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07.04.2022
Internationales Steuerrecht

EuGH: Portugiesische Quellenbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden unionsrechtswidrig

Die portugiesische Regelung, nach der bei Dividenden, die an einen gebietsfremden Investmentfonds gezahlt werden, ein Quellensteuerabzug vorgenommen wird, während Dividenden, die an einen gebietsansässigen Investmentfonds gezahlt werden, von einem solchen Steuerabzug befreit sind, ist europarechtswidrig. 

Sachverhalt

Der Kläger ist ein Organismus für gemeinsame Anlagen (OGA) offenen Typs (also ein Investmentfonds), der nach deutschem Recht gegründet wurde, in Deutschland seinen Sitz hat und nach deutschem Recht auch von der Körperschaftsteuer befreit ist. In den Streitjahren (2015 und 2016) erhielt dieser Dividendenausschüttungen von in Portugal ansässigen Gesellschaften, die mit einer Quellensteuer von 25 % belastet wurden. Nach portugiesischem Recht sind Dividendenzahlungen einer portugiesischen Gesellschaft an einen in Portugal ansässigen OGA, der nach den portugiesischen Rechtsvorschriften gegründet wurde und tätig ist, als körperschaftsteuerfrei zu behandeln. Hingegen wird auf Dividenden, die von einer portugiesischen Gesellschaft an einen gebietsfremden OGA gezahlt werden (und die Einkünfte auch keiner Betriebsstätte in Portugal zugerechnet werden können), eine Quellensteuer von 25 % erhoben. Nach dem DBA zwischen Deutschland und Portugal war lediglich eine Reduktion der Quellensteuer auf 15% möglich.

Folglich machte der OGA geltend, dass für nach den portugiesischen Vorschriften gegründete und tätige OGA eine günstigere steuerliche Regelung als für im (EU-)Ausland gegründete OGA gilt und somit eine rechtswidrige Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit vorliegt.

Die Generalanwältin war in ihren Schlussanträgen vom 06.05.2021 der Auffassung, dass die Kapitalverkehrsfreiheit der portugiesischen Regelung nicht entgegensteht.

Entscheidung

Im Gegensatz zu der Empfehlung der Generalanwältin sieht der EuGH die portugiesische Quellenbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden vor dem Hintergrund der unionsrechtlich gebotenen Kapitalverkehrsfreiheit als nicht gerechtfertigt an.

Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit

Dadurch, dass die portugiesische Regelung bei Dividenden, die an gebietsfremde OGA gezahlt werden, einen Quellensteuerabzug vornimmt und die Möglichkeit einer Befreiung von diesem Quellensteuerabzug gebietsansässigen OGA vorbehält, behandelt sie aus Sicht des EuGH Dividenden, die an gebietsfremde OGA gezahlt werden, schlechter. Eine solche Schlechterbehandlung sei geeignet, zum einen gebietsfremde OGA von Investitionen in Gesellschaften, die in Portugal ansässig sind, und zum anderen in Portugal ansässige Anleger vom Erwerb von Anteilen an gebietsfremden OGA abzuhalten und stelle somit eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar, die nach Art. 63 AEUV grundsätzlich verboten ist (vgl. EuGH-Urteil vom 21.06.2018, C‑480/16, Fidelity Funds u.a.).

Rechtfertigungsgründe für eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit

Die portugiesische Regelung könne dennoch als mit der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar angesehen werden, wenn die sich aus ihr ergebende Ungleichbehandlung entweder Situationen betrifft, die nicht objektiv miteinander vergleichbar sind, oder wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist.

Vorliegen objektiv vergleichbarer Situationen

Aus Sicht des EuGH betrifft die unterschiedliche Behandlung von gebietsansässigen und gebietsfremden OGA durch die portugiesische Regelung jedoch Situationen, die objektiv vergleichbar sind. Denn anhand des Unterscheidungskriteriums dieser nationalen Regelung, mit dem allein auf den Ort abgestellt wird, an dem die OGA ansässig sind, lasse sich zwischen der Situation der gebietsansässigen und der Situation der gebietsfremden OGA objektiv mithin kein Unterschied feststellen. Der EuGH führt auch aus, dass die gebietsfremden OGA auch nicht deshalb in einer objektiv anderen Situation als die gebietsansässigen OGA sind, weil sie nicht der portugiesischen Stempelsteuer und der besonderen Steuer gemäß Art. 88 Abs. 11 des portugiesischen Körperschaftsteuergesetzes unterliegen.

Keine Rechtfertigung durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses

Die unterschiedliche Besteuerung von gebietsansässigen und gebietsfremden OGA ist aus Sicht des EuGH auch nicht durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt (hier: Wahrung der Kohärenz des nationalen Steuersystems oder Gewährleistung einer ausgewogenen Verteilung der Steuerhoheit zwischen den betreffenden Mitgliedstaaten).

Was den Rechtfertigungsgrund „Kohärenz des nationalen Steuersystems“ angeht, hat der EuGH in seiner bisherigen Rechtsprechung klargestellt, dass dieser nur dann herangezogen werden kann, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dem Ausgleich dieses Vorteils durch eine bestimmte steuerliche Belastung nachgewiesen wird (vgl. zuletzt EuGH-Urteil vom 13.11.2019, C‑641/17, College Pension Plan of British Columbia). Die Quellensteuerbefreiung von Dividenden, die an gebietsansässige OGA in Portugal gezahlt werden, sei im vorliegenden Fall aber nicht an die Bedingung geknüpft, dass die OGA die erhaltenen Dividenden weiterleiten und, dass die Besteuerung der Dividenden auf der Ebene der Anteilinhaber es ermögliche, die Befreiung vom Steuerabzug auszugleichen (vgl. zuletzt EuGH-Urteil vom 10.04.2014, C‑190/12, Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company). Somit bestehe zwischen der Quellensteuerbefreiung der an einen gebietsansässigen OGA gezahlten Dividenden und der Besteuerung dieser Dividenden als Einkünfte der Anteilinhaber des OGA kein unmittelbarer Zusammenhang im Sinne der dargestellten Rechtsprechung.

Auch der Rechtfertigungsgrund einer Wahrung der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten liege nicht vor. Auf einen solchen Grund könne sich ein Mitgliedstaat nicht berufen, wenn er sich – wie im vorliegenden Fall – dafür entscheidet, die gebietsansässigen OGA nicht zu besteuern (vgl. EuGH-Urteil vom 21.06.2018, C‑480/16, Fidelity Funds u. a.).

Betroffene Normen

Art. 63 AEUV

Streitjahre 2015 und 2016

Anmerkungen

Weiteres anhängiges Verfahren beim EuGH (C-537/20) zu einer ähnlichen Fragestellung

Beim EuGH ist derzeit noch ein weiteres Verfahren anhängig, in dem es um eine deutsche Regelung (§ 11 Abs. 1 S. 2 InvStG a.F.) geht, der zufolge inländische Spezial-Immobilienfonds mit ausschließlich ausländischen Anlegern von der Körperschaftsteuer befreit sind, während ausländische Spezial-Immobilienfonds mit ausschließlich ausländischen Anlegern hinsichtlich ihrer im Inland erzielten Vermietungseinkünfte der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht unterliegen (vgl. auch BFH, EuGH-Vorlage vom 18.12.2019, I R 33/17).

Beitrag von DT Portugal

Für weitere Informationen, siehe auch den englischsprachigen Beitrag von DT Portugal.

Fundstelle

EuGH, Urteil vom 17.03.2022, Rechtssache C-545/19, AllianzGI-Fonds AEVN

Weitere Fundstellen

EuGH, Schlussanträge der Generalanwältin vom 06.05.2021, Rechtssache C-545/19 

EuGH, Urteil vom 13.11.2019, C‑641/17, College Pension Plan of British Columbia

EuGH, Urteil vom 21.06.2018, C‑480/16, Fidelity Funds u.a.

EuGH, Urteil vom 10.04.2014, C‑190/12, Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company

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