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07.11.2024
Internationales Steuerrecht

BFH: Gewerbesteuerliche Kürzung bei ausländischer Betriebstätte

Die gewerbesteuerliche Kürzung nach § 9 Nr. 3 GewStG um den Teil des Gewerbeertrags, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt, ist auch dann vorzunehmen, wenn Deutschland nach dem einschlägigen DBA nicht gehindert wäre, den gesamten Gewerbeertrag zu besteuern. Das gilt auch dann, wenn sich im Rahmen einer koordinierten steuerlichen Außenprüfung die deutschen und die ausländischen Finanzbehörden auf eine vollständige Besteuerung durch Deutschland verständigt haben. Der zu kürzende Gewinn, welcher auf die ausländische Betriebstätte entfällt, ist primär nach der direkten Methode und hilfsweise nach dem Verhältnis der Arbeitslöhne der Betriebstätten zueinander zu ermitteln.

BFH, Urteil vom 05.06.2024, I R 32/20 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine im Wohnungsbau tätige GmbH & Co. KG mit Sitz im Inland, deren Komplementärin die V-GmbH und deren Kommanditistin die B-GmbH ist, welche ebenfalls ihren Sitz im Inland haben. Die GmbH & Co. KG betrieb im Inland Wohnungsbau, dabei ganz überwiegend auf eigenen Grundstücken, die sie nach der Bebauung jeweils wieder veräußerte, zu einem geringen Teil aber auch auf fremden Grundstücken. Die Geschäftsleitung der GmbH & Co. KG sowie die Projektierung mit dem dafür benötigten Personal befanden sich in den Niederlanden. Auf den deutschen Baustellen wurde die Bauleitung von einem Polier und einem Bauleiter der GmbH & Co. KG übernommen, während Subunternehmer aus der niederländischen Konzernzentrale die Bauarbeiten ausführten.

Im Rahmen einer gemeinsamen steuerlichen Außenprüfung (sogenannter Joint Audit) hinsichtlich der Jahre 2012 und 2013 einigten sich die deutschen und niederländischen Prüfer auf eine Aufteilung der Besteuerungsrechte dergestalt, dass die Veräußerungsgewinne der GmbH & Co. KG aus den Bauprojekten auf eigenen Grundstücken in vollem Umfang der Besteuerung durch Deutschland unterliegen sollten. Bei den Bauprojekten auf fremden Grundstücken wurde nach der Länge der Bauzeiten differenziert: Gewinne aus Bauprojekten von weniger als zwölf Monaten sollten ausschließlich der niederländischen Besteuerung unterliegen, während die Gewinne aus Bauprojekten von mehr als zwölf Monaten zu 80 % von den Niederlanden und zu 20 % von Deutschland besteuert werden sollten.

Für das Jahr 2012 führte diese Aufteilung zu einer Besteuerung durch Deutschland zu mehr als 90 %. Das Finanzamt setzte dieses Prüfungsergebnis auch im Hinblick auf die Gewerbesteuer um.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren und dagegen erhobener Klage urteilte das FG, dass der Gewerbeertrag entsprechend § 9 Nr. 3 GewStG um den auf die niederländische Betriebsstätte entfallenden Teil zu kürzen sei und hat diesen mittels Schätzung ermittelt.

Entscheidung

Auch der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass die gewerbesteuerliche Kürzung nach § 9 Nr. 3 GewStG im Streitfall zu gewähren ist. Für nicht ausreichend hält er jedoch die vom FG im Wege der Schätzung vorgenommene Gewinnabgrenzung zwischen der inländischen und der niederländischen Betriebsstätte.

Gesetzliche Grundlagen

Der Gewerbesteuer unterliegt gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Im Inland betrieben wird ein Gewerbebetrieb, "soweit" für ihn im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird (vgl. § 2 Abs. 1 S. 3 GewStG).

Dies korrespondiert mit der Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 3 GewStG, der zufolge die Summe des Gewinns und der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen um den Teil des Gewerbeertrags zu kürzen ist, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt. Einkünfte, die nur teilweise einer inländischen, zum anderen Teil aber einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind und die nicht bereits aufgrund abkommensrechtlicher Bestimmungen steuerfrei sind, fallen folglich nur in dem Umfang in die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage, als sie der inländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind.

Abkommensberechtigung nach dem DBA-Niederlande

Personengesellschaften sind nach dem DBA-Niederlande 1959/2004 im Hinblick auf die Gewerbesteuer nicht selbst abkommensberechtigt. Abkommensberechtigt sind ihre jeweiligen Gesellschafter, im Streitfall also die V-GmbH und B-GmbH.
Besteuerungsrecht für Gewinne aus den Bauausführungen auf fremdem Grund
Bei den Gewinnen aus den Bauausführungen auf fremdem Grund handelt es sich abkommensrechtlich um Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne von Art. 5 DBA-Niederlande 1959/2004. In welchem Umfang Deutschland abkommensrechtlich das diesbezügliche Besteuerungsrecht zusteht, hänge von der noch zu klärenden Frage ab, ob die Orte der Geschäftsleitung der V-GmbH und der B-GmbH sich in Deutschland oder in den Niederlanden befunden haben.

Besteuerungsrecht für Gewinne aus dem Verkauf der bebauten Grundstücke

Die Gewinne aus dem Verkauf der bebauten Grundstücke sind demgegenüber nach dem DBA-Niederlande 1959/2004 unabhängig vom „Wohnsitz“ der Gesellschafterinnen der GmbH & Co. KG nicht anteilig von der Bemessungsgrundlage auszunehmen. Hätten die V-GmbH und die B-GmbH den Ort ihrer Leitung in den Niederlanden gehabt, würde somit Deutschland gleichwohl das alleinige Besteuerungsrecht an den Veräußerungsgewinnen zustehen. Der Gewinn aus der Veräußerung eines bebauten Grundstücks durch ein gewerbliches Unternehmen unterfällt auch dann vollständig Art. 4 DBA-Niederlande 1959/2004 (Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen), wenn die Bebauung vom Unternehmen selbst durchgeführt und das Grundvermögen dem Umlaufvermögen zugeordnet worden ist.

Betriebsstätte in den Niederlanden

Die Gewinne aus der Veräußerung der bebauten Grundstücke gehören jedoch aufgrund der im Gewerbesteuergesetz vorgesehenen Beschränkung des Steuerobjekts auf inländische Betriebsstätteneinkünfte nicht vollständig zur gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage. Da die Geschäfte der GmbH & Co. KG von der niederländischen Konzernzentrale aus geleitet worden sind, hat sich dort eine Betriebsstätte im Sinne von § 12 S. 2 Nr. 1 AO (Stätte der Geschäftsleitung) befunden, von der aus auch die Bauprojektierung und die Beauftragung der Subunternehmer für die Bauvorhaben der Klägerin vorgenommen worden sind. Der dieser ausländischen Betriebsstätte zuzuordnende Teil des Gewerbeertrags unterfällt nicht der Gewerbesteuer.

Gewerbesteuerliche Kürzung nach § 9 Nr. 3 GewStG

Der BFH kommt daher zu dem Ergebnis, dass der Gesamt-Gewerbeertrag der GmbH & Co. KG auf die den inländischen Betriebsstätten und die der niederländischen Betriebsstätte zuzuordnenden Anteile aufzuteilen und nach § 9 Nr. 3 GewStG um den der niederländischen Betriebsstätte zuzuordnenden Teil zu kürzen ist.

Der Kürzung des Gewerbeertrags um den auf die niederländische Betriebsstätte entfallenden Teil steht nach Ansicht des BFH nicht entgegen, dass auf der Grundlage des Art. 4 DBA-Niederlande 1959/2004 Deutschland im Verhältnis zu den Niederlanden nicht daran gehindert wäre, den Gewinn aus der Veräußerung der Grundstücke vollständig der Gewerbesteuer zu unterwerfen. Denn es bleibe stets bei der – gegebenenfalls aufgrund des DBA modifizierten – Anwendung des jeweiligen innerstaatlichen Rechts. Die DBA zielten grundsätzlich nicht darauf ab, den Steueranspruch eines Anwenderstaats zu begründen oder zu erweitern, sondern ihn zu beschränken. Daher könne Art. 4 Abs. 1 DBA-Niederlande 1959/2004 nicht die Wirkung zukommen, den auf dem innerstaatlichen Recht beruhenden strukturellen Inlandsbezug der Gewerbesteuer aufzuheben und die Gewerbesteuerpflicht auf den Teil des Gewerbeertrags auszudehnen, der einer niederländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist

Koordinierte Außenprüfung

Dieses Ergebnis gilt nach dem BFH auch dann, wenn sich im Rahmen einer koordinierten steuerlichen Außenprüfung die deutschen und die ausländischen Finanzbehörden auf eine vollständige Besteuerung durch Deutschland verständigt haben. Denn für den BFH ist keine rechtliche Grundlage dafür ersichtlich, dass den im Rahmen einer koordinierten Außenprüfung von den beteiligten Steuerverwaltungen getroffenen Feststellungen eine für den Steuerpflichtigen und die Gerichte verbindliche, gegebenenfalls gesetzesüberschreibende Wirkung zukommen könnte.

Aufteilung und Zuordnung des Gewerbeertrags auf die deutschen und niederländischen Betriebsstätten

Das FG hat sich nach Überzeugung des BFH nicht hinreichend mit den verschiedenen denkbaren Methoden zur Betriebsstätten-Gewinnabgrenzung befasst.

Nach der BFH-Rechtsprechung soll die Aufteilung grundsätzlich nach der direkten Methode unter der Annahme geschehen, dass die ausländische Betriebsstätte eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen entfaltet (BFH-Urteil vom 28.03.1985, IV R 80/82). In Fällen, in denen sich die direkte Methode als nicht geeignet erweist, ist nach dem BFH zunächst eine Abgrenzung entsprechend den für die Aufteilung der Gewerbesteuer auf mehrere inländische Gemeinden geltenden, an den Summen der an die jeweiligen Arbeitnehmer geleisteten Arbeitslöhne orientierten Zerlegungsregeln (§§ 28 ff. GewStG) zu erwägen (vgl. BFH-Urteil vom 28.03.1985, IV R 80/82).

Betroffene Norm

§ 9 Nr. 3 GewStG

Streitjahre 2013-2014

Anmerkung

In der Praxis dürfte die Umsetzung des Urteils, d.h. die Aufteilung des Gewinns auf die ausländische und die inländische Betriebsstätte nicht unproblematisch sein. Dieser Umstand führte im Streitfall auch zur Rückverweisung an das FG, da der BFH eine grobe Schätzung nicht hat ausreichen lassen. Das FG hat nun im zweiten Rechtsgang die erforderlichen Feststellungen zur Aufteilung des Gewerbeertrags zwischen der inländischen Betriebsstätte und der niederländischen Betriebsstätte zu treffen. Dafür hat der BFH vorgegeben, dass die Aufteilung des Gewinns primär durch die direkte Methode und hilfsweise für Zwecke der Gewerbesteuer nach den Verhältnissen der Arbeitslöhne der Betriebstätten zueinander vorzunehmen ist.

Vorinstanz

Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 28.05.2020, 9 K 1904/18 G, EFG 2020, S. 1325

Fundstelle

BFH, Urteil vom 05.06.2024, I R 32/20

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 28.03.1985, IV R 80/82, BStBl. II 1985, S. 405

Ihr Ansprechpartner

Daniela Gemmel
Senior Manager

dgemmel@deloitte.de
Tel.: +4921187725394

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