FG Hamburg: Keine Sperrwirkung durch DBA für Hinzurechnung wegen Gewinnminderung aus Teilwertabschreibung
Aktuell: Nach dem BFH-Urteil vom 19.02.2020, I R 19/17, beschränkt Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk den Korrekturbereich des § 1 Abs. 1 AStG nicht auf sog. Preisberichtigungen, sondern ermöglicht auch die Neutralisierung der gewinnmindernden Ausbuchung einer Darlehens- und Zinsforderung oder einer Teilwertabschreibung hierauf (Bestätigung des BFH-Urteils vom 27.02.2019, I R 73/16, BStBl. II 2019, S. 394, siehe Deloitte Tax-News).
BFH, Urteil vom 19.02.2020, I R 19/17
FG Hamburg (Vorinstanz):
Der im Hinblick auf eine Wertberichtigung von Darlehensforderungen durchgeführten außerbilanziellen Hinzurechnung gem. § 8b Abs. 3 S. 4 KStG steht Art. 9 Abs. 1 DBA-Türkei und der darin enthaltene Grundsatz des „dealing at arm’s length“ nicht entgegen (Abgrenzung zu den zu § 1 AStG ergangenen und diesbezüglich nicht übertragbaren BFH-Urteilen vom 17.12.2014, I R 23/13 und vom 24.06.2015, I R 29/14).
Sachverhalt
Die Klägerin, eine KG, gründete 2010 die D, eine türkische 100%ige Tochtergesellschaft, der sie ein Darlehen gewährte. Zum 31.12.2011 nahm die Klägerin, nach Liquidation der D, eine Teilwertabschreibung auf das Darlehen vor. Strittig war, ob diese Teilwertabschreibung ggf. unter Berücksichtigung eines Rückhalts im Konzern gerechtfertigt und ob die Wertberichtigung auf der Grundlage von § 8b Abs. 3 S. 4 bis 7 KStG oder § 1 Abs. 1 AStG wieder außerbilanziell hinzuzurechnen war. Das Finanzamt war der Auffassung, dass die von der Klägerin vorgenommene Teilwertabschreibung nicht anzuerkennen bzw. außerbilanziell wieder hinzuzurechnen sei.
Entscheidung
Die vom Finanzamt vorgenommene außerbilanzielle Hinzurechnung der vorgenommenen Teilwertabschreibung sei rechtmäßig.
Grundsätzlich hätten die Voraussetzungen einer Teilwertabschreibung vorgelegen. Insbesondere schließe der Konzernrückhalt eine Teilwertabschreibung auf Forderungen gegen eine Tochtergesellschaft nicht aus (vgl. BFH-Urteil vom 24.06.2015, entgegen BMF-Schreiben vom 29.03.2011). Die Klägerin hätte aufgrund der zum Bilanzstichtag vorliegenden objektiven Umstände nicht von einer Werthaltigkeit ihrer Forderung gegenüber der D ausgehen und auch im Rahmen der Liquidation nicht mit Veräußerungserlösen rechnen können.
Allerdings habe das Finanzamt diese Gewinnminderung zu Recht gem. § 8b Abs. 3 S. 3 und 4 i.V.m. § 8b Abs. 6 KStG außerbilanziell wieder hinzugerechnet.
Es könne (zunächst) dahinstehen, ob die Hinzurechnung der Teilwertabschreibung auch auf der Grundlage von § 1 AStG gestützt werden könnte, denn nach § 1 Abs. 1 S. 3 AStG ist § 8b Abs. 3 KStG gegenüber § 1 AStG vorrangig.
Gemäß § 8b Abs. 3 S. 3 und 4 KStG lägen die Voraussetzungen für die fehlende Berücksichtigung der Gewinnminderung bei der Ermittlung des Einkommens dem Grunde nach vor. § 8b Abs. 3 S. 4 KStG ergänze in diesem Zusammenhang den generellen Abzugsausschluss nach § 8b Abs. 3 S. 3 KStG erkennbar zu dem Zweck, dessen Umgehung mittels eines Gesellschafterdarlehens zu verhindern (vgl. BFH-Urteil vom 12.03.2014). Auch scheide eine Ausnahme vom Abzugsverbot im Streitfall mangels erfolgreichen Fremdvergleichs nach § 8b Abs. 3 S. 6 KStG aus.
Der durchgeführten Einkünftekorrektur stehe auch Art. 9 Abs. 1 DBA-Türkei und der darin enthaltene Grundsatz des „dealing at arm’s length“ des Art. 9 Abs. 1 OECD MA nicht entgegen. Zu § 1 AStG hat der BFH mit zwei Entscheidungen vom 17.12.2014 und vom 24.06.2015 (beachte aber BMF-Nichtanwendungserlass vom 30.03.2016) entschieden, dass der abkommensrechtliche Grundsatz des "dealing at arm`s length" nach Art. 9 Abs. 1 OECD MA eine Einkünftekorrektur nach nationalen Vorschriften der Vertragsstaaten nur dann ermögliche, wenn der zwischen den verbundenen Unternehmen vereinbarte Preis seiner Höhe, also seiner Angemessenheit nach dem Fremdvergleichsmaßstab nicht standhalte. Er ermögliche indessen nicht die Korrektur einer Abschreibung, die auf den Teilwert der Forderung auf Rückzahlung der Darlehensvaluta und auf Zinsrückstände vorzunehmen ist, weil die inländische Muttergesellschaft das Darlehen ihrer ausländischen Tochtergesellschaft in fremdunüblicher Weise ungesichert gegeben hat. Insoweit scheitere eine nationale Korrektur der Teilwertabschreibung nach § 1 AStG an der Sperrwirkung von Art. 9 Abs. 1 OECD MA (bzw. dem Art. 9 Abs. 1 OECD MA entsprechenden DBA-Klauseln).
Diese zu § 1 AStG ergangene BFH-Rechtsprechung sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. Art. 9 Abs. 1 DBA-Türkei entfalte vielmehr keine Sperrwirkung für die Hinzurechnung nach § 8b Abs. 3 S. 4 bis 7 KStG, da letztere eine andere Zielrichtung habe. Während § 1 AStG den Fremdvergleichsmaßstab bei grenzüberschreitenden Sachverhalten zu bestimmen versuche, handele es sich bei § 8b Abs. 3 KStG um eine unilaterale Missbrauchsvermeidungsnorm, in der der Fremdvergleichsmaßstab nur einen Teilaspekt darstelle, der lediglich die Exkulpation durch Drittvergleich ermögliche (vgl. FG Münster, Urteil vom 17.08.2016).
Betroffene Norm
§ 8b Abs. 3 S. 3 und 4 KStG
Streitjahr 2011
Fundstellen
BFH, Urteil vom 19.02.2020, I R 19/17, lt. BMF zur Veröffentlichung im BStBl. II vorgesehen
Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 09.02.2017, 5 K 9/15, EFG 2017, 763
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 24.06.2015, I R 29/14, BStBl. II 2016, S. 258, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 17.12.2014, I R 23/13, BStBl. II 2016, S. 261, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 12.03.2014, I R 87/12, BStBl II 2014, S. 859, siehe Deloitte Tax-News
FG, Urteil vom 17.08.2016, 10 K 2301/13 K, EFG 2016, S. 1810
BMF, Schreiben vom 30.03.2016, IV B 5 -S 1341/11/10004-07, BStBl. I 2016, S. 455
BMF, Schreiben vom 29.03.2011, IV B 5-S 1341/09/10004, BStBl. I 2011, S. 277