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07.11.2024
Indirekte Steuern/Zoll

ViDA – EU-Rat beschließt einstimmig die neuen Regelungen zur Modernisierung des Mehrwertsteuerrechts in der EU

​Am 05.11.2024 trat der Rat für Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN-Rat) zu seiner ersten Sitzung unter ungarischem Vorsitz zusammen, um erneut das ViDA-Paket (VAT in the Digital Age) zu erörtern. Dieses Mal nahm der Rat den geänderten Kompromissvorschlag einstimmig an. Der folgende Beitrag setzt sich mit dem Inhalt und den Auswirkungen der neuen Regelungen unter Berücksichtigung der verlängerten nationalen Umsetzungsfristen auseinander.​ 

Hintergrund

Die im Rahmen des ViDA-Pakets vorgeschlagenen Regelungen enthalten Änderungen im Bereich der Plattformwirtschaft (platform economy), der Meldepflichten sowie der elektronischen Rechnungsstellung (DRR= digital reporting requirements) und sieht eine EU-weit einheitliche MwSt-Registrierung (SVR = single VAT registration) vor. Der ViDA-Entwurf ist seit Dezember 2022 (siehe hierzu Deloitte Tax-News) Gegenstand von Diskussionen zwischen den 27 Mitgliedstaaten. Der unter belgischer Ratspräsidentschaft erarbeitete Kompromissvorschlag, veröffentlicht am 8.5.24, unterschied sich bereits deutlich vom ursprünglichen Vorschlag und berücksichtigte bereits viele der von den Mitgliedstaaten erhobenen Bedenken gegen die neuen Regelungen. Auf diesen Kompromissvorschlag konnten sich die Mitgliedstaaten nicht einigen, da Estland Bedenken gegen die Änderungen im Bereich der Plattformwirtschaft hatte (siehe hierzu Deloitte Tax-News). Daraufhin wurde am 30.10.24 ein weiterer Kompromissvorschlag veröffentlicht, der nun am 5.11.24 vom EU-Rat einstimmig angenommen wurde.

Aufgrund der erheblichen Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag, der am 8. Dezember 2022 von der EU-Kommission veröffentlicht wurde, ist noch eine Konsultation des Europäischen Parlaments erforderlich, bevor der Rat endgültig beschließen kann.

ViDA-Vorschlag

Der Vorschlag, der die Einführung einer einheitlichen und einzigen MwSt-Registrierung (Single VAT Regsitration), die Ausweitung der Lieferkettenfiktion für digitale Plattformen auf den B2B-Bereich sowie Änderungen im Bereich der kurzfristigen Beherbergungs- und Personenbeförderung beinhaltet, bezieht sich auch auf Änderungen im Bereich Digital Reporting Requirements (E-Rechnung und digitale Meldepflichten). Der von den Mitgliedstaaten angenommene Kompromissvorschlag enthält eine Reihe von Maßnahmen, die zwischen 2025 und 2035 in Kraft treten sollen. In den folgenden Abschnitten werden die wichtigsten Änderungen und ihre jeweiligen Zeitpläne erläutert. 

1. Plattformwirtschaft – mehr Flexibilität für die Mitgliedstaaten; spätere Umsetzung

Bei den vorangegangenen ECOFIN-Treffen lehnte die estnische Regierung den ViDA-Vorschlag ab, da sie Bedenken hinsichtlich der neuen Regelung für fiktive Lieferanten hatte, die Plattformen, die die kurzfristige Vermietung von Unterkünften (maximal 30 Tage) und die Personenbeförderung ermöglichen, zur Erhebung der Mehrwertsteuer verpflichtet. Dem ursprünglichen Vorschlag zufolge würde die Regelung für fiktive Lieferanten dazu führen, dass Plattformen für alle Dienstleistungen, für die der zugrunde liegende Lieferant nicht mehrwertsteuerpflichtig ist (z. B. kleine steuerbefreite Unternehmen, gelegentliche Anbieter, Privatpersonen), steuerpflichtig wären. Diese Plattformhaftung entsteht, es sei denn, der zugrunde liegende Anbieter hat der Plattform eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer mitgeteilt und erklärt, dass er die für diese Lieferung fällige Umsatzsteuer in Rechnung stellen wird.

Dieser Effekt wurde im angenommenen Kompromissvorschlag erheblich abgemildert. Den Mitgliedstaaten wird bei der Umsetzung der Regelung ein hohes Maß an Flexibilität eingeräumt. Sie können nationale Kriterien, Bedingungen und Einschränkungen dafür festlegen, was als steuerpflichtige kurzfristige Vermietung von Unterkünften gilt. Darüber hinaus können die Mitgliedstaaten eine Ausnahme für Kleinunternehmer vorsehen.

Die Umsetzung der neuen Regelungen erfolgt in zwei Phasen, beginnend am 1.7.2028 mit der fakultativen Anwendung. Die Mitgliedstaaten müssen die Regelungen hingegen ab dem 1.1.2030 verbindlich anwenden.

Die Ausweitung der fingierten Lieferkette für B2C-Lieferungen innerhalb der EU, die im Drittland ansässigen Onlinehändler über Online-Marktplätze erbringen, wird zum 1.1.2027 auf B2B-Lieferungen ausgeweitet. Die anderen vorgeschlagenen Änderungen innerhalb der Säule der Plattformwirtschaft (u. a. Ort der Besteuerung von Vermittlungsgebühren, Verpflichtungen zur Vorratsdatenspeicherung usw.) treten am 1. Juli 2028 in Kraft. 

2. Digital Reporting Requirements

Die vorgeschlagenen Maßnahmen in Bezug auf die Anforderungen an die digitale Berichterstattung wurden bereits auf der ECOFIN-Tagung im Mai politisch vereinbart.

Inländisches DRR:

Danach gilt für inländische Digital Reporting Requirements, dass ab dem Datum des Inkrafttretens der Richtlinienänderung (20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt) die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, die elektronische Rechnungsstellung zwischen Unternehmen (B2B) und zwischen Unternehmen und Verbrauchern (B2C) national verbindlich einzuführen, unabhängig von der Zustimmung des Rechnungsempfängers und vor allem ohne eine Ausnahmegenehmigung der EU-Kommission einholen zu müssen.

Ab dem 1.7.2030 wird die E-Rechnung Pflicht. Lediglich in bestimmten Ausnahmefällen können die Mitgliedstaaten von der E-Rechnungspflicht absehen. Mitgliedstaaten, die nationale DRR-Verpflichtungen einführen, müssen diese an den EU-Standard anpassen, um die Interoperabilität mit dem EU-Standard zu gewährleisten.

Mitgliedstaaten, die bereits vor dem 1.1.2024 eine Form der Digital Reporting Requirements eingeführt haben (z.B. Italien) oder vor diesem Datum eine Ausnahmeregelung erhalten haben (wie z.B. Frankreich, Deutschland, Polen und Rumänien), sind verpflichtet bis zum 1.1.2035 ihre nationalen Meldepflichten entsprechend dem EU-Standard anzupassen.

In Bezug auf die Anforderungen an die inländische elektronische Rechnungsstellung und die digitale Berichterstattung ist den Mitgliedstaaten ein erheblicher Spieleraum eingeräumt. In der Erklärung des Rates erkannte der Rat die erheblichen IT- und administrativen Herausforderungen an, die diese Umsetzung mit sich bringt, und empfiehlt den Mitgliedstaaten daher, Anforderungen an die digitale Berichterstattung für inländische Transaktionen einzuführen, um diese Verpflichtungen in aufeinanderfolgenden Phasen einzuführen, basierend auf der Größe des Steuerzahlers und der operativen Kapazität.

Grenzüberschreitendes DRR:

Ab dem 1.7.2030 wird die elektronische Rechnungsstellung für alle innergemeinschaftlichen Lieferungen von Waren und Dienstleistungen verpflichtend eingeführt, verbunden mit einer Echtzeitmeldung der in der elektronischen Rechnung enthaltenen Daten an die nationalen Steuerbehörden. Diese transaktionalen Meldepflichten ersetzen die Zusammenfassende Meldung. Die elektronische Rechnung für grenzüberschreitende Umsätze ist innerhalb von 10 Tagen auszustellen.

Für die Meldefristen der Rechnungsdaten an die Finanzverwaltung ist zu differenzieren:

  • Im Falle der Selbstfakturierung spätestens 5 Tage nach dem Datum, an die Rechnung ausgestellt wurde oder hätte ausgestellt werden sollen.
  • Nahezu in Echtzeit für den Empfänger: Spätestens 5 Tage nach dem Datum, an die Rechnung eingegangen ist.
  • Echtzeit für den Lieferanten: Zum Zeitpunkt der Ausstellung der Rechnung oder zu dem Zeitpunkt, zu dem die Rechnung hätte ausgestellt werden sollen.

Daneben werden für grenzüberschreitende Umsätze transaktionale Meldepflichten etabliert, die die Zusammenfassenden Meldungen ersetzen. Bis 2035 müssen bereits vorhandene nationale Meldepflichten an die EU-Vorgaben angepasst werden.

3. Single VAT Registration

Die im Rahmen des ViDA-Pakets vorgeschlagenen Maßnahmen zur einheitlichen MwSt.-Registrierung wurden inhaltlich ebenfalls auf der ECOFIN-Tagung im Mai politisch vereinbart. Die nun vereinbarten Änderungen beziehen sich auf die Umsetzungsfrist, die im Wesentlichen auf den 1.7.2028 verschoben wurde. Den Mitgliedstaaten steht im Bereich der Regelungen, die sich unter anderem auf das OSS-Verfahren (One-Stop-Shop) und das Reverse-Charge Verfahren für B2B-Umsätze von nicht ansässigen Unternehmen im EU-Ausland beziehen, ein Wahlrecht zu, so dass nach wie vor Fälle geben wird, in denen die Registrierungsverpflichtung nicht entfallen wird. Durch die vereinbarten Änderungen wird außerdem die Konsignationslager-Regelung entbehrlich. Für eingelagerte Gegenstände ist sie bis zum 30.6.2028 noch anwendbar; damit entfällt sie de facto zum 30.6.2029. Im Einzelnen:

  • Ab dem 1.7.2028 wird das OSS-Verfahren (One-Stop-Shop) für innergemeinschaftliches Verbringen eingeführt, das insbesondere Unternehmen im E-Commerce von Registrierungs- und Meldepflichten befreien soll, aber auch für alle anderen Unternehmen anwendbar ist.
  • Darüber hinaus sind die Mitgliedstaaten verpflichtet ein inländisches Reverse-Charge Verfahren für nicht ansässige Lieferanten einzuführen. Die Steuerpflicht geht damit auf den Kunden über, wenn der Lieferant nicht im Mitgliedstaat ansässig oder steuerpflichtig ist, sofern der Kunde bereits über eine USt-ID Nr. in dem jeweiligen Mitgliedstaat verfügt.  

Hinweis

Die größten Auswirkungen für Unternehmen hat insbesondere die Säule der Digital Reporting Requirements und den damit einhergehenden Änderungen im Bereich der E-Rechnung und den damit verbundenen Meldepflichten – das betrifft sowohl inländische als auch innergemeinschaftliche Umsätze. Im Hinblick auf Letztere und abweichend von dem Hauptziel des Vorschlags, nämlich eine Harmonisierung für die elektronische Rechnungsstellung und die DRR für inländische und EU-weite Transaktionen zu erreichen, wird das mit den jetzt vereinbarten Regelungen nicht im ursprünglich vorgeschlagenen Umfang verwirklicht. Unternehmen, die in mehreren Mitgliedstaaten tätig sind, werden daher wohl auch weiterhin mit unterschiedlichen Modellen und verschiedenen IT-Lösungen arbeiten müssen, um ihren mehrwertsteuerlichen Pflichten zu entsprechen. Verschärft wird dies dadurch, dass die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben sollen, die elektronische Rechnungsstellung für B2B und B2C-Transaktionen verbindlich einzuführen, ohne dass eine Ausnahmegenehmigung der EU-Kommission erforderlich ist. Damit bleibt den Unternehmen gegebenenfalls nur wenig Zeit für die Planung. Unternehmen sollten sich daher proaktiv vorbereiten und neben den nationalen Regelungen zur E-Rechnung auch einen Implementierungsfahrplan für die DRR von ViDA entwickeln, bzw. bestenfalls beides miteinander kombinieren. Darüber hinaus sollte aber auch erwähnt werden, dass die Kommission deutlich hervorgehoben hat, dass sie die Notwendigkeit, bestehende branchenspezifische Geschäftsanforderungen, in die europäischen Unternehmen bereits in großem Umfang investiert haben, in diese Norm für die elektronische Rechnungsstellung zu integrieren. Sie wird vor dem Inkrafttreten der Verpflichtung zur Anwendung der europäischen Norm auf alle Transaktionen innerhalb der EU prüfen, ob diese Arbeiten vollständig abgeschlossen sind, und wird andernfalls notwendige Übergangsmaßnahmen vorschlagen. Für den Rechtsanwender besteht daher die berechtigte Hoffnung, dass das EDI-Verfahren in die Norm aufgenommen wird. Ebenso wie die DRR-Säule beinhalten auch die Säule der Plattformökonomie wie auch die Single VAT Registration verschiedene Herausforderungen aber auch wertvolle Chancen für Unternehmen. Obwohl die Umsetzungsfristen zeitlich nach hinten verschoben wurden, sollten Unternehmen sich rechtzeitig mit den neuen Vorschriften auseinandersetzen, um die Reformen für effizientere MwSt-Prozesse und nahtlose grenzüberschreitende Aktivitäten effektiv zu nutzen.

Fundstellen

Rat der Europäischen Union, 30.10.2024, 14961/24

Rat der Europäischen Union, Pressemitteilung vom 05.11.2024

Rat der Europäischen Union, 30.10.2024, 14964/24

Ihr Ansprechpartner

Diana-Catharina Kurtz
Senior Manager

dkurtz@deloitte.de
Tel.: +4989290368025

Ihr Ansprechpartner

Diana-Catharina Kurtz
Senior Manager

dkurtz@deloitte.de
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