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27.10.2011
Internationales Steuerrecht

BFH: Steuerfreiheit für Private Equity-Engagement in England

Sachverhalt

Strittig ist, ob die Einkünfte der Klägerinnen und Revisionsklägerinnen (Klägerinnen) aus der Beteiligung als sog. institutionelle Anleger an einer in England ansässigen Personengesellschaft - einer Limited Partnership (LP) - in Deutschland steuerfrei sind.

Die Klägerinnen, GmbHs, sind Tochtergesellschaften eines inländischen Finanzdienstleistungsunternehmens. Sie waren im Streitjahr 1998 neben weiteren institutionellen Anlegern aus verschiedenen Staaten als sog. limited partners Gesellschafter der E-LP mit Sitz in London. Für die Einkünfte aus der Beteiligung an der E-LP haben die Klägerinnen in Großbritannien keine Steuererklärungen abgegeben. In Deutschland begehrten sie die gesonderte und einheitliche Feststellung steuerfreier Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Das Finanzamt hingegen stellte ausländische Einkünfte aus Großbritannien fest, für die Deutschland das Besteuerungsrecht zusteht. Die hiergegen gerichtete Klage blieb erfolglos.

Entscheidung

Zu den Einkommen der Klägerinnen gehören auch die Einkünfte aus den Beteiligungen an der E-LP (§ 8 Abs. 1 KStG, i.V.m. § 15 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 EStG). Diese Einkünfte sind jedoch von der Bemessungsgrundlage auszunehmen (Art. XVIII Abs. 2 Buchst. a 1. HS i.V.m. Art. III Abs. 1 S. 2 und Abs. 3 sowie Art. VIII Abs. 2 DBA-GB).

Bei den betreffenden Beteiligungseinkünften der E-LP handelt es sich aus Abkommenssicht nicht um solche vermögensverwaltender Art, für die das Besteuerungsrecht Deutschland zustünde, sondern um solche aus Gewerbebetrieb. Das Besteuerungsrecht für gewerbliche Gewinne eines Unternehmens wird Großbritannien und nicht Deutschland zugewiesen, weil die E-LP als Personengesellschaft ihren im Ausland ansässigen Gesellschaftern (Mitunternehmern) jeweils eine Betriebsstätte vermittelt (Art. III Abs. 1 S. 2 und Abs. 3 DBA-GB).

Diese Besteuerungszuordnung folgt allerdings nicht bereits daraus, dass die E-LP nach Maßgabe des deutschen Steuerrechts als gewerblich geprägt (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 EStG) zu behandeln ist. Denn die fiktive Umqualifikation schlägt auf die abkommensrechtliche Einkunftsqualifikation - entgegen der Annahme der Finanzverwaltung (vgl. BMF-Schreiben vom 16.04.2010, Tz 2.2.1) - nicht durch. Abkommensrechtlich ausschlaggebend ist allein die tatsächlich verwirklichte Einkunftsart (ständige Spruchpraxis, z.B. BFH-Urteile vom 28.04.2010, vom 09.12.2010 und vom 25.05.2011).

Die E-LP hat im Streitjahr unabhängig von ihrer - abkommensrechtlich unbeachtlichen - gewerblichen Prägung "originär" gewerbliche Einkünfte erwirtschaftet. Denn die Vorinstanz ist zu dem (zutreffenden) Ergebnis gelangt, dass die E-LP einen Gewerbebetrieb unterhalten habe und nicht bloß vermögensverwaltend tätig gewesen sei: Die E-LP habe ihre Geschäfte aufgrund eines Managementvertrages einschlägig versierten und gewerblich tätigen Personen übertragen, denen das Betreiben der in Rede stehenden Finanzdienstleistungen durch die britische Aufsichtsbehörde erlaubt worden ist.

Die E-LP hat eine in Großbritannien belegene Betriebsstätte unterhalten, der die gewerblichen Einkünfte zuzurechnen sind. Dass sie dazu die Räumlichkeiten und das Personal einer Managementgesellschaft nutzte, ist unbeachtlich. Ausschlaggebend ist, dass sie mittels der vertraglichen Überantwortung von Aufgaben und dadurch mittels eines entsprechenden sachlichen und personellen "Apparats" in der Lage war, ihrer unternehmerischen Tätigkeit "operativ" nachzugehen, und dass sie infolgedessen Zugriff in Gestalt einer Verfügungsmacht über die fraglichen Räumlichkeiten hatte.

Das Besteuerungsrecht Großbritanniens ist auch nicht an Deutschland zurückgefallen. Der deutsche Gesetzgeber hat mit § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. zwar unilateral die Möglichkeit geschaffen, von der abkommensrechtlich vereinbarten Freistellung der betreffenden Einkünfte dann abzusehen, wenn der andere Vertragsstaat - hier Großbritannien - das Abkommen so anwendet, dass die Einkünfte in diesem Staat von der Besteuerung auszunehmen sind. Dieser Besteuerungsrückfall gelingt aber nur, wenn er auf eine unterschiedliche steuerliche Auslegung des DBA durch beide Vertragsstaaten - einen sog. negativen Qualifikationskonflikt - zurückzuführen ist. Er scheitert indes, wenn Grund für die Nichtbesteuerung im anderen Staat dessen nationales Steuerrecht ist, beispielsweise, weil dieser Staat PE-Engagements steuerlich subventioniert. So verhält es sich aber im Streitfall. Denn hier wurden die Fondseinkünfte aufgrund einer "einseitigen nationalen Maßnahme" des britischen Gesetzgebers "mit Subventionscharakter" nicht besteuert. Die Einkünfte der Klägerinnen aus den Beteiligungen an der E-LP sind daher als steuerfreie ausländische Einkünfte einheitlich und gesondert festzustellen.

Betroffene Norm

§ 15 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 EStG, § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 1 EStG, Art. XVIII Abs. 2 Buchst. a 1. HS i.V.m. Art. III Abs. 1 S. 2 und Abs. 3 DBA GB 1964/1970
Streitjahr 1998

Vorinstanz

Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 11.05.2010, 6 K 285/06, nicht veröffentlicht

Fundstelle

BFH, Urteil vom 24.08.2011, I R 46/10

Weitere Fundstellen

BMF, Schreiben vom 16.04.2010, IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl I 2010, S. 354 BFH, Urteil vom 28.04.2010, I R 81/09, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 09.12.2010, I R 49/09, BStBl II 2011, S. 482, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 25.05.2011, I R 95/10, DStR 2011, S. 1553, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, siehe Deloitte Tax-News

Englische Zusammenfassung

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