BFH: Verzinsung unionswidrig erhobener Stromsteuer
Mit Urteil vom 15.11.2022, VII R 29/21 (VII R 17/18), veröffentlicht am 01.06.2023, hat der Bundesfinanzhof (BFH) die Rechtsprechung zum unionsrechtlichen Zinsanspruch erweitert und damit die Rechtsstellung der Wirtschaftsbeteiligten gestärkt.
Sachverhalt
In dem vom BFH entschiedenen Fall hatte die Klägerin in ihrer Steueranmeldung eine bestimme Strommenge als steuerbegünstigt angemeldet. Das zuständige Hauptzollamt erließ einen abweichenden Steuerbescheid, der zur Zahlung einer höheren Stromsteuer führte. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein.
Das Hauptzollamt änderte daraufhin die Steuerfestsetzung und besteuerte die Strommenge ermäßigt. Die Klägerin beantragt die daraufhin erstattete Stromsteuer zu verzinsen, was das Hauptzollamt ablehnte. Dagegen erhob die Klägerin Sprungklage. Das Finanzgericht (FG) urteilte, die Klägerin habe weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht einen Anspruch auf die begehrte Verzinsung. Dagegen legte die Klägerin Revision ein.
Entscheidung
Der BFH hält die Revision für begründet. Er hat das angefochtene Urteil aufgehoben und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen.
Der BFH verweist auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), wonach der Einzelne, wenn ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen die Vorschriften des Unionsrechts Steuern erhoben hat, einen Anspruch auf Erstattung nicht nur der zu Unrecht erhobenen Steuer, sondern auch der Beträge, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Steuer an diesen Staat gezahlt oder von diesem einbehalten worden sind, hat. Darunter fallen auch die Einbußen aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit von Geldbeträgen infolge der vorzeitigen Fälligkeit der Steuer.
Demnach ergibt sich der Grundsatz, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobenen Steuerbeträge zuzüglich Zinsen zu erstatten, aus dem Unionsrecht. In Ermangelung einer unionsrechtlichen Regelung kommt es der innerstaatlichen Rechtsordnung der Mitgliedstaaten zu, die Bedingungen für die Zahlung solcher Zinsen, insbesondere den Zinssatz und die Berechnungsmethode für die Zinsen festzulegen. Diese Bedingungen müssen den Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität entsprechen, d.h. sie dürfen nicht ungünstiger sein als bei ähnlichen Klagen, die auf Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts gestützt sind, und sie dürfen nicht so ausgestaltet sein, dass sie die Ausübung der Rechte, die die Unionsrechtsordnung einräumt, praktisch unmöglich machen.
Der Berechnung des Zinsbetrags ist der Zeitraum zwischen der überhöhten Zahlung und der Erstattung der nicht geschuldeten Stromsteuer zugrunde zu legen.
Der Zinssatz beträgt gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung 0,5 % pro Monat.
Anmerkung
Die Entscheidung des BFH ist die konsequente Fortführung der EuGH-Rechtsprechung, wonach die Mitgliedstaaten aus dem Unionsrecht verpflichtet sind, unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobene Abgaben nicht nur zu erstatten, sondern die erstatteten Abgaben dem Einzelnen auch ab dem Zeitpunkt der Entrichtung zu verzinsen.
Es bleibt abzuwarten, wie die Zollverwaltung mit dieser Entscheidung umgeht. Es sollte in jedem Fall geprüft werden, ob ein Verstoß der Zollbehörde gegen Unionsrecht vorliegt, der eine Zinspflicht auslöst.
Vorinstanz
Finanzgericht München, 22.02.2018, 14 K 924/15
Fundstelle
BFH, Urteil vom 15.11.2022, VII R 29/21 (VII R 17/18)
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