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07.01.2013
Internationales Steuerrecht

BFH: Sperrwirkung eines DBA

Der abkommensrechtliche Grundsatz des dealing at arm's length entfaltet bei verbundenen Unternehmen eine Sperrwirkung gegenüber den sog. Sonderbedingungen, denen beherrschende Unternehmen im Rahmen der Einkommenskorrektur (§ 8 Abs. 3 S. 2 KStG) bei Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung unterworfen sind.

Sachverhalt

Die Klägerin (GmbH) führte im Streitjahr 2004 Speditionsgeschäfte durch. Ihre Anteile wurden zu 100 % von einer niederländischen Kapitalgesellschaft gehalten (D-BV).

Die D-BV machte gegenüber der Klägerin Aufwendungen in Höhe von rund 71.000 Euro geltend. Dieser Rechnung lag ein Vertrag über die konzerninterne Erbringung von Dienstleistungen gegen Kostenumlage zugrunde. Der Vertrag war den Angaben der Klägerin zufolge bereits Ende des Jahres 2003 mündlich geschlossen worden und war Ende 2004 rückwirkend zum 01.01.2004 schriftlich fixiert worden. Die D-BV hatte sich darin gegenüber der Klägerin verpflichtet, eine Reihe verschiedener Dienstleistungen ("Management", "Finance and Control" und "Information & Communication Technology ICT") zu erbringen. Die Leistungen sollten gegenüber der Klägerin jährlich im Nachhinein stunden- und abteilungsweise auf der Grundlage festgelegter Service-Raten abgerechnet werden. Die Service-Raten sollten jährlich auf der Grundlage der budgetierten Kosten der einzelnen Konzern-Abteilungen und unter Hinzurechnung eines allgemeinen, ebenfalls jährlich festzulegenden Aufschlags ermittelt werden, wobei dieser Aufschlag fremdüblich sein sollte ("at arm's length").

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Kostenumlage mangels wirksamer vorheriger Vereinbarung gemäß § 8 Abs. 3 S. 2 KStG 2002 als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) zu behandeln und das Einkommen der Klägerin für das Streitjahr deswegen um rund 71.000 Euro zu erhöhen sei (BMF-Schreiben vom 12.04.2005, Tz. 6.1.1). Die Klage vor dem FG hatte Erfolg.

Entscheidung

Die Revision ist unbegründet. Zwar kann eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender ist und die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn oder an eine ihm nahe stehende Person erbringt, für die es an einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt. Im Streitfall bleiben jedoch die einschlägigen Sonderbedingungen zur Annahme einer vGA zwischen der Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter infolge der abkommensrechtlichen Sperrwirkung des Art. 6 Abs. 1 DBA Niederlande 1959 unanwendbar.

Art. 6 Abs. 1 DBA-Niederlande 1959 entspricht in den hier maßgebenden Passagen weitgehend Art. 9 Abs. 1 OECDMustAbk und enthält - mit § 8 Abs. 3 S. 2 KStG 2002 inhaltlich vergleichbare - Gewinnkorrekturvorschriften für untereinander verbundene Unternehmen ("dealing at arm's length"). Als solche bestimmt die Abkommensvorschrift den Fremdvergleichsmaßstab zwar konstitutiv. Sie erfordert allerdings eine innerstaatliche Rechtsgrundlage, die ihrerseits die Gewinnkorrektur nach Maßgabe des Art. 6 Abs. 1 DBA-Niederlande 1959 ermöglicht; die Regelung dient - als abkommensrechtliche Vorschrift - der Gewinnabgrenzung, nicht aber der (unmittelbaren) Gewinnkorrektur (keine sog. "self executing-Wirkung"). Art. 6 Abs. 1 DBA-Niederlande 1959 legt also nur den "Rahmen" und die abkommensrechtlichen Bedingungen für die vorzunehmenden Gewinnkorrekturen fest. Zugleich kommt der Vorschrift als Ausprägung der sog. Schrankenwirkung des Abkommens begrenzende Wirkung zu: Auch wenn Art. 6 Abs. 1 DBA-Niederlande 1959 Korrekturmöglichkeiten des Anwenderstaates nicht schafft, so "sperrt" sie für ihren Anwendungsbereich doch weitergehende, innerstaatlich zulässige Korrekturmöglichkeiten jenes Staates. Die sog. Sonderbedingungen für beherrschende Gesellschafter scheiden damit als Korrektiv im Rahmen des Fremdvergleichs, der nach Maßgabe von § 8 Abs. 3 S. 2 KStG 2002 als der einschlägigen innerstaatlichen Korrekturvorschrift anzustellen ist, aus.

Die auf dieser Basis vereinbarten oder auferlegten Bedingungen sind an jenen Bedingungen zu "messen", die voneinander unabhängige Unternehmen miteinander vereinbart hätten. Das entspricht zwar im Kern dem Maßstab des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters bei der vGA. Anders als bei § 8 Abs. 3 S. 2 KStG 2002 sind aber nur diejenigen (Sachverhalts-)Umstände einbezogen, welche sich auf die besagten "wirtschaftlichen oder finanziellen Bedingungen" auswirken, also die Angemessenheit (Höhe) des Vereinbarten berühren; eine Gewinnkorrektur, die sich nicht nur auf die Angemessenheit (Höhe) des Vereinbarten erstreckt, sondern - in einem zweistufigen Vorgehen - gleichermaßen auf dessen "Grund" (Üblichkeit, Ernsthaftigkeit), ist den Vergleichsmaßstäben des "dealing at arm's length" fremd.

Da die Angemessenheit der der Klägerin auferlegten Kostenumlage unter den Beteiligten auf der Basis der dazu tatrichterlich getroffenen Feststellungen (zwischenzeitlich) unstreitig ist und sich auch nichts für die gegenteilige Annahme ergibt, ist das Urteil der Vorinstanz zu bestätigen.

Betroffene Norm

Art. 6 Abs. 1 DBA-Niederlande 1959; § 8 Abs. 3 S. 2 KStG 2002

Streitjahr 2004

Anmerkungen

Rechtsprechungsänderung zur Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA

Das Urteil vom 27.02.2019 (I R 73/16 siehe Deloitte Tax-News) zur Rechtsprechungsänderung zur Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA steckt die Reichweite des abkommensrechtlichen Fremdvergleichsgrundsatzes und damit dessen Sperrwirkung neu ab. Nach bisheriger Rechtsprechung erlaubte der abkommensrechtliche Fremdvergleichsgrundsatz lediglich eine Korrektur unangemessener Preise, wobei es nicht auf die Üblichkeit oder Ernsthaftigkeit weiterer Bedingungen der Transaktion ankam. Nach dem neuen Verständnis des BFH geht er nun über eine reine Preisberichtigung hinaus und umfasst alle für den Kaufmann relevanten Bedingungen, wie z.B. die Besicherung. Die Praxis wird sich nun wohl auf Diskussionen mit der Bp über fremdübliche Darlehenskonditionen, wie Laufzeit, Sicherheiten, Währung, Darlehenssumme u.s.w. einstellen müssen.

Begrüßenswert für die Praxis ist allerdings, dass der BFH klarstellt, dass sich die Rechtsprechungsänderung nicht auf die Sperrwirkung von Art. 9 OECD-MA gegenüber Verrechnungspreiskorrekturen erstreckt, die sich auf rein „formale“, innerstaatlich geltende Aspekte stützen, wie z.B. das Nichtvorliegen eines im Voraus unterzeichneten Vertrags (vGA aus formalen Gründen). Insoweit hält der BFH ausdrücklich an seinem hier dargestellten Urteil vom 11.10.2012 (I R 75/11) fest, nach dem die Sonderbedingungen für beherrschende Unternehmen nicht auf grenzüberschreitende Sachverhalte übertragbar sind.

Vorinstanz

Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 31.10.2011, 6 K 179/10, IStR 2012, S. 190

Fundstelle

BFH, Urteil vom 11.10.2012, I R 75/11

Weitere Fundstellen

BMF-Schreiben vom 12.04.2005, BStBl I 2005, S. 570

Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete vom 16.06.1959, BStBl I 1960, S. 381

BFH, Urteil vom 27.02.2019, I R 73/16 siehe Deloitte Tax-News

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