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23.01.2025
Internationales Steuerrecht

EuGH: Quellensteuer bei gebietsfremden Dividendenempfängern

Es ist nicht mit dem EU-Recht vereinbar, wenn Quellensteuer gebietsansässigen Dividendenempfängern in einer Verlustsituation erstattet wird, während gebietsfremden Dividendenempfängern in gleicher Situation keine Erstattung gewährt wird. Eine Regelung der Provinz Bizkaia (Baskenland, Spanien) verstößt gegen die Kapitalverkehrsfreiheit.

EuGH, Urteil vom 19.12.2024, C-601/23 (Credit Suisse Securities)

Sachverhalt

Credit Suisse Securities (Klägerin), eine Gesellschaft mit Sitz im Vereinigten Königreich, hat von einer Gesellschaft mit Sitz im Baskenland, Spanien (Bizkaia) Dividenden unter Einbehalt von Quellensteuer bezogen.

Credit Suisse Securities machte geltend, dass sie im Streitjahr Verluste erlitten habe und daher den als Quellensteuer erhobenen Betrag nicht im Vereinigten Königreich durch Anrechnung auf eine in diesem Staat zu zahlende Steuer zurückerhalten habe. Das Vereinigte Königreich sei auf Basis des spanisch-britischen Doppelbesteuerungsabkommens nicht verpflichtet, die in Spanien einbehaltene Quellensteuer zu erstatten, und gewähre nur im Fall einer positiven Steuerschuld eine Steuergutschrift. Auch in den Folgejahren könne eine solche Gutschrift nicht erfolgen.

Folglich führe die Anwendung des Regionalgesetzes des Provinz Bizkaia (Baskenland, Spanien) zu einer diskriminierenden Behandlung. Denn, während die Quellensteuer bei einer gebietsfremden Gesellschaft als endgültige Steuer ohne Erstattungsmechanismus im Fall von Verlusten dieser Gesellschaft ausgestaltet sei, werde die Quellensteuer bei einer gebietsansässigen Gesellschaft in einer Verlustsituation erstattet.

Die Vorlagefrage lautet (vereinfacht): Verstößt die nationale Regelung der Provinz Bizkaia (Baskenland, Spanien), nach der die erhobenen Quellensteuern auf Dividenden an gebietsansässige Gesellschaften mit laufenden Verlusten erstattet werden, während keine Erstattung erfolgt, wenn die Dividenden von einer gebietsfremden Gesellschaft in gleicher Situation bezogen werden, gegen EU-Recht?

Entscheidung

Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass es gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 AEUV verstößt, wenn eine Kapitalertragsteuer nur Gebietsansässigen mit Verlusten erstattet wird, während Gebietsfremden mit Verlusten im Ausland keine Erstattung gewährt wird.

Beschränkung des freien Kapitalverkehrs

Nach dem EuGH stellt die in Rede stehende Regelung der Provinz Bizkaia (Baskenland, Spanien) eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar, die grundsätzlich nach Art. 62 Abs. 1 AEUV verboten ist. Der EuGH verweist auf seine frühere Rechtsprechung und führt aus, dass eine ungünstigere Behandlung von Dividenden, die an gebietsfremde Gesellschaften gezahlt werden, als von Dividenden, die an gebietsansässige Gesellschaften gezahlt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaften davon abhalten kann, im erstgenannten Mitgliedstaat zu investieren (vgl. auch EuGH-Urteil vom 22.11.2018, C 575/17).

Keine Rechtfertigung der Beschränkung des freien Kapitalverkehrs

Der EuGH führt weiter aus, dass die Ungleichbehandlung objektiv vergleichbare Situationen betrifft. Die in Rede stehende Regelung könne auch nicht mit der Effizienz der Steuerbeitreibung gerechtfertigt werden.

Auch lasse sich die in Rede stehende Regelung nicht mit der Notwendigkeit rechtfertigen, die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren und die Gefahr einer doppelten Verlustberücksichtigung zu vermeiden (vgl. auch EuGH-Urteil vom 29.07.2024, C-39/22, Rn. 73). Der EuGH weist in diesem Zusammenhang daraufhin, dass ein etwaiger Aufschub der Besteuerung der von einer defizitären gebietsfremden Gesellschaft bezogenen Dividenden nicht bedeutet, dass die Provinz Bizkaia auf ihr Recht zur Besteuerung in ihrem Hoheitsgebiet erzielter Einkünfte verzichten müsste. Die von einer gebietsansässigen Gesellschaft ausgeschütteten Dividenden würden nämlich besteuert, sobald die gebietsfremde Gesellschaft in einem späteren Geschäftsjahr Gewinn erzielt, wie dies bei einer gebietsansässigen Gesellschaft, die eine ähnliche Entwicklung durchläuft, der Fall sei. Außerdem könne der Verlust von Steuereinnahmen im Zusammenhang mit der Besteuerung der von gebietsfremden Gesellschaften bezogenen Dividenden im Fall eines Verlustjahrs nicht die unmittelbare und endgültige Besteuerung der von diesen Gesellschaften in einem solchen Fall bezogenen Dividenden rechtfertigen, während solche Verluste hingenommen werden, wenn in Bizkaia besteuerte gebietsansässige Gesellschaften betroffen seien.

Des Weiteren könne die in Rede stehende Regelung auch nicht mit der Notwendigkeit gerechtfertigt werden, die Kohärenz des nationalen Steuersystems zu wahren. Nach ständiger Rechtsprechung könne ein Argument, das auf die Notwendigkeit, die Kohärenz des nationalen Steuersystems zu wahren, gestützt wird, nur dann Erfolg haben, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung bestehe (vgl. EuGH-Urteil vom 21.12.2023, C 340/22, Rn. 55). Insoweit sei jedoch darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Fall die in Bizkaia der Körperschaftsteuer unterliegenden gebietsansässigen Gesellschaften, die sich in einer Verlustsituation befinden und denen die Quellensteuer auf bezogene Dividenden erstattet wird, nicht als Ausgleich für diese Erstattung einer bestimmten steuerlichen Belastung unterliegen.

Betroffene Normen

Regionalgesetz 11/2013 (Provinz Bizkaia, Baskenland, Spanien)

Streitjahr 2017

Anmerkungen

Praxishinweis

Das o.g. Urteil sollte auch für die deutsche Rechtslage relevant sein, zumal der EuGH damit das frühere Urteil vom 22.11.2018, C-575/17, in der Rechtssache Sofina bestätigt. In geeigneten Fällen, in denen beispielsweise ein beschränkt Steuerpflichtiger in seinem Ansässigkeitsstaat Verluste erwirtschaftet und aus Deutschland Dividenden erzielt und nicht bereits aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens oder der EU-Mutter-Tochter-Richtlinie eine vollständige Erstattung der einbehaltenen Quellensteuer erhält, könnte ein Antrag auf vollständige Erstattung der Quellensteuer in Betracht kommen.

Englischsprachiger Beitrag

Für weitere Informationen, siehe auch den englischsprachigen Beitrag von DT Spanien zum Urteil.

Fundstellen

EuGH, Urteil vom 19.12.2024, C‑601/23

Weitere Fundstellen

EuGH, Urteil vom 22.11.2018, C 575/17 (Sofina), BB 2018, S. 2901

EuGH, Urteil vom 29.07.2024, C-39/22 (Keva), FR 2024, S. 1156

EuGH, Urteil vom 21.12.2023, C 340/22 (Cofidis)

Ihr Ansprechpartner

Denise Käshammer
Senior Manager

dkaeshammer@deloitte.de
Tel.: +4989290368711

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