FG Münster: Kein Anspruch des Leistungsempfängers gegen das Finanzamt auf Erstattung zu Unrecht in Rechnung gestellter Umsatzsteuer
Mit Urteil vom 30.06.2015 hat der BFH das Urteil des FG Münster bestätigt.
BFH, Urteil vom 30.06.2015, VII R 42/14
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FG Münster (Vorinstanz):
Ein Leistungsempfänger kann die ihm vom leistenden Unternehmer zu Unrecht in Rechnung gestellte und an diesen gezahlte Umsatzsteuer auch dann nicht vom Finanzamt erstattet verlangen, wenn der Rechnungsaussteller zur Rückerstattung nicht bereit oder in der Lage ist.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, nahm aus Eingangsrechnungen verschiedener Kapitalgesellschaften einen Vorsteuerabzug in Anspruch. Aufgrund einer Steuerfahndungsprüfung versagte ihr das Finanzamt diesen Anspruch, weil die Rechnungen eine unzutreffende Leistungsbezeichnung enthielten. Nachdem entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide ergangen waren, zahlte die Klägerin die zu Unrecht in Anspruch genommenen Vorsteuerbeträge an das Finanzamt zurück. Etwa zwei Jahre später begehrte die Klägerin die Erstattung eines Teils der zurückgezahlten Vorsteuern vom Finanzamt, weil ihr insoweit eine Inanspruchnahme der Rechnungsaussteller nicht möglich sei.
Hierzu berief sie sich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, nach der einem gutgläubigen Leistungsempfänger ein unmittelbarer Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt zustehe, wenn der Leistende zahlungsunfähig oder -unwillig sei. Das Finanzamt lehnte dies mit der Begründung ab, dass die Klägerin keinen Anspruch habe, da die geänderten Umsatzsteuerbescheide einen Rechtsgrund für die Rückzahlung der Vorsteuerbeträge darstellten. Überdies habe sie ihre Gutgläubigkeit nicht nachgewiesen.
Entscheidung
Das FG hat die Ablehnung des Finanzamts als Abrechnungsbescheid ausgelegt und die Klage abgewiesen. Für einen Erstattungsanspruch der Klägerin gegen das Finanzamt fehle es an einer Rechtsgrundlage. Einen Anspruch auf Erstattung überzahlter Umsatzsteuer hätten allein die Rechnungsaussteller, die ihre Rechnungen berichtigt haben. Dem stehe der europarechtliche Grundsatz der Neutralität und Effektivität der Mehrwertsteuer nicht entgegen. Dieser werde grundsätzlich auch dann beachtet, wenn der Leistungsempfänger im Hinblick auf die Erstattung zu Unrecht gezahlter Vorsteuerbeträge auf den Zivilrechtsweg verwiesen werde.
Anmerkung
Nach der Rechtsprechung des EuGH (C-35/05 - Reemtsma Cigarettenfabriken GmbH) könne sich der Rechnungsempfänger zwar ausnahmsweise unmittelbar an die Steuerbehörde wenden, wenn die Erstattung unmöglich oder übermäßig erschwert sei. Da diese Rechtsprechung zu einem grenzüberschreitenden Sachverhalt im Vorsteuervergütungsverfahren ergangen sei, sei sie jedoch auf einen reinen Inlandssachverhalt nicht übertragbar, betont das FG. Anderenfalls würde der Leistungsempfänger im Insolvenzfall gegenüber anderen Gläubigern des Rechnungsausstellers bevorzugt werden.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 30.06.2015, VII R 42/14
FG Münster, Urteil vom 03.09.2014, 6 K 939/11 AO
Weitere Fundstelle
EuGH, Urteil vom 15.03.2007, C-35/05