BFH: Kein Abzug sog. finaler Verluste nach Unionsrecht
Ein sog. finaler Verlust aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils, soweit er auf eine ausländische Betriebsstätte mit abkommensrechtlicher Freistellung entfällt, ist auch aus Gründen der unionsrechtlichen Niederlassungsfreiheit nicht von der inländischen steuerlichen Bemessungsgrundlage abziehbar (Anschluss an das EuGH-Urteil Timac Agro vom 17.12.2015). Keine (erneute) Vorlage beim EuGH.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, hat ihren Mitunternehmeranteil an einer im Inland ansässigen KG mit einer Betriebsstätte in Italien, die Verluste erwirtschaftete, gegen eine Entschädigungszahlung für zu erwartende Verluste der Betriebsstätte, verkauft.
Das Finanzamt behandelte die Entschädigungszahlung als nicht abzugsfähige Betriebsausgabe und stellte darüber hinaus fest, dass die Voraussetzungen einer Hinzurechnung der in den Vorjahren abgezogener Verluste gemäß § 2a Abs. 4 Nr. 2 EStG erfüllt sind. Das FG gab der Klage nur im Hinblick auf den Betriebsausgabenabzug für die Entschädigungszahlung statt.
Entscheidung
Das FG habe zutreffend festgestellt, dass die Klägerin die ihr zugerechneten Verlustanteile gemäß § 2a Abs. 4 Nr. 2 EStG nachzuversteuern hat. Allerdings habe das FG zu Unrecht den Betriebsausgabenabzug für die Entschädigungszahlung bejaht.
Der angefallene Verlust der Klägerin aus der Veräußerung des Kommanditanteils (Entschädigungszahlung), sei, soweit er auf die Betriebsstätte in Italien entfällt, gemäß Art. 13 Abs. 2 i.V.m. Art. 24 Abs. 3 Buchst. a DBA-Deutschland-Italien, von der Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer ausgenommen (Freistellungsmethode).
Aus der unionsrechtlich verbürgten Niederlassungsfreiheit ergebe sich nicht, dass der Verlust trotz der prinzipiellen abkommensrechtlichen Freistellung von der inländischen Bemessungsgrundlage ausnahmsweise abzuziehen sei, weil er in Italien definitiv nicht mehr verwertet werden könne (anders bisher ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 05.02.2014 unter Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH, z.B. Urteil Lidl Belgium vom 15.05.2008). Der Senat schließe sich damit der aktuellen Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteil Timac Agro vom 17.12.2015) an. Nach dieser Rechtsprechung bestehen keine unionsrechtlichen Bedenken, wenn im Fall der abkommensrechtlichen Freistellung von ausländischen Betriebsstätten-Einkünften, auch Verluste einer ausländischen Betriebsstätte, die aufgrund konzerninterner Veräußerung im Ausland nicht mehr nutzbar sind, nicht von der Bemessungsgrundlage des inländischen Stammhauses abgezogen werden können. Folglich hätte der EuGH der sog. Symmetriethese (abkommensrechtliche Freistellung positiver und negativer Einkünfte) die Eignung zugesprochen, eine Beschränkung von Grundfreiheiten von vornherein auszuschließen. Es sei nicht ersichtlich, dass im vom EuGH entschiedenen Fall Zweifel an der Finalität der ausländischen Verluste oder der Umstand der Veräußerung an eine konzernangehörige Kapitalgesellschaft maßgeblich für die Entscheidung des EuGH waren.
Die Voraussetzungen für eine (nochmalige) Vorlage für eine Vorabentscheidung des EuGH sei nicht erfüllt, da die Rechtsfrage hinsichtlich des zu entscheidenden Streitfalls geklärt sei und kein Raum „für vernünftige Zweifel hinsichtlich der richtigen Auslegung der fraglichen Rechtsnorm“ bestehe.
Betroffene Normen
§ 2a Abs. 4 Nr. 2 EStG (i.d.F. des § 52 Abs. 3 S. 5 EStG 1997/ StBereinG 1999), Art. 13 Abs. 2 i.V.m. Art. 24 Abs. 3 Buchst. a DBA Deutschland-Italien
Streitjahr 1999
Anmerkungen
FG Münster, Urteile vom 28.03.2017, 12 K 3541/14 G, F und 12 K 3545/14 G, F
Wie der BFH bereits in seinem hier dargestellten Urteil vom 22.02.2017 entschieden hat, urteilte nun auch das FG Münster in zwei Urteilen vom 28.03.2017, 12 K 3541/14 G, F und 12 K 3545/14 G, F (siehe Deloitte Tax-News), dass im Fall einer Freistellungsbetriebsstätte keine unionsrechtliche Verpflichtung zur grenzüberschreitenden Berücksichtigung von finalen Verlusten besteht. Eine (erneute) Vorlage beim EuGH hält das FG Münster nicht für zulässig. Es ist zu erwarten, dass der BFH in den beiden nun anhängigen Verfahren (I R 48/17 und I R 49/17) entsprechend seiner Grundsätze im Urteil vom 22.02.2017 entscheiden wird.
Bisherige Rechtsprechung
Die Rechtsprechung von EuGH (zumindest vor dem Urteil Timac Agro vom 17.12.2015) und BFH (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 05.02.2014) ging bislang davon aus, dass aus Gründen der unionsrechtlichen Niederlassungsfreiheit trotz anzuwendender Freistellungsmethode bei der inländischen steuerlichen Bemessungsgrundlage ein Abzug ausländischer Betriebsstättenverluste möglich ist, wenn es sich um Verluste im ausländischen Betriebsstättenstaat (sog. Quellenstaat) handelt, die steuerrechtlich unter keinen Umständen verwertbar und damit „final“ sind (sog. finale Verluste).
Vorinstanz
Finanzgericht Nürnberg, Urteil vom 27.11.2014, 6 K 866/12, EFG 2015, S. 537
Fundstellen
BFH, Urteil vom 22.02.2017, I R 2/15, BStBl II 2017 Seite 709
Pressemitteilung Nr. 31 vom 17.05.2017
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 05.02.2014, I R 48/11, siehe Deloitte Tax-News
EuGH, Urteil vom 15.05.2008, C-414/06, BStBl. II 2009, S. 692
EuGH, Urteil vom 17.12.2015, C-388/14, Timac Agro, BStBl. II 2016, 362, siehe Deloitte Tax-News