Zurück zur Übersicht
15.05.2025
Internationales Steuerrecht

BFH: Keine Anwendung des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs bei missbräuchlicher Gestaltung

Erhält eine KGaA Dividenden einer luxemburgischen SARL, die kein am Markt aktives Unternehmen ist und deren einzige Aktivitäten daraus bestehen, Gesellschafterdarlehen zu vereinnahmen und nach von vorneherein geplantem Darlehensverzicht den sich aus dem Verzicht ergebenden außerordentlichen Ertrag an ihren Gesellschafter wieder auszuschütten, kann ein abkommensrechtliches Schachtelprivileg wegen eines Missbrauchs von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO versagt werden.

BFH, Urteil vom 18.12.2024, I R 12-13/21

Sachverhalt

Eine KGaA (Klägerin) ist alleinige Gesellschafterin der G-SARL, eine mit einer deutschen GmbH vergleichbaren Kapitalgesellschaft luxemburgischen Rechts mit Sitz in Luxemburg. Die G-KG ist als persönlich haftende Gesellschafterin der KGaA zu rund 99,7 % am Gewinn und Verlust der KGaA beteiligt.

Die SARL nahm Ausschüttungen an die KGaA vor. Die SARL konnte eine Gewinnausschüttung allerdings nur vornehmen, weil die KGaA auf die Rückzahlung zweier der SARL gewährten Darlehen verzichtet hat und sie die Darlehensverbindlichkeit ertragswirksam auflöste. Die SARL erzielte in den Streitzeiträumen keine eigenen Gewinne am Markt. Nach den Ausschüttungen nahm die KGaA eine Teilwertabschreibung auf die SARL-Beteiligung vor und erzielte beim späteren Verkauf der SARL-Beteiligung einen Veräußerungsverlust.

Nach dem Finanzamt handelte es sich nicht um „echte“ Dividenden im Sinne des einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommens (DBA), die nach dem Schachtelprivileg des Art. 20 Abs. 2 S. 3 i.V.m. S. 1 DBA-Luxemburg 1958/2009 steuerfrei gestellt sind. Hingegen ging das FG zwar im Grundsatz vom Vorliegen einer Dividende nach Art. 20 Abs. 2 S. 3 DBA-Luxemburg 1958/2009 aus, wies die Klage aber dennoch ab. Nach dem FG liegt in der rechtlichen Gestaltung der Darlehensvergabe mit anschließendem Erlass der Darlehensforderung und unmittelbar folgender Gewinnausschüttung ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne von § 42 AO vor.

Entscheidung

Auch der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass die Ausschüttungen der SARL an die KGaA, soweit sie auf den Anteil der G-KG entfallen (99,7%) nur zu 40% nach dem Teileinkünfteverfahren und nicht auch in Höhe der verbleibenden 60% gemäß dem Schachtelprivileg des Art. 20 Abs. 2 S. 3 i.V.m. S. 1 A DBA-Luxemburg 1958/2009 von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuern auszunehmen sind. Die Inanspruchnahme des o.g. Schachtelprivilegs sei aufgrund des Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten gemäß § 42 AO zu versagen.

Zu den Tatbestandsvoraussetzungen des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs

Der BFH stellt zunächst fest, dass zwar die Tatbestandsvoraussetzungen des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs als solche in Bezug auf beide Streitjahre, also 2011 und 2012, erfüllt sind.

  • So erstrecke sich in Bezug auf das Streitjahr 2011 die Freistellung des Ausschüttungsbetrags von der deutschen Besteuerung auf Ebene der KGaA auch auf den Gewinnanteil der G-KG (99,7%) als persönlich haftender Gesellschafterin nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG, obgleich es sich weder bei der G-KG noch bei den im Streitjahr allein an deren Gewinn beteiligten Kommanditisten um Kapitalgesellschaften handelt (vgl. auch BFH-Urteile vom 19.05.2010, I R 62/09 und vom 15.03.2021, I R 1/18).
  • Für die im Streitjahr 2012 vorgenommene Ausschüttung besteht nach dem BFH aufgrund des mit dem Gesetz zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes und von steuerlichen Vorschriften vom 08.05.2012 (BGBl. I 2012, S. 1030) eingefügten § 50d Abs. 11 EStG allerdings eine geänderte Rechtslage.

    Nach § 50d Abs. 11 EStG wird dann, wenn Dividenden beim Zahlungsempfänger nach einem DBA von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen sind, die Freistellung ungeachtet des Abkommens nur insoweit gewährt, als die Dividenden nach deutschem Steuerrecht nicht einer anderen Person zuzurechnen sind (Satz 1). Soweit die Dividenden nach deutschem Steuerrecht einer anderen Person zuzurechnen sind, werden sie bei dieser Person freigestellt, wenn sie bei ihr als Zahlungsempfänger nach Maßgabe des Abkommens freigestellt würden (Satz 2). Mit § 50d Abs. 11 EStG soll erreicht werden, "dass das abkommensrechtliche Schachtelprivileg der Kapitalgesellschaft als Zahlungsempfängerin der Dividenden nur insoweit gewährt wird, als ihr die Dividenden nach deutschem Steuerrecht zuzurechnen sind".

    Ist Empfängerin der Dividenden eine KGaA, bei der eine Mitunternehmerschaft als persönlich haftende Gesellschafterin fungiert, ist § 50d Abs. 11 EStG dahin zu verstehen, dass – ggfs. entgegen dem DBA („Treaty override“) – das Schachtelprivileg nur insoweit zu gewähren ist, als es sich bei den Mitunternehmern um Personen handelt, die das Schachtelprivileg bei einem unmittelbaren Bezug der Dividende in eigener Person in Anspruch nehmen könnten. Da im Streitfall keiner der Gesellschafter der G-KG eine Kapitalgesellschaft ist, wäre nach § 50d Abs. 11 EStG das Schachtelprivileg des DBA-Luxemburg 1958/2009 abkommensüberschreibend auf den Gewinnanteil der KGaA (0,3%) zu beschränken.

Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten

Allerdings versagt der BFH in Bezug auf die beiden Ausschüttungen der SARF die Anwendung des Schachtelprivilegs des Art. 20 Abs. 2 S. 3 i.V.m. S. 1 DBA-Luxemburg 1958/2009 wegen Missbrauchs von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO.

Ein Missbrauch liegt nach § 42 Abs. 2 S. 1 AO vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Der Steueranspruch entsteht beim Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne des Absatzes 2 so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht (§ 42 Abs. 1 S. 3 AO).

Der BFH kommt zu dem Schluss, dass es sich bei der zwischengeschalteten SARL um eine wirtschaftlich weitestgehend funktionslose und nicht am allgemeinen Marktgeschehen teilnehmende, ausschließlich mit dem Zweck der Erlangung des steuerlichen Vorteils des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs für die Gesellschafter der G-KG gegründete und unterhaltene "Basisgesellschaft" gehandelt hat. Die KGaA habe sich der SARL bedient, mit der sie durch mehrere kurzfristig hintereinandergeschaltete Rechtsakte (Gesellschafterdarlehen, Darlehensverzicht, Gewinnausschüttung) „künstlich“ Dividenden erzeugt habe. Wirtschaftlich betrachtet seien die Ausschüttungen als Einlagenrückgewähr zu qualifizieren.

Betroffene Normen

Art. 20 Abs. 2 S. 1 DBA-Lux 1958/2009, § 42 AO

Streitjahre 2011 und 2012

Anmerkungen

Neues DBA-Luxemburg

Am 01.01.20214 ist ein neues DBA-Luxemburg in Kraft getreten ist (BStBl. I 2015, S. 7), welches in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a eine „subject-to-tax“-Klausel enthält, nach der nur noch Einkünfte aus Luxemburg freigestellt sind, die dort auch tatsächlich besteuert wurden.

Offengelassene Fragestellung

In der o.g. Entscheidung hat der BFH die Frage offengelassen, ob durch den zeitlichen Anwendungsbereich von § 50d Abs. 11 EStG gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen wird.

Vorinstanz

Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Urteil vom 10.02.2021, 5 K 197/18

Fundstelle

BFH, Urteil vom 18.12.2024, I R 12-13/21

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 19.05.2010, I R 62/09, BFH/NV 2010, S. 1919

BFH, Urteil vom 15.03.2021, I R 1/18 (NV)

Ihr Ansprechpartner

Denise Käshammer
Senior Manager

dkaeshammer@deloitte.de
Tel.: +4989290368711

Ihr Ansprechpartner

Denise Käshammer
Senior Manager

dkaeshammer@deloitte.de
Tel.: +4989290368711

So werden Sie regelmäßig informiert:
Artikel teilen:
Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen einen bedarfsgerechteren Service bereitstellen zu können. Indem Sie ohne Veränderungen Ihrer Standard-Browser-Einstellung weiterhin diese Seite besuchen, erklären Sie sich mit unserer Verwendung von Cookies einverstanden. Möchten Sie mehr Informationen zu den von uns verwendeten Cookies erhalten und erfahren, wie Sie den Einsatz unserer Cookies unterbinden können, lesen Sie bitte unsere Cookie Notice.