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28.01.2016
Indirekte Steuern/Zoll

BFH: Organschaft mit Tochterpersonengesellschaft

Entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung lässt der BFH nunmehr eine Organschaft auch mit Tochterpersonengesellschaften zu. Voraussetzung ist, dass Gesellschafter der Personengesellschaft nur der Organträger und andere vom Organträger finanziell beherrschte Gesellschaften sind.
BFH, Urteil vom 02.12.2015, V R 25/13, siehe Deloitte Tax-News
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FG München (Vorinstanz)
Die umsatzsteuerrechtlichen Vorschriften für Organgesellschaften können bei unionsrechtskonformer Auslegung dahingehend ausgelegt werden, dass zumindest Personengesellschaften in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG Organgesellschaften sein können. Dabei ist der für das Umsatzsteuerrecht maßgebliche Grundsatz der Rechtsformneutralität zu beachten.
Kapitalistisch strukturierte Personengesellschaften könnten somit als Organgesellschaften in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein. Leistungsbeziehungen innerhalb des Organkreises sind als nicht steuerbare Innenumsätze zu behandeln.

Sachverhalt

Im dem vom FG München entschiedenen Urteilsfall war eine AG (Klägerin) Organträgerin in einem umsatzsteuerlichen Organkreis.

Zwei der in das Unternehmen der Klägerin eingegliederten Organgesellschaften in der Rechtsform einer GmbH wurden im Rahmen von Umstrukturierungsmaßnahmen in Personenhandelsgesellschaften in der Rechtsform von einer GmbH & Co. KG (im Folgenden Personengesellschaften genannt) umgewandelt.

Bei einer späteren Betriebsprüfung wurde seitens der Finanzverwaltung vertreten, dass aufgrund der im Rahmen der Umstrukturierung erfolgten Umwandlung der Organgesellschaften in Personenhandelsgesellschaften keine Eingliederung in den umsatzsteuerlichen Organkreis der Klägerin mehr vorliegen könne. Die Personengesellschaften würden nicht die für Organgesellschaften geltenden gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen.

Aufgrund der von der Betriebsprüfung vertretenen Auffassung hat das zuständige Finanzamt sämtliche sowohl von der Klägerin als auch von anderen Organgesellschaften des Organkreises an die beiden Personengesellschaften erbrachten entgeltlichen Leistungen als steuerbare und steuerpflichtige Außenumsätze erfasst und setzte Umsatzsteuer in entsprechender Höhe fest.

Hiergegen wendete sich die vorliegende Klage.

Entscheidung

Nach Auffassung des FG München unterliegen die sowohl von der Klägerin als auch von anderen Organgesellschaften an die Personengesellschaften erbrachten entgeltlichen Leistungen als sog. nicht steuerbare Innenumsätze nicht der Umsatzsteuer. Die beiden Personengesellschaften seien als Organgesellschaften der Klägerin zu behandeln.

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

Diese Eingliederungsvoraussetzungen (finanzielle, wirtschaftliche sowie organisatorische Eingliederung) dienen der Feststellung, ob das für eine Organschaft erforderliche Über- und Unterordnungsverhältnis vorliegt und ob die Personen, die zwar rechtlich unabhängig sind, zusammen als ein Steuerpflichtiger zu behandeln sind.

Das FG München ging im entschiedenen Urteilsfall davon aus, dass die für eine umsatzsteuerliche Organschaft erforderlichen Eingliederungsvoraussetzungen der Personengesellschaften in das Unternehmen der Klägerin in organisatorischer, wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht vorlägen. Der Eingliederung der Personengesellschaften in das Unternehmen der Klägerin stehe nicht entgegen, dass diese Unternehmen keine juristischen Personen seien.
Die für das Vorliegen einer Organschaft erforderliche Beherrschung der Organgesellschaft durch den Organträger sei jedenfalls bei der im Streitfall vorliegenden, vom gesetzlichen Leitbild der Personengesellschaft abweichenden, kapitalistisch strukturierten GmbH & Co. KG gegeben. Diese könne wie eine juristische Person - anders als eine natürliche Person oder eine lediglich aus natürlichen Personen bestehende Personengesellschaft – unselbständig dem Willen eines anderen Rechtsträgers (nämlich des Organträgers) unterworfen sein, da bei ihr lediglich eine GmbH und damit eine juristische Person als Komplementärin die Geschäfte führe.
Zwar beschränke § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG seinem eindeutigen Wortlaut nach die Anwendbarkeit der organschaftlichen Zurechnung (mit der Folge auch der mangelnden Steuerbarkeit der Innenleistungen) auf juristische Personen als Organgesellschaften. Jedoch sei die Vorschrift unionsrechtskonform dahingehend zu erweitern, dass zumindest auch Personengesellschaften in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG in das Unternehmen eines Organträgers eingegliedert sein können.

Die Revision gegen dieses Urteil wurde zugelassen und ist beim BFH unter dem Aktenzeichen V R 25/13 anhängig, da die Sache von grundsätzlicher Bedeutung ist.

Anmerkungen  
Auf die Vorlage des BFH vom 11.12.2013 hin legt der EuGH mit Urteil vom 16.07.2015 Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie dahingehend aus, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die in dieser Bestimmung vorgesehene Möglichkeit, eine Mehrwertsteuergruppe zu bilden, allein den Einheiten vorbehält, die juristische Personen sind und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein Unterordnungsverhältnis verbunden sind. Dies soll nicht gelten, wenn diese beiden Anforderungen Maßnahmen darstellen, die für die Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder umgehung erforderlich und geeignet sind. Mit Urteil vom 02.12.2015 hat nun auch der BFH entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass neben einer juristischen Person auch eine Personengesellschaft in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein kann.

Somit besteht nun die Möglichkeit Personengesellschaften in einen Organkreis mit einzubeziehen und damit die finanzielle Belastung aufgrund von auf Leistungen zwischen den Gesellschaften erhobene Umsatzsteuer zu vermeiden. Dies dürfte vor allem für Unternehmen relevant sein, die steuerfreie Leistungen erbringen und so keine Möglichkeit besitzen, die ihnen in Rechnung gestellte Vorsteuer in Abzug zu bringen.

Betroffene Normen
§ 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG
Streitjahr 2001

Fundstelle  
BFH, Urteil vom 02.12.2015, V R 25/13, siehe Deloitte Tax-News
EuGH, Urteil vom 16.07.2015, C 108/14 und C 109/14, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Beschluss vom 11.12.2013, XI R 17/11
Finanzgericht München, Urteil vom 13.03.2013, 3 K 235/10, DStR 2013, S. 1471, BFH-anhängig: V R 25/13

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