BFH: Keine Erstattung von Branntweinsteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen
Der BFH hat der Erstattung von Branntweinsteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen in einem Einzelfall eine Absage erteilt. Den Argumenten stehen jedoch Bedenken entgegen. Unternehmen sollten in ähnlichen Fällen ihre Erlaubnisse sorgfältig prüfen.
Sachverhalt
Die Klägerin verwendete im Rahmen einer allgemeinen Verwendungserlaubnis nach § 44 S. 1 Nr. 1a Branntweinsteuerverordnung (BrStV, heute § 57 AlkStV) mit Methylethylketon (MEK) vergällten Branntwein zu Untersuchungs- und Reinigungszwecken. Sie hatte den vergällten Branntwein aber auch an die Firmen A und B auf dem eigenen Betriebsgelände zur Verwendung für steuerfreie Zwecke abgegeben, wozu der Branntwein dann auch zweckgemäß verwendet wurde. Für die Gestattung der Abgabe wäre ein Antrag der Klägerin nach § 49 Abs. 1 BrStV (heute § 62 AlkStV) beim zuständigen Hauptzollamt notwendig gewesen. Da die Klägerin jedoch keinen Antrag gestellt hatte, setzte das HZA die Branntweinsteuer fest und lehnte einen gestellten Billigkeitsantrag (§ 227 AO) ab. Die Einsprüche gegen die Festsetzung der Steuer und die Ablehnung des Billigkeitsantrags blieben erfolglos.
Entscheidung
Der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass die Branntweinsteuer, die nach § 153 Abs. 3 BranntwMonG (heute § 28 AlkStG) deshalb entstanden ist, weil der Inhaber einer allgemeinen Verwendungserlaubnis vergällten Branntwein an andere Erlaubnisinhaber abgegeben hat, nicht aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erstatten ist. Die allgemeine Verwendungserlaubnis nach § 44 BrStV umfasse nicht die Abgabe an Dritte, und die unerlaubte Abgabe stelle nicht lediglich einen Verstoß gegen Formvorschriften dar. Da keine sachliche Unbilligkeit der Branntweinsteuerentstehung vorliege, sei diese nicht nach § 227 AO zu erstatten.
Die sachliche Unbilligkeit der Steuerfestsetzung ist gegeben, wenn sie zwar äußerlich dem Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Fall derart zuwiderläuft, dass die Steuererhebung unbillig erscheint. Die begehrte Erstattung der Branntweinsteuer nach § 227 AO scheidet nach dem BFH schon deshalb aus, weil diese Vorschrift atypische Einzelfälle erfassen soll, nicht aber Fälle der Steuerentstehung, die der gesetzliche Tatbestand typischerweise mit sich bringt. Durch die Abgabe an Dritte handele es sich hier um eine Verwendung außerhalb der begünstigten Zwecke, was zu einer Steuerentstehung nach § 153 Ab. 3 S. 1 BranntwMonG führe.
Weiterhin handele es sich nach dem BFH im Streitfall auch nicht lediglich um einen Verstoß gegen Verfahrensvorschriften. Der Klägerin sei nicht gestattet gewesen, die vergällten Erzeugnisse an Dritte abzugeben. Die Abgabe von solchen Erzeugnissen zur steuerfreien Verwendung sei nur durch Steuerlager möglich. So könne das zuständige HZA einem Verwender, der über kein Steuerlager verfügt, nur in Ausnahmefällen nach § 49 BrStV auf Antrag die Abgabe von steuerbefreiten Erzeugnissen an Steuerlagerinhaber oder andere Verwender gestatten. Mit der regelmäßigen Abgabe von vergälltem Branntwein habe die Klägerin einen unzulässigen Handel aufgenommen und nicht lediglich formelle Anforderungen an eine Steuerbefreiung unbeachtet gelassen.
Betroffene Normen
§ 44 Branntweinsteuerverordnung, § 49 Branntweinsteuerverordnung, § 57 Alkoholsteuerverordnung, § 62 Alkoholsteuerverordnung, § 227 Abgabenordnung, § 153 Branntweinmonopolgesetz, § 152 Branntweinmonopolgesetz, § 28 Alkoholsteuergesetz
Anmerkung
Die Auffassung des BFH ist nicht frei von Bedenken. So entspricht die Steuerfestsetzung bei weiter Auslegung des § 153 Abs. 3 S. 1 BranntwMonG zwar dem Gesetz, weil gemäß dieser Norm die Steuer entsteht, wenn die Erzeugnisse entgegen der in der Erlaubnis vorgesehenen Zweckbestimmung verwendet werden oder dieser nicht mehr zugeführt werden können. Im Verbrauchsteuerrecht wird aber rechtssystematisch zwischen einer Verwendung und einer Verteilung unterschieden. Bei Abgabe von Erzeugnissen liegt i.d.R. eine Verteilung vor, die hier formal hätte beantragt werden müssen. Die Steuerentstehung wegen steuerpflichtiger Verteilung ist ein Entstehungsgrund, den der Gesetzgeber grundsätzlich separat geregelt hat. Wozu sich der BFH aber nicht geäußert hat, ist, dass dies im Falle des § 153 Abs. 3 S. 1 BranntwMonG gerade nicht passiert ist. Die Regelung lässt den Schluss zu, dass hier mit dem Begriff „verwendet“ auch das Abgeben gemeint ist, obwohl eine Verwendung als Realakt nicht stattgefunden hat.
Weiterhin ist zu beachten, dass der Branntwein an zwei Verwenderbetriebe abgegeben wurde, die eine allgemeine Erlaubnis hatten und die den Branntwein steuerfrei verwendeten. Ein Formverstoß oder eine zweckwidrige Verwendung ihrerseits lag also nicht vor. Insoweit hätte der BFH auch zu dem Ergebnis kommen können, dass in dem besonderen Fall der Abgabe an einen Verwenderbetrieb der Gesetzeswille, Steuer festzusetzen, im Widerspruch dazu steht, die tatsächliche Verwendung von der Steuer zu befreien. § 152 Abs. 1 Nr.4 BranntwMonG zeigt nämlich den klaren gesetzlichen Willen, dass zu Heiz- und Reinigungszwecken und zu anderen Zwecken als zur Herstellung von Waren, der vergällte Branntwein von der Steuer befreit ist.
Schließlich zeigt das Urteil, dass der BFH nicht gewillt war, die Rechtsprechung des EuGH zu den zwingenden unionsrechtlichen Steuerbefreiungen umzusetzen. Mit Blick auf die EuGH-Rechtsprechung kann nämlich ein im Richtlinienrecht verankerter, zwingender Steuerbefreiungsanspruch (Art. 27 Abs. 1 Richtlinie 92/83/EG) aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht verwehrt werden, wenn der Anspruchsberechtigte die materiellen Voraussetzungen des Anspruchs erfüllt. Nach Auffassung des BFH ist aber auch eine Erlaubnis eine materielle Voraussetzung. Im Lichte dieser BFH-Rechtsprechung sollten Unternehmen daher vorsichtig sein und in solchen Fällen der Abgabe von Erzeugnissen darauf achten, dass die erforderliche Erlaubnis vorliegt. In Zukunft wird wohl noch zu klären sein, ob bei unionsrechtlich verpflichtenden Steuerbefreiungen eine unionsrechtlich nicht vorgesehene Formvorschrift (Erteilung einer Erlaubnis) mit dem Hinweis auf die Umsetzungskompetenz durch die Mitgliedstaaten als materielle Voraussetzung angesehen werden kann.
Vorinstanz
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 08.09.2017, 4 K 1590/17
Fundstelle
BFH, Urteil vom 27.02.2019, VII R 34/17