenden Urteil hat sich das Finanzgericht Baden-Württemberg mit dieser Rechtsfrage befasst.
Sachverhalt
Der Kläger betreibt ein Einzelunternehmen und ist zudem Gesellschafter und Geschäftsführer der B GmbH und der C GmbH. Diese bilden eine umsatzsteuerliche Organschaft. Die B GmbH erteilte der D AG Abschlagsrechnungen mit Ausweis von Umsatzsteuer, aus denen die D AG den Vorsteuerabzug geltend machte. Im Jahr 2010 stellte die B GmbH eine Schlussrechnung an die D AG aus, in der die Umsatzsteuer auf die Abschlagszahlungen nicht abgesetzt wurde. Der in der Schlussrechnung ausgewiesene Steuerbetrag wurde von der D AG jedoch nicht zusätzlich als Vorsteuer geltend gemacht, sondern lediglich die Summe der Umsatzsteuern aus den Anzahlungsrechnungen und der Schlussrechnung.
Im Rahmen einer Außenprüfung beim Kläger, einschließlich der beiden Organgesellschaften, setzte das Finanzamt eine Steuerschuld wegen unrichtigen Steuerausweises fest. Die Einsprüche gegen die ergangenen Bescheide wurden als unbegründet zurückgewiesen. Daraufhin wurde Klage beim FG Baden-Württemberg erhoben.
Entscheidung
Das FG hat die Klage abgewiesen und entschieden, dass der Kläger die im Streitjahr 2010 in der Schlussrechnung an die D AG offen ausgewiesene Umsatzsteuer schuldet. Ob der Rechnungsempfänger einer Rechnung mit unrichtigem Steuerausweis den Vorsteuerabzug aus der Rechnung vorgenommen hat, spielt im Hinblick auf die Gefährdung des Steueranspruchs, der § 14c UStG begegnen will, grundsätzlich keine Rolle.
Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen und ist beim Bundesfinanzhof anhängig (BFH: XI R 25/23).
Entscheidungsgründe
In der Schlussrechnung wurden - entgegen § 14 Abs. 5 Satz 2 UStG - die Steuerbeträge auf die vor Ausführung der Leistung vereinnahmten Teilentgelte nicht abgesetzt, so dass insoweit eine Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG entsteht. Wird eine Rechnung mit unrichtigem Steuerausweis einem anderen Unternehmer erteilt, besteht stets die Gefahr der Nutzung zum Vorsteuerabzug und damit stets die Gefährdung des Steueraufkommens. Das gilt unabhängig davon, ob der Vorsteuerabzug geltend gemacht wurde oder nicht mehr geltend gemacht werden kann.
Eine Rechnungsberichtigung im Sinne des § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG wirkt nicht auf den Zeitpunkt der Rechnungserteilung zurück. Darüber hinaus haben weder der Kläger noch die B GmbH die Rechnung im Streitzeitraum berichtigt. Damit bleibt die Steuerschuld bestehen.
Betroffene Normen
§ 14c UStG
Anmerkung
Mit Urteil vom 8.12.2022 hatte der EuGH entschieden (C-378/21, Finanzamt Österreich), dass keine Steuerschuld aufgrund unrichtigen Steuerausweises entsteht, wenn keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt (siehe Deloitte Tax-News). Die Besonderheit dieses Falles bestand darin, dass aufgrund des vom vorlegenden Gericht festgestellten Sachverhalts feststand, dass es sich bei den Kunden ausschließlich um nicht-vorsteuerabzugsberichtigte Endverbraucher handelte. Im Rahmen seiner Entscheidungsbegründung musste der EuGH damals nicht weiter ausführen, wann bzw. in welchen Fällen die Gefährdung des Steueraufkommens von vornherein ausgeschlossen und in welchen Fällen die Steuerschuld durch Berichtigung der Rechnung beseitigt werden kann. Für die Steuerpflichtigen ist die Beantwortung dieser Fragen, auch im Hinblick auf eine mögliche Verzinsung, allerdings nicht ganz unerheblich. Ob der BFH das im Rahmen des vorliegenden Verfahrens jedoch klären oder das Verfahren zur weiteren Tatsachenermittlung zurückverweisen wird, da nach dem klägerischen Vortrag die streitige Rechnung zunächst einem zwischengeschalteten Ingenieurbüro zur Prüfung übermittelt wurde und es letztlich unklar bleibt, wie der Empfänger in den Besitz der Rechnung gelangt ist, oder die Klage womöglich als unbegründet zurückweisen wird, aufgrund der eindeutigen Anwendung des gesetzlichen Wortlauts in § 14c UStG, darf mit Spannung verfolgt werden. Allein der Umstand, dass vorliegend de facto keine Vorsteuern durch den Leistungsempfänger geltend gemacht wurden, kann jedenfalls für die rechtliche Beurteilung der Gefährdung des Steueraufkommens nicht ausschlaggebend sein. Wollte man die Gefährdung des Steueraufkommens bezweifeln, so müsste man wohl an § 14 Abs. 5 Satz 2 UStG anknüpfen, der unionsrechtlich kein Pendant hat.
Fundstelle
Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 02.02.2023, 1 K 147/20, Revision anhängig (BFH: XI R 25/23)
