BFH: Zeitliche Voraussetzungen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte
Eine feste Geschäftseinrichtung einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte setzt grundsätzlich eine Mindestdauer von sechs Monaten voraus, welche sich insbesondere auch auf die in der Geschäftseinrichtung ausgeübten unternehmerischen Tätigkeit bezieht. Die Frist ist auch dann nicht eingehalten, wenn sie lediglich durch die Abwicklung eines Unternehmens überschritten wird.
BFH, Urteil vom 18.12.2024, I R 39/21
Sachverhalt

Drei in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Personen (Kläger) betrieben über eine Beteiligung an einer britischen Partnership (X) einen Goldhandel. X mietete für den Zeitraum vom 22.10.2007 bis zum 30.04.2008 ein Büro in London an und nahm verschiedene weitere Serviceleistungen (z.B. Sekretariat, Kurierdienst) in Anspruch. Im Zeitraum vom 30.10.2007 bis Mitte Januar 2008 tätigte X Goldgeschäfte.
Die Kläger waren der Auffassung, dass aufgrund einer Betriebsstätte in Großbritannien negative Einkünfte gemäß § 4 Abs. 3 EStG erzielt worden seien, die entsprechend ihrer Beteiligungsquoten zu einem negativen Progressionsvorbehalt führten. Aus Sicht des Finanzamts war keine Betriebsstätte in London anzunehmen. Auch das FG lehnte die Annahme einer Betriebsstätte in London ab, da sich die ausgeübte Geschäftstätigkeit (Goldhandel) sich auf einen Zeitraum von höchstens drei Monaten beschränkt und danach nur noch Hilfstätigkeiten im Zusammenhang mit dem faktisch schon zum Erliegen gekommenen Goldhandelsbetrieb vorgenommen wurden.
Entscheidung
Auch der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass wegen einer fehlenden ausländischen Betriebsstätte in Großbritannien keine Einkünfte vorliegen, die nach einem DBA von der inländischen Bemessungsgrundlage auszunehmen sind.
Zur Mindestdauer von sechs Monaten
Der BFH beruft sich auf seine bisherige Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 28.06.2006, I R 92/05) und bestätigt, dass eine feste Geschäftseinrichtung einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte grundsätzlich das Überschreiten einer Mindestdauer von sechs Monaten voraussetzt. Nach dem BFH bezieht sich die Frist von sechs Monaten nicht nur auf die Dauer der Anmietung des Büroraums, sondern auch auf die unternehmerische Tätigkeit, die in der festen Geschäftseinrichtung ausgeübt wird.
Der BFH stellt auch klar, dass ein Unternehmen, das nur für weniger als sechs Monate existiert, selbst dann keine Ausnahme rechtfertigt, wenn die Tätigkeit dieses Unternehmens vollständig in der ausländischen Geschäftseinrichtung ausgeübt worden sei.
Ebenfalls könne keine Ausnahme vom o.g. Grundsatz damit gerechtfertigt werden, dass die Abwicklung des für kürzere Zeit bestehenden Unternehmens über die 6-Monats-Frist hinausgegangen sei. Abwicklungstätigkeiten tragen nach dem BFH in der Regel nicht mehr zur Verwurzelung des Unternehmens im Betriebsstättenstaat bei, da sie gerade nicht auf einen Verbleib, sondern auf ein Verlassen des Betriebsstättenstaats gerichtet sind.
Anwendung auf den Streitfall
Im Streitfall sei die unternehmerische Tätigkeit (Goldhandel) nicht für eine Dauer von mehr als sechs Monaten geplant gewesen und habe tatsächlich auch vorher geendet. Folglich sei die Mindestdauer von sechs Monaten im Streitfall nicht erfüllt und die Annahme einer Betriebsstätte in Großbritannien damit ausgeschlossen.
Betroffene Normen
Art. 2 Abs. 1 Buchst. l DBA GBR 1964, § 12 AO, Art. 5 OECD-MA
Streitjahr 2007
Anmerkung
Weitere BFH-Entscheidung zur Betriebsstätte
Mit demselben Datum hat der BFH noch eine weitere Entscheidung zu den sachlichen Voraussetzungen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte veröffentlicht (vgl. BFH-Urteil vom 18.12.2024, I R 47/21, siehe Deloitte Tax-News).
Englischsprachiger Beitrag
Zu den beiden Entscheidungen zur abkommensrechtlichen Betriebsstätte (vgl. BFH-Urteile vom 18.12.2024, I R 47/21 und I R 39/21) gibt es auch einen englischsprachiger Beitrag in den German Tax & Legal News.
Vorinstanz
Finanzgericht München, 15.07.2020, 7 K 770/18, EFG 2020, S. 1679
Fundstellen
BFH, Urteil vom 18.12.2024, I R 39/21
BFH, Pressemitteilung vom 02.05.2025, Nr. 26/25
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 18.12.2024, I R 47/21, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 28.06.2006, I R 92/05, BStBl. II 2007, S. 100
