Mehrwertsteuerpaket: Weitere Gesetzesänderungen
Das „Mehrwertsteuerpaket“ hält ab 01.01.2010 nun endgültig Einzug in die Unternehmen. Da es der Gesetzgeber wieder einmal nicht geschafft hat, einfach nur die Richtlinien der EU-Kommission abzuschreiben, sind noch vor Inkrafttreten der Neuregelungen schon wieder Gesetzeskorrekturen notwendig.
Am 16.12.2009 hat das Kabinett das „Gesetz zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften“ (EU-Umsetzungsgesetz) auf den Weg gebracht und einen Regierungsentwurf beschlossen. Das Gesetzgebungsverfahren soll Anfang 2010 beginnen und in der ersten Jahreshälfte 2010 abgeschlossen sein. Diese umsatzsteuerlichen Gesetzeskorrekturen sollen ab 01.07.2010 gelten. Unternehmen sehen sich daher – insbesondere was die Regelungen zur Steuerentstehung bzw. zum Reporting in Umsatzsteuervoranmeldung und Zusammenfassender Meldung betrifft – mit einer „Übergangsphase“ vom 01.01.2010 bis 31.06.2010 konfrontiert.
Kurz und prägnant haben wir nachfolgend alle wesentlichen Neuänderungen ab dem 01.01.2010 sowie die umsatzsteuerlich relevanten Änderungen im Rahmen des EU-Umsetzungsgesetzes ab dem 01.07.2010 kompakt zusammengefasst.
B2B-Leistungsort
Dienstleistungen im B2B-Verhältnis werden zukünftig am Sitzort des Leistungsempfängers besteuert oder am Betriebsstättenort, wenn die Leistung an die Betriebsstätte des Leistungsempfängers ausgeführt wurde (sog. „B2B-Grundregel“ i.S.d. § 3a Abs. 2 UStG).
Ausnahmen (im B2B-Dienstleistungsverkehr) mit abweichendem Leistungsort:
- Grundstücksleistungen (§ 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG)
- Bewirtungsleistungen (§ 3a Abs. 3 Nr. 3b UStG)
- Veranstaltungsleistungen (§ 3a Abs. 3 Nr. 3a UStG)
- Kurzfristige Vermietung von Beförderungsmitteln (§ 3a Abs. 3 Nr. 2 UStG)
- Personenbeförderungen (§ 3b Abs. 1 S. 1 UStG)
Für die nachfolgenden Ausführungen sind insbesondere die B2B-Grundregeldienstleistungen, die steuerpflichtig sind und an andere EU-Unternehmer erbracht werden („EUB2B- Grundregeldienstleistungen“), von Bedeutung.
Steuerschuldumkehr („Reverse-Charge-Verfahren“)
Grundsätzlich gilt ab 01.01.2010 eine verpflichtende EU-weite Anwendung der Steuerschuldumkehr für sonstige Leistungen nach der B2B-Grundregel unabhängig davon, ob der Leistende ein EU-Unternehmer oder Drittlandsunternehmer ist.
EU-Mitgliedsstaaten können – über die Reverse-Charge-Pflicht im Rahmen der B2B-Grundregel hinaus – auch für andere Dienstleistungen einen (erweiterten) Anwendungsbereich für das Reverse-Charge-Verfahren vorsehen. Während Deutschland und andere Länder die Steuerschuldumkehr auch für Grundstücksdienstleistungen anwenden, ist dies beispielsweise in Luxemburg nicht der Fall, d.h., der leistende Unternehmer muss sich registrieren lassen.
Im Rahmen des § 13b UStG ist die Definition des im Ausland ansässigen Unternehmers für Zwecke der Steuerschuldumkehr (§ 13b Abs. 4 UStG) neu definiert worden (Wegfall des Attraktionsprinzips der Betriebsstätte). Hat der leistende Unternehmer im Inland eine Betriebsstätte und führt er einen Umsatz nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 5 UStG aus, gilt er hinsichtlich dieses Umsatzes als im Ausland ansässig, wenn der Umsatz nicht von der Betriebsstätte ausgeführt wird.
Steuerentstehungszeitpunkt
Nach geltender Gesetzeslage entsteht die Umsatzsteuer im Rahmen des § 13b Abs. 1 UStG mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Rechnung ausgestellt wird (spätestens mit Ablauf des Folgemonats der Leistungsausführung).
Geplante Änderungen ab 01.07.2010
Der Regierungsentwurf des EU-Umsetzungsgesetzes sieht ab 01.07.2010 folgende Änderungen des § 13b UStG vor:
- Für im Inland steuerpflichtige sonstige Leistungen nach § 3a Abs. 2 UStG eines in einem anderen EU-Mitgliedsstaat ansässigen Unternehmers (EU-B2B-Grundregeldienstleistungen) entsteht die Steuer mit Ablauf des Voranmeldezeitraums, in dem die Leistung ausgeführt worden ist (bei den restlichen Leistungen verbleibt es beim bisherigen Steuerentstehungszeitpunkt!).
- Bei sonstigen Leistungen nach § 3a Abs. 2 UStG, Werklieferungen sowie sonstigen Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers, die dauerhaft über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erbracht werden (Dauerleistungen), entsteht die Steuer spätestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen tatsächlich erbracht werden.
Rechnung
§ 14a UStG wurde im Hinblick auf EU-B2B-Grundregeldienstleistungen insoweit ergänzt, als der leistende Unternehmer zur Ausstellung einer Rechnung verpflichtet wird, in der
- die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Unternehmers und
- die des Leistungsempfängers anzugeben sind.
Voranmeldungsformular
Das neue Umsatzsteuer-Voranmeldungsformular 2010 nebst Ausfüllanleitung wurde vom BMF „rechtzeitig“ vor dem Jahreswechsel veröffentlicht.
Umatzsteuer-Voranmeldung 2010 Seite 1 - Ausgangsumsätze
- In Zeile 41 sind gemäß dem derzeitigen Wortlaut des § 18b Satz 1 Nr. 2 UStG ab 2010 alle (nicht nur die EU-B2B-Grundregeldienstleistungen) nicht steuerbaren sonstigen Leistungen an EU-Unternehmer, für die dieser die Steuer im Reverse-Charge-Verfahren schuldet, zu melden. Richtigerweise gemeint sind jedoch die EU-B2B-Grundregeldienstleistungen, was entsprechend in der Ausfüllanleitung des BMF klargestellt wird, sodass
nur diese in Zeile 41 einzutragen sind.
Geplante Änderungen ab 01.07.2010
Im EU-Umsetzungsgesetz wird diese gesetzliche Panne repariert und gleichzeitig als Meldezeitpunkt der Zeitpunkt der Leistungsausführung bestimmt (analog zur Steuerentstehung im Rahmen des ab dem 01.07.2010 geltenden § 13b Abs. 1 UStG).
- In Zeile 42 sind alle anderen nicht steuerbaren Umsätze (Leistungsort nicht im Inland) zu melden, d.h. unter anderem B2B-Grundregeldienstleistungen (§ 3a Abs. 2 UStG) an Drittlandsunternehmer sowie sonstige Leistungen an andere EU-Unternehmer, die nicht der B2B-Grundregel unterliegen, für die aber nach dem jeweils geltenden ausländischen Recht auch das Reverse-Charge-Verfahren gilt (z.B. grundstücksbezogene Leistungen an belgische Unternehmerkunden).
- Wichtig: Erhaltene Anzahlungen sind weder in Zeile 41 noch in Zeile 42 zu melden!
Umsatzsteuer-Voranmeldung 2010 Seite 2 – Eingangsumsätze
- In Zeile 48 sind gemäß dem Wortlaut des Formulars zukünftig alle im Inland steuerpflichtigen sonstigen Leistungen eines EU-Unternehmers zu melden, für die der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b Abs. 2 UStG schuldet (nicht nur die EU-B2B-Grundregeldienstleistungen). Der Wortlaut im Voranmeldungsformular ist wiederum missverständlich bzw. zu weit. Gemeint sind auch hier – so auch die Ausfüllanleitung des BMF – nur die EU-B2B-Grundregeldienstleistungen.
- In Zeile 49 sind Werklieferungen und die nicht in Zeile 48 einzutragenden sonstigen Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers zu melden (z.B. Beratungsleistungen eines Schweizer Rechtsanwalts oder Leistungen eines österreichischen Architekten in Zusammenhang mit einem deutschen Grundstück).
- Wichtig: Auch getätigte Anzahlungen sind in Zeile 48 und 49 schon zu melden!
Zusammenfassende Meldung (ZM)
- In der ZM sind gemäß dem derzeitigen Wortlaut des § 18a Abs. 1 Satz 2 UStG ab 2010 alle (nicht nur die EU-B2B-Grundregeldienstleistungen) nicht steuerbaren sonstigen Leistungen an EU-Unternehmer, für die diese die Steuer im Reverse-Charge- Verfahren schulden, zu melden. Gewollt war/ist, dass in der ZM nur die EU-Dienstleistungen gemeldet werden, die unter das „zwingende“ Reverse-Charge-Verfahren fallen, d.h. nur die EU-B2B-Grundregeldienstleistungen. So sieht es auch die ZM-Ausfüllanleitung vor.
- Grenzüberschreitende Dienstleistungen sind aktuell grundsätzlich (§ 18a Abs. 5 UStG) in dem Zeitraum in der ZM zu melden, in dem die Rechnung ausgestellt wurde.
Geplante Änderungen ab 01.07.2010 im EU-Umsetzungsgesetz
- Die Angaben zu den sonstigen Leistungen gem. § 3a Abs. 2 UStG, für die die Leistungsempfänger in dem Mitgliedstaat, in dem sie ansässig sind, die Steuer schulden, sind nun für den Zeitraum in der ZM zu melden, in dem diese Leistung tatsächlich ausgeführt worden ist und nicht wie bisher in dem Zeitraum, in dem die Rechnung ausgestellt wurde bzw. im Folgemonat nach Leistungsausführung.
- Zu beachten ist, dass die ZM ab dem 01.07.2010 spätestens bis zum 25. Tag nach Ablauf des Kalendervierteljahres einzureichen ist.
- Für die EU-B2B-Grundregeldienstleistungen bleibt es grundsätzlich bei der quartalsweisen ZM-Meldung.
- Allerdings ist hinsichtlich der innergemeinschaftlichen Lieferungen für die ZM ab dem 01.07.2010 eine monatliche Abgabe verpflichtend, soweit die Lieferungen pro Kalendervierteljahr EUR 100.000 übersteigen (ab dem 01.01.2012 EUR 50.000).
- Vor diesem Hintergrund besteht ein Wahlrecht für die Meldung der EU-B2B-Grundregeldienstleistungen, diese nicht vierteljährlich zu melden, sondern monatlich mit den Lieferungen. Hierüber ist das Bundeszentralamt für Steuern zu informieren.
- Die Berichtigung einer fehlerhaften oder unvollständigen ZM ist innerhalb eines Monats vorzunehmen (statt bisher innerhalb von drei Monaten).
- Wichtig: Erhaltene Anzahlungen sind nicht in der ZM zu melden!
Ordnungswidrigkeitenrecht
Die vorsätzliche oder leichtfertige
- Nichtabgabe,
- Falschabgabe,
- unvollständige Abgabe,
- nicht rechtzeitige Abgabe,
- Nicht-/Nicht rechtzeitige Berichtigung
einer ZM stellt zukünftig eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße von bis zu EUR 5.000 geahndet werden kann (§ 26a UStG).
Weitere Beiträge zum Gesetz
Bundesrat stimmt Gesetz zur Umsetzung von europarechtlichen Vorgaben zu
Bundestag verabschiedet Gesetz zur Umsetzung von europarechtlichen Vorgaben
Umsetzung europarechtlicher Vorgaben: Finanzausschuss Bundestag hörte Experten zum Gesetzentwurf an