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03.02.2022
Internationales Steuerrecht

BMF: Anwendungsfragen zur Lizenzschranke und Liste schädlicher Präferenzregelungen

Das BMF hat am 27.01.2022 gleich zwei Schreiben zur Lizenzschranke veröffentlicht. Im ersten Schreiben nimmt das BMF zu allgemeinen Anwendungsfragen der Lizenzschranke Stellung. Das BMF äußert sich insbesondere zur Präferenzregelung i.S.d. § 4j Abs. 1 S. 1 EStG, Prüfung der Nexus-Konformität i.S.d. § 4j Abs. 1 S. 4 EStG auf OECD und nationaler Ebene sowie zur Beweislastverteilung. Im zweiten Schreiben listet das BMF auf, welche internationalen Präferenzregelungen in den VZ 2018, 2019 und 2020 von der Lizenzschranke erfasst werden. Hier nimmt das BMF auch erstmalig zu den Kantonalen Spezialgesellschaften der Schweiz Stellung. Das US-FDII Regime wird weiterhin als eine Präferenzregelung aufgeführt, deren Prüfung noch andauert.

Hintergrund

Mit dem Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen vom 27.06.2017 (Anti-Lizenzbox-Gesetz / Lizenzschranke, siehe Deloitte Tax News) hat der Gesetzgeber die Lizenzschranke (§ 4j EStG) ins Einkommensteuergesetz eingeführt. Nach der Lizenzschranke sind Aufwendungen für Rechteüberlassungen beim Schuldner nach Maßgabe des § 4j Abs. 3 EStG nicht oder nur anteilig abziehbar, wenn die Einnahmen des Gläubigers eine von der Regelbesteuerung abweichenden, niedrigen Besteuerung unterliegen (Präferenzregelung) und der Gläubiger eine dem Schuldner nahestehende Person im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG ist (§ 4j Abs. 1 S. 1 EStG). Die Abzugsbeschränkung findet keine Anwendung, soweit die auf die entsprechenden Einnahmen beim Gläubiger angewandte Präferenzregelung dem Nexus-Ansatz der OECD entspricht (§ 4j Abs. 2 S. 4 EStG). Der Nexus-Ansatz wurde in Kapitel vier des Abschlussberichts 2015 zu OECD-BEPS Aktionspunkt 5 definiert (siehe Deloitte Tax-News).

Mit Schreiben vom 19.02.2020 hatte das BMF eine Übersicht internationaler Präferenzregelungen aufgelistet, die im VZ 2018 nicht dem Nexus-Ansatz entsprochen haben (siehe auch Deloitte Tax-News).

Das BMF veröffentlicht am 27.01.2022 nun zwei Schreiben, eins mit Datum vom 05.01.2022 zu den Anwendungsfragen der Lizenzschranke nach § 4j EStG und eins mit Datum vom 06.01.2022 zu internationalen Präferenzregelungen, die in den VZ 2018, 2019 und 2020 von der Lizenzschranke erfasst werden.

BMF-Schreiben vom 05.01.2022 (Anwendungsfragen zur Lizenzschranke)

In diesem Schreiben nimmt das BMF erstmalig zu Anwendungsfragen im Zusammenhang mit der Lizenzschranke Stellung. Im Folgenden werden die wesentlichen Aussagen des BMF im Zusammenhang mit der Regelung des § 4j EStG dargestellt.

I. Präferenzregelung i.S.d. § 4j Abs. 1 S. 1 EStG

Eine Präferenzregelung im Sinne der Lizenzschranke liegt vor, wenn zum einen die Einnahmen des Gläubigers aus der Rechteüberlassung einer von der Regelbesteuerung abweichenden Besteuerung unterliegen (siehe unter I.1.) und zum anderen die auf diese Einnahmen entfallende Ertragsteuerbelastung weniger als 25 % beträgt (siehe unter I 2.).

1. Abweichen von der Regelbesteuerung:

Die tatsächliche Besteuerung der Einnahmen des Gläubigers aus der Rechteüberlassung ist mit der Regelbesteuerung anderer Einkünfte in demselben Staat zu vergleichen. Die Regelbesteuerung als Vergleichsmaßstab ist der reguläre Steuersatz, der auf die Einkünfte einer dem Gläubiger vergleichbaren Rechtspersönlichkeit ohne jede Vergünstigung angewendet werden würde.
Präferenzregelungen müssen nach dem BMF nicht ausschließlich für Einnahmen aus Rechteüberlassungen gelten und sind nicht nur auf sog. IP-Regime beschränkt, sondern können auch Einnahmen oder Einkünfte begünstigen, die über die Einnahmen aus Rechteüberlassungen hinausgehen. Zwingende Voraussetzung ist jedoch, dass auch die Einnahmen aus Rechteüberlassungen von der Präferenzregelung erfasst werden.

Einzelfallbezogene Absprachen zwischen ausländischen Finanzbehörden und Empfängern von Lizenzzahlungen (sog. Tax Rulings), können nach dem BMF ebenfalls die Voraussetzungen einer Präferenzregelung im Sinne der Lizenzschranke erfüllen.

2. Niedrigbesteuerung i.S.d. § 4j Abs. 2 S. 1 EStG

Durch den Verweis auf § 8 Abs. 5 S. 2 und 3 AStG in § 4j Abs. 2 S. 4 EStG kommt es bei der Prüfung der Niedrigbesteuerung nicht auf die rechtlich geschuldete, sondern auf die tatsächlich erhobene und abgeführte Steuer an. Etwaige nachgelagerte Erstattungsansprüche sind folglich ebenfalls einzubeziehen (§ 8 Abs. 5 S. 3 AStG). Zudem sind auch rechtssubjektübergreifende Steuererstattungen zu berücksichtigen, die dem Gesellschafter der die Einnahmen aus der Rechteüberlassung empfangenden Gesellschaft im Fall einer Gewinnausschüttung zustehen (§ 8 Abs. 5 S. 2 AStG).
Werden die Einnahmen für die Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung von Rechten einer anderen Person ganz oder teilweise zugerechnet oder erfolgt die Besteuerung aus anderen Gründen ganz oder teilweise bei einer anderen Person als dem Gläubiger oder dem weiteren Gläubiger, ist auf die Summe der Belastungen abzustellen (§ 4j Abs. 2 S. 3 EStG).

II. Nexus-Konformität i.S.d. § 4j Abs. 1 S. 4 EStG

§ 4j Abs. 1 S. 4 EStG enthält eine Ausnahme von der Abzugsbeschränkung, wenn die angewandte Präferenzregelung dem in Kapitel 4 des Abschlussberichts 2015 zu OECD-BEPS Aktionspunkt 5 definierten Nexus-Ansatz entspricht. Entspricht die Präferenzregelung nicht dem Nexus-Ansatz, ist die Anwendung der Ausnahmeregelung des § 4j Abs. 1 S. 4 EStG auch dann ausgeschlossen, wenn der Gläubiger selbst die Kriterien für eine substanzielle Geschäftstätigkeit erfüllt.

1. Prüfung der Nexus-Konformität durch die OECD

Das Forum on Harmful Tax Practices (FHTP) der OECD analysiert international bestehende Präferenzregime und stuft diese ggf. als Instrument schädlichen Steuerwettbewerbs ein. Die Analysen des FHTB werden im Rahmen von Reviews laufend aktualisiert (siehe Internetseite der OECD). Das FHTP differenziert bei der Prüfung zwischen IP-Regimen, die ausschließlich Lizenzeinnahmen begünstigen und sonstigen Präferenzregimen, die nicht oder nicht ausschließlich für Lizenzeinnahmen gelten.

Die Mitgliedstaaten der OECD haben sich hinsichtlich der als schädlich eingestuften IP-Regime zu einer Abschaffung oder Nexus-konformen Anpassung der Regelungen bis spätestens 30.06.2021 verpflichtet. Im Fall eines Wechsels auf eine Nexus-konformes Regime gewährt die OECD den Staaten einen Bestandsschutz für nicht Nexus-konforme Regelungen. Einen entsprechenden Bestandsschutz für die Anwendung der deutschen Lizenzschranken-Regelung wird vom BMF nicht vorgesehen (vgl. BMF-Schreiben vom 19.02.2020, siehe Deloitte Tax News).

a) IP-Regime:

Soweit es sich um IP-Regime handelt, werden diese vom FHTP hinsichtlich ihrer Nexus-Konformität geprüft. Soweit das FHTP die geprüften IP-Regime als nicht mit dem Nexus-Ansatz vereinbar deklariert, sind die Voraussetzungen des § 4j Abs. 1 S. 4 EStG nicht erfüllt und die Abzugsbeschränkung kommt zur Anwendung.

Nach dem BMF findet die Abzugsbeschränkung nach § 4j Abs. 1 S. 1 EStG auch bei Nexus-konformer Anpassung des jeweiligen IP-Regimes bis zum Ende des Übergangszeitraums am 30.06.2021 Anwendung, soweit die Einnahmen auf Ebene des Gläubigers noch dem nicht Nexus-konformen IP-Regime unterlegen haben.

Das BMF hat mit dem Schreiben mit Datum vom 06.01.2022 eine Arbeitshilfe mit einer nicht abschließenden Liste der vom FHTP als nicht Nexus-konform eingestuften Präferenzregime für die VZ 2018 bis 2020 bereitgestellt (siehe BMF-Schreiben mit Datum vom 06.01.2022).

b) Sonstige Präferenzregime

Vom FHTP als „Sonstige Regelungen“ kategorisierte Präferenzregime werden ebenfalls auf Elemente schädlichen Steuerwettbewerbs analysiert, jedoch im Gegensatz zu reinen IP-Regimen nicht hinsichtlich ihrer Nexus-Konformität geprüft.

Für „Sonstige Regelungen“ besteht ebenfalls die Verpflichtung, diese aufzuheben oder anzupassen, sofern sie vom FHTP als schädlich eingestuft wurden. Werden die beanstandeten Regelungen vor Abschluss der Prüfung aufgehoben, so läuft die Verpflichtung ins Leere.

2. Prüfung der Nexus-Konformität auf nationaler Ebene

Soweit Präferenzregelungen im Sinne der nicht vom FHTP auf ihre Nexus-Konformität geprüft wurden, muss diese Prüfung nach dem BMF im Rahmen des inländischen Besteuerungsverfahrens vorgenommen werden. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn

  • das FHTP das als Präferenzregelung i. S. d. Lizenzschranke anzusehende Präferenzregime als „Sonstige Regelung“ eingestuft hat und deshalb keine Prüfung der Nexus-Konformität erfolgt,
  • das Präferenzregime im Übergangszeitraum bis zum 30.06.2021 aufgehoben oder Nexus-konform angepasst wurde, sodass sich eine Prüfung durch das FHTP erübrigt hat oder eingestellt wurde oder
  • individuelle „Tax Rulings“ vorliegen, die die Voraussetzungen einer Präferenzregelung im Sinne der Lizenzschranke erfüllen.
    Bei zeitgleichem Bestehen sowohl Nexus-konformer als auch nicht Nexus-konformer Präferenzregelungen im gleichen Staat, ist für die Anwendung des § 4j Abs. 1 S. 4 EStG zu prüfen, ob die zum Abzug begehrten Aufwendungen beim Gläubiger tatsächlich dem Nexus-konformen Präferenzregime unterlegen haben.

III. Beweislastverteilung

1. Betriebsausgabenabzug und Abzugsbeschränkung

Die objektive Beweislast für die Höhe und betriebliche Veranlassung der Lizenzaufwendungen trägt der Steuerpflichtige.

Das Vorliegen einer Präferenzregelung i. S. d. § 4j Abs. 1 S. 1 EStG mit daraus grundsätzlich resultierender Abzugsbeschränkung nach § 4j Abs. 3 EStG ist als steuererhöhende Tatsache von der Finanzverwaltung nachzuweisen.

2. Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen

Bei der Prüfung der Abzugsbeschränkung hat der Steuerpflichtige wegen des Vorliegens eines Auslandssachverhalts den erhöhten Mitwirkungs- und Beweisvorsorgepflichten des § 90 Abs. 2 AO nachzukommen und die für die Prüfung im Einzelfall erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen.
Soweit im Staat des Empfängers der Lizenzaufwendungen das Vorliegen einer Präferenzregelung festgestellt wurde, kann nach dem BMF grundsätzlich von deren tatsächlicher Anwendung auf die Lizenzeinnahmen ausgegangen werden. Die Anwendung der Präferenzregelung kann vom Steuerpflichtigen jedoch durch entsprechende Nachweise widerlegt werden.

3. Nachweis der Regelbesteuerung

Der Nachweis, dass eine Lizenzzahlung an einen ausländischen Empfänger keiner Präferenzregelung unterlegen hat, kann grundsätzlich nur durch Vorlage von Unterlagen aus der Buchführung des Gläubigers der Lizenzaufwendungen sowie dem für den Veranlagungszeitraum ergangenen ausländischen Steuerbescheid nebst Berechnungsgrundlagen geführt werden. Das BMF listet eine Reihe von Informationen auf, die sich aus den einzureichenden Unterlagen ergeben müssen.

4. Ausnahme bei Nexus-Konformität der Präferenzregelung

Die Nexus-Konformität als Voraussetzung der Ausnahme in § 4j Abs. 1 S. 4 EStG ist als begünstigende, steuermindernde Tatsache grundsätzlich vom Steuerpflichtigen nachzuweisen. Bei einer durch das FHTP bestätigten Nexus-Konformität einer Präferenzregelung sind die Voraussetzungen des § 4j Abs. 1 S. 4 EStG erfüllt. Es bedarf insoweit keines weiteren Nachweises durch den Steuerpflichtigen.

Bei zeitgleichem Bestehen sowohl Nexus-konformer als auch nicht Nexus-konformer Präferenzregelungen im gleichen Staat, hat der Steuerpflichtige nachzuweisen, dass die Lizenzzahlung der Nexus-konformen Regelung unterlegen hat (z. B. durch eine Bestätigung der ausländischen Finanzbehörde).

Bei Präferenzregelungen, die vom FHTP nicht auf Nexus-Konformität geprüft wurden, hat der Steuerpflichtige den diesbezüglichen Nachweis anhand geeigneter Unterlagen zu erbringen. Erkenntnisse der Finanzverwaltung zur Nexus-Konformität einer Präferenzregelung, die aus vorangegangenen Prüfungen resultieren, sind jedoch zu berücksichtigen. Die Nexus-Konformität einer Präferenzregelung ist insoweit grundsätzlich keine Einzelfallprüfung.

BMF-Schreiben vom 06.01.2022 (Liste schädlicher Präferenzregelungen)

Auf Grundlage der von der OECD abgegebenen Einschätzungen hat das BMF in dem Schreiben vom 06.01.2022 in einer nicht abschließenden Übersicht international bekannte Präferenzregelungen aufgelistet, die in den VZ 2018, 2019 und 2020 nicht dem Nexus-Ansatz entsprechen und nach der Lizenzschrankenregelung als schädliche Regelung anzusehen sind.
In den VZ 2018, 2019 und 2020 an nahestehende Personen geleistete Zahlungen für Rechteüberlassungen, die von diesen Präferenzregelungen profitieren, fallen damit unter die (anteilige) Abzugsbeschränkung der Lizenzschranke. Auch wenn die in der ersten Tabelle aufgeführten Regime zum größten Teil bis 2021 ausgelaufen sind, ist laut BMF die zugrundeliegende Bestandsschutzregelung für die Anwendung des § 4j EStG unbeachtlich. Schädliche Präferenzregelungen für die VZ 2018, 2019 und 2020 finden sich nach dem BMF folglich u.a. in den folgenden Ländern: Barbados, Belgien, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Liechtenstein, Luxemburg, Malta, Niederlande, Portugal, Schweiz (Kanton Nidwalden), Singapur, Spanien, Türkei, Ungarn, Zypern.

Darüber hinaus äußert sich das BMF ausführlich zur Behandlung der kantonalen Spezialgesellschaften der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bei diesen Regelungen handelt es sich nach dem BMF um Präferenzregelungen nach § 4j Abs. 1 S. 1 EStG, die nicht dem Nexus-Ansatz der OECD entsprechen. Da die kantonalen Spezialgesellschaften mit Wirkung zum 01.01.2020 ohne Bestandschutzregelung aufgehoben wurden (Einführung einer einheitlichen und Nexus-konformen Patent Box), sind für die Abzugsbeschränkung nur Aufwendungen i.S.d. § 4j Abs. 1 S. 1 EStG für Überlassungszeiträume bis zum 31.12.2019 relevant.

In einer zweiten Tabelle führt das Schreiben einige Präferenzregelungen auf, deren Prüfung noch andauert. Von der Lizenzschranke grundsätzlich erfasste Zahlungen in derartige Regime sind unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO als abziehbare Betriebsausgabe zu behandeln, bis eine abschließende Prüfung der Nexus-Konformität durch die OECD erfolgt ist und sofern keine Gründe außerhalb von § 4j EStG dem Abzug entgegenstehen. Hervorzuheben ist aus dieser Übersicht die FDII-Regelung der USA (sog, „foreign derived intangible income“), für die eine abschließende Einordnung noch aussteht.

Fundstellen

BMF, Schreiben vom 05.01.2022, Anwendungsfragen zur Lizenzschranke (§ 4j EStG), IV C 2 – S 2144-g/20/10002 :007 

BMF, Schreiben vom 06.01.2022, Nicht Nexus-konforme Präferenzregelungen in den Veranlagungszeiträumen 2018, 2019 und 2020, IV C 2 – S 2144-g/20/10002 :005

Weitere Fundstellen

BMF, Schreiben vom 19.02.2020, Nicht Nexus-konforme Präferenzregelungen im Veranlagungszeitraum 2018, IV C 2 - S 2144-g/17/10002, siehe Deloitte Tax News

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