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20.01.2022
Internationales Steuerrecht

EU-Kommission: Richtlinienentwurf zur Bekämpfung der missbräuchlichen Nutzung von Briefkastenfirmen („ATAD 3“)

Die EU Kommission legte am 22.12.2021 einen Richtlinienentwurf für eine neue Anti-Steuervermeidungsrichtlinie („ATAD 3“) im Kampf gegen die missbräuchliche Nutzung von Briefkastenfirmen in der EU vor. Nach dem Richtlinienentwurf soll sog. Briefkastengesellschaften, die anhand von bestimmten Kriterien zu identifizieren sind, eine neue Steuererklärungspflicht auferlegt werden. Darüber hinaus sollen Briefkastengesellschaften, die gewisse Substanzvoraussetzungen nicht erfüllen, Steuervergünstigungen verlieren. Die Regelungen des Richtlinienentwurfs sollen bis zum 30.06.2023 in nationales Recht umgesetzt und ab 2024 anzuwenden sein. 

Hintergrund

Wie bereits in der „Mitteilung zur Unternehmensbesteuerung für das 21. Jahrhundert“ vom 18.05.2021 (siehe Deloitte Tax-News) angekündigt, hat die EU Kommission am 22.12.2021 einen Richtlinienentwurf („RL-E“) zur Bekämpfung der missbräuchlichen Nutzung von Briefkastengesellschaften vorgestellt.

Nach dem vorgeschlagenen Entwurf sollen substanzschwachen Unternehmen in der EU, d.h. Unternehmen, die keine oder nur eine minimale Geschäftstätigkeit unterhalten, neue steuerliche Erklärungspflichten auferlegt werden, die es den Steuerbehörden ermöglichen sollen, einfacher feststellen zu können, ob Firmen „lediglich auf dem Papier bestehen“. Darüber hinaus sollen missbräuchlich genutzte Briefkastengesellschaften bestimmte Steuervergünstigungen, die ihnen bislang z.B. aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens zustanden, verlieren. Übergeordnetes Ziel des Richtlinienentwurfs ist wiederum der Kampf gegen Steuervermeidung und -hinterziehung in der EU.

Ebenfalls am 22.12.2021 veröffentlichte die EU Kommission ihren Richtlinienentwurf zur globalen Mindestbesteuerung („Pillar 2“) (siehe Deloitte Tax News).

Inhalt des Richtlinienentwurfs

Nachfolgend wird ein Überblick über den wesentlichen Regelungsinhalt des Richtlinienentwurfs gegeben:

Anwendungsbereich (vgl. auch Art. 2 RL-E)

Der Richtlinienentwurf richtet sich an alle Unternehmen, die für steuerliche Zwecke als in der EU ansässig gelten.

Kriterien zur Identifizierung von Briefkastenfirmen (vgl. auch Art. 6 RL-E)

In einem ersten Schritt werden Unternehmen identifiziert, für die nach bestimmten Kriterien ein Risiko besteht, missbräuchlich als Briefkastengesellschaft (sog. „shell entity“) genutzt zu werden.

Dies sollen nach Art. 6 RL-E vor allem solche Unternehmen sein,

  • deren Einkünfte zu mehr als 75% aus passivem Einkommen (d.h. z.B. aus Zinsen, Lizenzgebühren, Dividenden oder auch aus Beteiligungsveräußerungen, Finanzierungsleasing, unbeweglichem Vermögen, Versicherungs-, Bank- und anderen Finanzgeschäften; vgl. auch Art. 4 RL-E) bestehen; und
  • deren Vermögen (Buchwerte) zu mehr als 60% aus Immobilienvermögen oder nicht betrieblichen Zwecken dienendem beweglichen Vermögen (ausgenommen Barmittel, Anteile und Wertpapiere) besteht, das in den vorangegangenen zwei Jahren außerhalb des Mitgliedstaats des Unternehmens belegen war, oder
  • deren relevanten Einkommen zu mindestens 60% aus grenzüberschreitenden Transaktionen stammt oder über solche ausgezahlt wird; und
  • deren Management in den vorangegangenen zwei Jahren ausgelagert wurde.

Hiervon ausgenommen sollen u.a. börsennotierte Unternehmen, regulierte Finanzunternehmen, Unternehmen mit mindestens fünf Vollzeitbeschäftigten und Unternehmen, die in demselben Mitgliedstaat wie ihre Muttergesellschaft ansässig sind, werden (vgl. Art. 6 Abs.2 RL-E).

Steuererklärungspflichten (vgl. Art. 7 RL-E)

Unternehmen, die die Kriterien nach Art. 6 Abs. 1 RL-E kumulativ erfüllen (und nicht nach Art. 6 Abs. 2 RL-E ausgenommen sind), sollen in jährlichen Steuererklärungen bestimmte Informationen hinsichtlich ihrer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit („indicators of minimum substance“) offenlegen. Diese Substanzindikatoren umfassen nach Art. 7 RL-E:

  • den Besitz oder die exklusive Nutzung von (eigenen) Räumlichkeiten,
  • das Vorhandensein von mind. einem aktiven Bankkonto in der EU,
  • eine Reihe von Merkmalen, welche die Geschäftsführung (z.B. Ansässigkeit in der EU bzw. in der Nähe des Unternehmens, ausreichende Qualifikation und Befugnisse) und die Mitarbeiter betreffen.

Unternehmungen, die erklären, dass sie die o.g. Substanzindikatoren kumulativ erfüllen und dies auch nachweisen können, gelten für das jeweilige Steuerjahr als „nicht-substanzschwach“.

Für Unternehmungen, die in einem ersten Schritt den Nachweis der o.g. Substanzindikatoren nicht erbringen können, besteht über Art. 9 RL-E die Möglichkeit zusätzliche Nachweise vorzulegen (Art Gegenbeweis), z.B. ausführliche Informationen über die wirtschaftlichen, nicht steuerlichen Gründe ihrer Tätigkeit oder eine Klarstellung, dass die Entscheidungen über die wertschöpfenden Tätigkeiten im Mitgliedstaat ihrer steuerlichen Ansässigkeit getroffen werden. Ein erfolgreich geführter Gegenbeweis nach Art. 9 RL-E kann für fünf Jahre anerkannt werden.

Eine weitere Ausnahme von der Steuererklärungspflicht ist auch für Unternehmen vorgesehen, die nachweisen können, dass sich die Steuerschuld ihres wirtschaftlichen Eigentümers oder der Unternehmensgruppe als Ganzes, aufgrund der Existenz/Zwischenschaltung eines Unternehmens, welches die Voraussetzungen nach Art. 6 RL-E erfüllt, nicht reduziert (vgl. Art. 10 RL-E).

Konsequenzen für substanzschwache Gesellschaften (vgl. Art. 11 RL-E)

Für Unternehmen, die im Rahmen des Substanztest (vgl. Ar.t 7 RL-E) als (substanzschwache) Briefkastengesellschaften identifiziert wurden, sollen nach Art. 11 RL-E folgende steuerliche Konsequenzen eintreten:

  • Mitgliedstaaten wenden mit dem Mitgliedstaat der Briefkastenfirmen geschlossene Doppelbesteuerungsabkommen vom Einkommen (und ggf. Kapital) sowie EU-Richtlinien (Mutter-Tochter-Richtlinie und Zins/Lizenz-Richtlinie) nicht an, soweit die betreffenden Begünstigungen die steuerliche Ansässigkeit der Briefkastenfirmen in dem/einem Mitgliedstaat voraussetzen.
  • Mitgliedstaaten, in denen die Gesellschafter der Briefkastengesellschaften ansässig sind, besteuern das relevante Einkommen der Briefkastenfirmen im Einklang mit ihrem nationalen Recht so, als hätten die Gesellschafter dieses selbst erzielt. Im Ansässigkeitsstaat der Briefkastengesellschaften gezahlte Steuern sind dabei zum Abzug zuzulassen, sofern es sich bei dem Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter und bei dem Ansässigkeitsstaat des Zahlungspflichtigen (für Zahlungen an die Briefkastengesellschaft) um einen Mitgliedstaat handelt. Soweit die Gesellschafter nicht in einem Mitgliedstaat ansässig sind, erhebt der Mitgliedstaat des Zahlungspflichtigen im Einklang mit seinem nationalen Recht und ungeachtet etwaiger Abkommen Quellensteuern.
  • Der Mitgliedstaat der Briefkastengesellschaft stellt eine Bescheinigung über die steuerliche Ansässigkeit entweder gar nicht oder nur mit dem Hinweis aus, dass die Gesellschaft keinen Anspruch auf die Vorteile von Doppelbesteuerungsabkommen (und ggfs. Kapital) und EU-Richtlinien (Mutter-Tochter-Richtlinie und Zins/Lizenz-Richtlinie) hat (vgl. Art. 12 RL-E).

Informationsaustausch (vgl. Art. 13 RL-E)

Die EU Mitgliedstaaten sollen über eine entsprechende Anpassung der EU-Amtshilferichtlinie, die in Art. 13 RL-E vorgesehen ist, zum automatischen Austausch von den im Rahmen der o.g. Regelungen erhaltenen Informationen, verpflichtet werden.

Strafen/ Bußgelder (vgl. Art. 14 RL-E)

Es steht den Mitgliedstaaten grundsätzlich frei, Sanktionen bei Verstößen der Unternehmen gegen die o.g. Regelungen festzulegen.

Allerdings ist nach Art. 14 RL-E eine Geldbuße in Höhe von mind. 5% des Jahresumsatzes der Gesellschaft festzusetzen, sofern die Gesellschaft zur Abgabe einer Steuererklärung nach Art. 7 RL-E verpflichtet ist und ihre Erklärung nicht fristgerecht abgibt oder falsche Angaben in ihrer Erklärung macht.

Zeitliche Anwendung

Die neuen Regelungen sollen bis zum 30.06.2023 in nationales Recht umgesetzt werden und ab dem 01.01.2024 von den Mitgliedstaaten anzuwenden sein.

Die EU-RL soll am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft treten.

Ausblick

Die Umsetzung des RL-E bedarf der einstimmigen Annahme des EU-Finanzministerrats.

Die EU Kommission hat bereits angekündigt noch in 2022 einen weiteren Richtlinienentwurf vorzulegen, mit dem auch die missbräuchliche Nutzung von Briefkastenfirmen außerhalb der EU bekämpft werden soll.

Hinweis

Für weitere Informationen, siehe auch einen ausführlichen englischsprachigen Beitrag von Deloitte Luxemburg.

Fundstellen

Europäische Kommission, Proposal for a Council Directive 

Europäische Kommission, Pressemitteilung vom 22.12.2021

Weitere Beiträge

EU Kommission: Mitteilung zur Unternehmensbesteuerung für das 21. Jahrhundert, siehe Deloitte Tax-News

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