BMF: Finales Schreiben zum Steueroasen-Abwehrgesetz
Die Finanzverwaltung hat mit Datum vom 14.06.2024 ein finales Schreiben zu den Grundsätzen zur Anwendung des Steueroasen-Abwehrgesetzes veröffentlicht. Das finale Schreiben enthält insbesondere umfangreiche Ausführungen und Beispiele zu den einzelnen Abwehrmaßnahmen des Steueroasen-Abwehrgesetzes.
Hintergrund
Mit dem Steueroasen-Abwehrgesetz (StAbwG) vom 25.06.2021 (BGBl. I 2021, S. 2056, siehe Deloitte Tax-News setzte der deutsche Gesetzgeber die politische Vereinbarung der EU-Mitgliedstaaten um, nach welcher im Rahmen eines koordinierten Verfahrens durch die Schaffung spezifischer Abwehrmaßnahmen gegen Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb vorgegangen werden soll. Die Abwehrmaßnahmen richten sich gegen die Personen und Unternehmen, die Geschäftsbeziehungen mit Unternehmen oder Personen in sog. nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten unterhalten.
Der Rat der EU veröffentlicht zweimal jährlich die EU-Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete (auch EU-Blacklist genannt). Auf der aktuellen EU-Blacklist vom Februar 2024 stehen die folgenden 12 Länder und Gebiete: Amerikanisch-Samoa, Antigua und Barbuda, Anguilla, Fidschi, Guam, Palau, Panama, Russland, Samoa, Trinidad und Tobago, Amerikanische Jungferninseln und Vanuatu (siehe auch Deloitte Tax-News).
Mit Datum vom 30.11.2023 hatte das BMF bereits ein Entwurfsschreiben zu den Grundsätzen des Steueroasen-Abwehrgesetzes veröffentlicht (siehe Deloitte Tax-News). Nun veröffentlichte das BMF mit Datum vom 14.06.2024 das finale Schreiben zu den Grundsätzen der Anwendung des Steueroasen-Abwehrgesetzes.
Gegenüber der Entwurfsversion ergeben sich u.a. folgende Änderungen:
- zu IV. Betroffene Geschäftsvorgänge (Rz. 13-20): Das finale BMF-Schreiben enthält hier weitere Erläuterungen sowie Beispiele auch zu Geschäftsvorgängen einer Personengesellschaft oder Geschäftsvorgänge über eine Betriebsstätte sowie zu mittelbaren Beteiligungen.
- Zu V. 1. Verbot des Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzugs, § 8 StAbwG (Rz. 22f.): Das finale BMF-Schreiben enthält noch zusätzliche Regelungen für Aufwendungen, die aus der Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern resultieren und auch für Dauerschuldverhältnisse.
- Zu V. 3. Quellensteuermaßnahmen, § 10 StAbwG (Rz. 33): Im finalen BMF-Schreiben wurde eine Nichtbeanstandungsregelung aufgenommen. So wird es nicht beanstandet, wenn bereits vor der regelmäßig zum Ende eines Kalenderjahres erfolgenden Aktualisierung des § 2 StAbwV keine Quellensteuern nach § 10 StAbwG bei Geschäftsvorgängen in oder mit Bezug zu nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten einbehalten und abgeführt werden, die nicht mehr in der Anlage I der Schlussfolgerungen des Rates zur überarbeiteten EU-Liste der nicht kooperativen Länder und Gebiete für Steuerzwecke genannt sind.
- Zu V. 6. Gesteigerte Mitwirkungspflichten, § 12 StAbwG (Rz. 89): Das finale BMF-Schreiben enthält weitere Ausführungen zu Konten, die bei Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsinstituten unterhalten werden.
Verwaltungsschreiben
Im Folgenden geben wir einen Überblick über das Schreiben vom 14.06.2024. Änderungen zum Entwurfsschreiben vom 30.11.2023 (siehe Deloitte Tax-News) sind kursiv dargestellt. Das Schreiben gliedert sich in sieben Kapitel:
I. Umsetzung der Maßnahmen der Gruppe Verhaltenskodex (Unternehmensbesteuerung)
II. Nicht kooperative Steuerhoheitsgebiete und Ansässigkeit
III. Anwendungsbereich
IV. Betroffene Geschäftsvorgänge
V. Abwehrmaßnahmen
VI. Verhältnis zu anderen Regelungen
VII. Schlussbestimmungen
Anwendungsbereich
Persönlicher Anwendungsbereich
- Die Vorschriften des StAbwG sind auf natürliche Personen, Körperschaften, Personenvereinigungen i.S.d. § 14a Abs. 2 AO und Vermögensmassen ungeachtet deren steuerlichen Ansässigkeit anzuwenden.
Zeitlicher Anwendungsbereich
- Wird ein Steuerhoheitsgebiet in der StAbwV als nicht kooperatives Steuerhoheitsgebiet genannt, finden die Abwehrmaßnahmen und die gesteigerten Mitwirkungspflichten nach § 12 StAbwG in Bezug auf dieses Steuerhoheitsgebiet ab dem Beginn des Folgejahres des Inkrafttretens der StAbwV Anwendung. Für die Maßnahmen der §§ 8 und 11 StAbwG gelten Ausnahmen, wodurch diese erst zu einem späteren Zeitpunkt Anwendung finden.
- Wird ein zunächst in der StAbwV aufgeführtes nicht kooperatives Steuerhoheitsgebiet aus der StAbwV genommen, werden die Abwehrmaßnahmen in Bezug auf dieses Steuerhoheitsgebiet bereits ab dem 1. Januar dieses Kalenderjahres nicht mehr angewendet.
- Die Abwehrmaßnahme des § 8 StAbwG (Versagung des Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzugs) findet mit Bezug auf ein Steuerhoheitsgebiet erstmals ab dem Beginn des vierten Jahres nach Inkrafttreten derjenigen Fassung der StAbwV Anwendung, die das nicht kooperative Steuerhoheitsgebiet erstmalig aufführt. Für die Abwehrmaßnahme des § 11 StAbwG (Gewinnausschüttungen und Anteilsveräußerungen) gilt dies entsprechend ab dem Beginn des dritten Jahres nach Inkrafttreten der jeweiligen Fassung der StAbwV.
Betroffene Geschäftsvorgänge
- Die Abwehrmaßnahmen knüpfen an die Geschäftsbeziehungen oder Beteiligungsverhältnisse an, die Steuerpflichtige in oder mit Bezug zu einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet (Geschäftsvorgänge) unterhalten. Erfasst werden alle Geschäftsvorgänge, die einen Berührungspunkt zu einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet aufweisen.
- Darüber hinaus erläutert das finale BMF-Schreiben den Begriff und die Voraussetzungen einer Geschäftsbeziehung in oder mit Bezug zu einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet. Das finale BMF-Schreiben enthält auch weitere Beispiele zu den betroffenen Geschäftsvorgängen.
Abwehrmaßnahmen
Verbot des Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzugs (§ 8 StAbwG)
- Nach § 8 S. 1 StAbwG dürfen Aufwendungen aus betroffenen Geschäftsvorgängen (s.o.) die Einkünfte nicht mindern. Auch Aufwendungen für Absetzungen für Abnutzung, Teilwertabschreibungen und Buchwertabgänge von Wirtschaftsgütern des Anlage- und Umlaufvermögens stellen entsprechende Aufwendungen dar.
- Bei Aufwendungen, die aus der Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern (insbesondere Absetzungen für Abnutzung) resultieren, ist für die Frage, ob diese dem Abzugsverbot nach § 8 StAbwG unterfallen, auf den Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung des Wirtschaftsguts abzustellen. War das betreffende Steuerhoheitsgebiet zu diesem Zeitpunkt nicht als nicht kooperatives Steuerhoheitsgebiet in der Verordnung nach § 3 StAbwG aufgeführt, unterfallen auch Aufwendungen in Zeiträumen nach der Aufnahme des Steuerhoheitsgebiets in die Verordnung nicht dem Abzugsverbot nach § 8 StAbwG.
- Bei Schuldverhältnissen, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken und während deren Laufzeit fortwährend Leistungspflichten bestehen oder entstehen (insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen), erstreckt sich der Geschäftsvorgang i. S. d. § 7 StAbwG auf die gesamte Dauer des Schuldverhältnisses. Deshalb kommt es für die Anwendung des § 8 StAbwG nicht auf den Zeitpunkt der Begründung des Schuldverhältnisses, sondern auf den Zeitpunkt der steuerlichen Berücksichtigung der Aufwendungen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten an.
- § 8 S. 1 StAbwG greift nicht, soweit die den Aufwendungen entsprechenden Erträge der unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht nach den Vorschriften des EStG, KStG oder StAbwG unterliegen; § 8 S. 2 Nr. 1 StAbwG greift nicht, wenn bei anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen i.S.d. § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 AStG zwischen dem inländischen Unternehmen und seiner im nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet gelegenen Betriebsstätte die den Aufwendungen korrespondierenden Erträge der unbeschränkten Steuerpflicht nach den o.g. Vorschriften unterliegen.
- Das Abzugsverbot des § 8 S. 1 StAbwG gilt auch nicht, soweit auf Grund der aus den Aufwendungen resultierenden Einnahmen ein Hinzurechnungsbetrag im Sinne des § 10 Abs. 1 S.1 AStG anzusetzen ist. Dies betrifft sowohl die Fälle der Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 und 13 AStG als auch der verschärften Hinzurechnungsbesteuerung nach § 9 StAbwG.
Verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung (§ 9 StAbwG)
- Das finale BMF-Schreiben verweist zur Anwendung der verschärften Hinzurechnungsbesteuerung auf Rn. 201 bis 209 des BMF-Schreibens vom 22.12.2023.
Quellensteuermaßnahmen (§ 10 StAbwG)
- Nach § 10 Abs. 1 S. 1 StAbwG liegen steuerpflichtige Einkünfte derjenigen natürlichen Personen sowie derjenigen Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen vor, die in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässig sind, soweit sie bestimmte Einkünfte erzielen (z.B. aus Finanzierungsbeziehungen). § 10 StAbwG erweitert die Tatbestände der beschränkten Steuerpflicht des § 49 EStG.
- Maßgeblicher Zeitpunkt für die Verwirklichung des Tatbestands des § 10 StAbwG ist der Tag des Zuflusses der Vergütung bei dem in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässigen Vergütungsgläubiger. Auch bei sog. Sperrkonten ist der Zeitpunkt der Gutschrift maßgebend. Kann der Zeitpunkt des Zuflusses der Vergütung beim Vergütungsgläubiger durch den inländischen Vergütungsschuldner nicht bestimmt werden, ist hilfsweise auf den Zeitpunkt des Abflusses der Vergütung beim Vergütungsschuldner abzustellen.
- Der Vergütungsschuldner ist verpflichtet die Steuer beim Bundeszentralamt für Steuern anzumelden und an das BZSt abzuführen. Soweit die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 StAbwG vorliegen, werden die betreffenden Einkünfte einem Steuerabzug in entsprechender Anwendung des Steuerabzugsverfahrens des § 50a EStG unterworfen. Der Steuersatz beträgt einheitlich 15 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag.
- Es wird nicht beanstandet, wenn bereits vor der Aktualisierung des § 2 StAbwV keine Quellensteuern nach § 10 StAbwG bei Geschäftsvorgängen in oder mit Bezug zu nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten einbehalten und abgeführt werden, die nicht mehr in der EU-Liste der nicht kooperativen Länder und Gebiete für Steuerzwecke genannt sind.
- Soweit bereits Einkünfte nach § 49 EStG vorliegen, kommt § 10 StAbwG nicht zur Anwendung.
- Im Schreiben finden sich weitere Ausführungen einschließlich zahlreicher Beispiele zu den einzelnen Tatbeständen des § 10 Abs. 1 S. 1 StAbwG (Finanzierungsbeziehungen, Versicherungs- und Rückversicherungsprämien, Dienstleistungen, Handel mit Waren oder Dienstleistungen, Registerfälle) sowie zu den Rechtsfolgen des § 10 Abs. 2 StAbwG.
Versagung der Steuerbefreiung für Dividenden und Veräußerungsgewinne (§ 11 StAbwG)
- Nach § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StAbwG ist die Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 S. 1 KStG für Gewinnausschüttungen und andere Bezüge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a) EStG ausgeschlossen, die von einer in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässigen Körperschaft geleistet werden.
- § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StAbwG schließt Steuerbefreiungen für Gewinnausschüttungen und andere Bezüge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a) EStG aufgrund von DBA aus, wenn die Vorschriften des DBA mit § 8b Abs. 1 S. 1 KStG vergleichbar sind.
- § 11 Abs. 1 S. 2 StAbwG schließt die Steuerfreiheit nach § 8b Abs. 2 S. 1 KStG und vergleichbare abkommensrechtliche Steuerbefreiungen für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer Körperschaft oder Personenvereinigung, deren Leistungen beim Empfänger oder bei der Empfängerin zu Bezügen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a) EStG führen, aus.
- Die Regelungen zur Abgeltungsteuer und zum Teileinkünfteverfahren sind gem. § 11 Abs. 2 StAbwG auf Einkünfte i.S.d. § 11 Abs. 1 StAbwG nicht anzuwenden.
Verhältnis der Abwehrmaßnahmen untereinander
- Bezogen auf den jeweiligen Geschäftsvorgang findet nur eine Abwehrmaßnahme Anwendung.
- 11 StAbwG findet keine Anwendung auf die dort genannten Bezüge oder Gewinne, soweit diese aus Beträgen resultieren, auf die bereits § 8 oder § 10 StAbwG angewendet wurden (§ 11 Abs. 3 StAbwG). Sofern sich im Einzelfall keine eindeutige Verwendungsreihenfolge ergibt, kann aus Gründen der Vereinfachung für die Anwendung des § 11 Abs. 3 StAbwG davon ausgegangen werden, dass diese Beträge vorrangig an den Steuerpflichtigen ausgeschüttet wurden. Die Nachweispflicht des Steuerpflichtigen bleibt hiervon unberührt.
Gesteigerte Mitwirkungspflichten
- Nach § 12 Abs. 1 StAbwG haben Steuerpflichtige, die Geschäftsvorgänge i.S.d. § 7 StAbwG zum nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet unterhalten, über die nach § 90 AO bestehenden Mitwirkungspflichten hinaus eine gesteigerte Mitwirkungspflicht. Diese zusätzlichen Pflichten umfassen insbesondere Aufzeichnungen über die Geschäftsbeziehung, die zugrunde liegenden Verträge, die ausgeübten Funktionen, die Geschäftsstrategien und die Markt- und Wettbewerbsverhältnisse und gelten auch für Geschäftsvorgänge zwischen nicht nahestehenden Personen. Die gesteigerten Mitwirkungspflichten sind nur zu erfüllen, wenn mindestens eine der in §§ 8 bis 11 StAbwG aufgeführten Maßnahmen greift.
- Nach § 12 Abs. 2 S. 2 StAbwG sind die Aufzeichnungen spätestens ein Jahr nach Ablauf des betreffenden Kalenderjahres oder Wirtschaftsjahres zu erstellen und an die örtlich zuständige Finanzbehörde sowie in den Fällen der Verpflichtung zum Country-by-Country Reporting auch an das Bundeszentralamt für Steuern zu übermitteln. Bei einem nicht nur geringfügigen Verletzen der gesteigerten Mitwirkungspflichten werden Zuschläge gemäß § 162 Abs. 4 AO erhoben.
- Darüber hinaus enthält das Schreiben konkrete Anforderungen für Investment oder Spezial-Investmentfonds sowie bzgl. Konten, die bei Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsinstituten unterhalten werden und zu Aufzeichnungen nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StAbwG.
Verhältnis zu anderen Regelungen
Das Schreiben geht in diesem Kapital auf das Verhältnis einzelner Vorschriften des StAbwG zu bestimmten AStG-Vorschriften (§§ 2, 10 und 11 AStG), zu bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen und zu anderen Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzugsverboten (z.B. § 4k EStG) – auch mit Zuhilfenahme zahlreicher Beispiele - ein.
Fundstelle
BMF, Grundsätze zur Anwendung des Steueroasen-Abwehrgesetzes vom 14.06.2024
Anmerkung
Hier finden Sie auch den englischsprachigen Beitrag zu o.g. BMF-Schreiben.
Weitere Fundstellen
BMF, Entwurf eines Schreibens zur Anwendung des Steueroasen-Abwehrgesetzes, siehe Deloitte Tax-News
BMF, Schreiben vom 22.12.2023, BStBl. I 2023, Sondernummer 1, siehe Deloitte Tax-News