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16.05.2024
Indirekte Steuern/Zoll

ViDA – Kompromissvorschlag scheitert

​Am 14. Mai 2024 wurde auf der Tagung des Rates für Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN) der unter belgischer Ratspräsidentschaft erarbeitete Kompromissvorschlag zwischen den 27 Mitgliedstaaten erörtert. Eine Einigung kam nicht zu Stande. Was bleibt vom Vorschlag übrig?

​Hintergrund

Die Europäische Kommission veröffentlichte den ursprünglichen Vorschlag für das ViDA-Paket am ​8. Dezember 2022. Die vorgeschlagenen Regelungen enthalten Änderungen im Bereich der Plattformwirtschaft (platform economy), der Meldepflichten sowie der elektronischen Rechnungsstellung (DRR= digital reporting requirements) und sieht eine EU-weit einheitliche MwSt-Registrierung (SVR = single VAT registration) vor. Der ViDA-Entwurf ist seit Dezember 2022 (siehe hierzu Deloitte Tax-News). Gegenstand von Diskussionen zwischen den 27 Mitgliedstaaten. Am 8. Mai 2024 wurde der unter belgischer Ratspräsidentschaft erarbeitete Kompromissvorschlag vom EU-Rat veröffentlicht. Der überarbeitete Richtlinientext, der sich in vom ursprünglichen Vorschlag unterscheidet und viele der von den Mitgliedstaaten erhobenen Bedenken berücksichtigt, sollte die Grundlage für die Einigung auf der ECOFIN-Tagung bilden. Eine Einigung kam leider nicht zu Stande, so dass die Mitgliedstaaten erneut an den Verhandlungstisch zurückkehren müssen. Auf der kommenden ECOFIN-Tagung am 21. Juni 2024 wird eine neue Einigung angestrebt werden.  

1. Keine Einigung im Bereich der Plattformwirtschaft – zeitliche Verzögerungen bei allen Säulen

Estland lehnte den aktuellen Vorschlag ab, da es Bedenken hinsichtlich der geplanten Regelungen im Bereich der Plattformwirtschaft hat. Das führt zu einer weiteren Verzögerung im Rahmen der Verabschiedung des ViDA-Pakets in Gänze, da jedenfalls die 2. Säule neu verhandelt werden muss. Der Vorschlag zur Plattformwirtschaft zielt inhaltlich darauf ab, neue Zuständigkeiten für die Erhebung der MwSt auf Plattformen einzuführen, die kurzfristige Unterkunftsvermietungen und Personenbeförderungen vermitteln. Nach der letzten Fassung des Vorschlags sollten die Plattformen bis 1.​7.2027 die Mehrwertsteuerschuld für bestimmte Leistungen der kurzfristigen Unterkunftsvermietung (bis zu 30 Tagen) und der Personenbeförderung auf der Straße übernehmen. Den Mitgliedstaaten wurde jedoch ein erheblicher Spielraum eingeräumt, um die Regelung für "deemed suppliers" auf der Grundlage ihrer jeweiligen Marktbedingungen in diesen Bereichen anzupassen. Dennoch hat Estland diese Regelung abgelehnt und vorgeschlagen, den Vorschlag in diesem Bereich fakultativ auszugestalten. Die Mitgliedstaaten sollten selbst entscheiden können, ob sie die „deemed supplier“ Regelung ins nationale Recht übernehmen. Dieser Vorschlag wurde von den anderen Mitgliedstaaten nicht unterstützt.

2. Grundsätzliche Einigung in den Bereichen DRR und SVR

Die Mitgliedstaaten konnten eine grundsätzliche Einigung auf den am 8. Mai 2024 veröffentlichen Entwurf jedoch in den Bereichen Digital Reporting Requirements (DRR) und SVR erzielen, so dass der wesentliche Inhalt des Kompromisstextes in Bezug auf diese ViDA-Säulen erhalten bleibt.  

Säule 1: Digitale Meldepflichten (DRR) – Inhalt des Vorschlags

Der Aspekt der ViDA-Reform, der die meisten Unternehmen betreffen wird, ist die DRR-Säule. Der Vorschlag sieht die Einführung einer digitalen Berichterstattung in Echtzeit auf Grundlage einer strukturierten elektronischen Rechnungsstellung für Unternehmen vor, die grenzüberschreitend in der EU tätig sind, wobei die Daten in ein zentrales System eingespeist werden. Darüber hinaus enthält der Vorschlag einen Rahmen für die elektronische Rechnungsstellung und Berichterstattung für inländische Transaktionen.

Inländische Transaktionen – ab 1.7.2030

Ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vorschlags (20 Tage nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union) hätten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, die elektronische Rechnungsstellung zwischen Unternehmen (B2B) und zwischen Unternehmen und Verbrauchern (B2C) verbindlich einzuführen, ohne eine Ausnahmeregelung bei der Europäischen Kommission beantragen zu müssen. Im Vergleich zum ursprünglichen Vorschlag haben die Mitgliedstaaten mehr Freiheiten in der Umsetzung, bspw. im Bereich der Anwendung des EU-Standard Formats EN 16931, sofern es mit diesem interoperabel ist. Ab dem 1.7.2030 sollen die Mitgliedstaaten die Gewährung des Vorsteuerabzugs für Umsätze, die unter eine nationale Meldepflicht fallen, davon abhängig machen dürfen, dass eine E-Rechnung entsprechend dem neuen Format vorliegt. Für Mitgliedstaaten,​ die bis zum 1.1.2024 bereits ein inländisches Meldesystem eingeführt oder von der EU genehmigt bekommen haben (bspw. Deutschland, Italien usw.), sind verpflichtet dieses Meldesystem bis zum 31.12.2034 an den EU-Standard und die digitale Meldepflicht anzupassen.

Innergemeinschaftliche Transaktionen – ab 1.7.2030

Bis zum 1. Juli 2030 soll die elektronische Rechnungsstellung für alle innergemeinschaftlichen Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen obligatorisch werden, verbunden mit einer Echtzeitmeldung der in der elektronischen Rechnung enthaltenen Daten an die nationalen Steuerbehörden. In der Regel müssten sowohl der Rechnungsaussteller als auch der Rechnungsempfänger die Rechnungsdaten an ihre jeweilige nationale Steuerbehörde melden, obwohl die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, den Rechnungsempfänger (d. h. den Kunden) von der Meldepflicht auszunehmen. Der Zeitrahmen für die Ausstellung elektronischer Rechnungen für innergemeinschaftliche Transaktionen wird auf 10 Tage verlängert (im Vergleich zu 2 Tagen im ursprünglichen Vorschlag). Im Bereich der Meldefristen für die Rechnungsdaten ist vorgesehen, dass diese grundsätzlich an dem Tag erfolgt, an dem die Rechnung ausgestellt wurde oder spätestens hätte ausgestellt werden müssen. Der Empfänger soll innerhalb von 5 Tagen nach dem Tag melden, an dem die Rechnung ausgestellt wurde oder spätestens hätte ausgestellt werden müssen. Gleichzeitig mit dem Inkrafttreten der neuen Regelungen 2030 soll die Zusammenfassende Meldung abgeschafft werden.

Grundsätzlich sollen nach dem neuen Vorschlag auch Sammelrechnungen weiterhin erlaubt sein, sofern sie nur noch maximal die Umsätze eines Kalendermonats umfassen und bis zum 10. Tag des Folgemonats ausgestellt wurden. Den Mitgliedstaaten steht es jedoch frei, Sammelrechnungen in betrugsanfälligen Bereichen zu verbieten. Neu ist auch der Begriff der „Hybridrechnungen“. Das sind die E-Rechnungen (entsprechend der ab dem 1.7.2030 geltenden EU-weiten Definition), die in einem strukturierten Formate eingebettete Daten enthalten und dabei die in einem unstrukturierten, für den Menschen lesbaren Format (pdf) eingebettete Daten kombinieren. Diese Rechnungen, gelten ebenfalls als elektronische Rechnungen, sofern die Rechnung alle in einem strukturierten Format zu meldende Daten enthält.

Säule 3: Einheitliche MwSt-Registrierung (SVR) – Inhalt des Vorschlags - ab 1.7.2027

Grundsätzlich einig waren sich die Mitgliedstaaten auch im Hinblick auf die 3. Säule des ViDA-Pakets, der EU-weit einheitlichen Registrierung (SVR) in der aktuellen Fassung des Vorschlags. Vorgesehen ist die Verbesserung und Ausweitung der bestehenden Systeme (OSS, IOSS, Reverse-Charge Verfahren) zur Verringerung des Registrierungsaufwands für Unternehmen, die Umsätze in Mitgliedstaaten tätigen, in denen sie nicht ansässig sind. Bspw. können Unternehmen, die grenzüberschreitende eigene Waren verbringen, auch Investitionsgüter, unter einer einzigen USt-ID Nr. im OSS anmelden. Die Notwendigkeit einer Registrierung bei der Lagerung von Waren entfällt damit. Das Verbringen von Gegenständen, für das es kein volles Vorsteuerabzugsrecht gibt, bleibt vom Anwendungsbereich des OSS ausgeschlossen. Ferner enthält der Kompromisstext die Verpflichtung, den Eigentümer der Gegenstände über das Verbringen zu informieren, sofern dieser das Verbringen nicht ausdrücklich beauftragt hat. Ab dem 1.7.2027 soll außerdem das Reverse-Charge-Verfahren erweitert werden. Der verpflichtende Steuerschuldübergang gilt für alle Lieferungen und sonstigen Leistungen (ausgenommen Differenzbesteuerung) eines nicht im Mitgliedstaat der Leistung ansässigen und hier auch nicht registrierten Leistenden, wenn der Leistungsempfänger in diesem Mitgliedstaat bereits registriert ist. Ist der Leistende im Mitgliedstaat registriert, aber nicht ansässig, so steht es im Ermessen der Mitgliedstaaten den Übergang der Steuerschuldnerschaft vorzusehen.  

Anmerkung

Die Mitgliedstaaten waren sich im H​inblick auf die Regelungen in den Bereichen DRR und SVR einig. Wird auf der nächsten Tagung im Juni ebenfalls eine Einigung im Bereich der Plattformwirtschaft erzielt, kann der Gesetzgebungsprozess wieder aufgenommen werden und die Regelungen – trotz jetziger Verzögerung - insgesamt zügig verabschiedet werden. Das ursprüngliche recht umfangreiche ViDA-Paket hat unter der Berücksichtigung der vielen Änderungswünsche der Mitgliedstaaten im jetzigen Kompromissvorschlag gelitten und auch die zeitliche Verzögerung des Inkrafttretens der vorgesehenen Regelungen führt dazu, dass Unternehmen sich zunächst anderen Herausforderungen stellen werden, wie bspw. dem WachstumschancenG und der Einführung der E-Rechnung in Deutschland (siehe Deloitte Tax News). Zu betonen ist, dass diese im Einklang mit dem jetzigen Kompromissvorschlag im Bereich der digital reporting requirements stehen. Dennoch werden grenzüberschreitend tätige Unternehmer noch eine ganze Zeit lang mit den unterschiedlichen Modellen innerhalb der verschiedenen Mitgliedstaaten umgehen und in verschiedene technische Lösungen investieren müssen, um diese Verpflichtungen zu erfüllen.  

Fundstelle

Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG in Bezug auf die Mehrwertsteuervorschriften für das digitale Zeitalter, Kompromisstext vom 08.05.2024, 2022/0407 (CNS)

Ihr Ansprechpartner

Ulrich Grünwald

ugruenwald@deloitte.de
Tel.: 03025468258

Diana-Catharina Kurtz

dkurtz@deloitte.de
Tel.: 089290368025

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