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23.08.2017
Internationales Steuerrecht

FG Köln: Bilaterale Betriebsprüfung zur Überprüfung von Verrechnungspreisen

 Eine bilaterale Betriebsprüfung ist auch ohne Zustimmung des Steuerpflichtigen zulässig, wenn die Erkenntnisse aus einer solchen Betriebsprüfung für die Besteuerung voraussichtlich erheblich sind und die deutsche Finanzbehörde ihre Ermittlungsmöglichkeiten im Inland ausgeschöpft hat.

Sachverhalt

 Die Antragstellerin (A), eine in Deutschland ansässige GmbH, ist eine Tochtergesellschaft der in den Niederlanden ansässigen Muttergesellschaft (M). A hat in mehreren Staaten – u.a. in Hongkong – Schwestergesellschaften. M kauft Waren bei ihrer Tochtergesellschaft in Hongkong ein und verkauft diese an A weiter. Im Rahmen einer Betriebsprüfung, die sich u.a. mit der Gestaltung der Verrechnungspreise befasste, hat das Prüfungsfinanzamt mehrmals bei A Bilanzunterlagen ihrer Schwestergesellschaft in Hongkong angefordert. A kam dieser Aufforderung mit der Begründung, keinen Zugriff auf die Unterlagen zu haben, nicht nach.

Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) teilte A mit, dass beabsichtigt sei, der Finanzverwaltung der Niederlande eine gleichzeitige BP bei A und M vorzuschlagen. Daraufhin stellte A einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 114 FGO mit dem Ziel, eine gleichzeitige Betriebsprüfung mit der Finanzverwaltung der Niederlande zu unterbinden.

Entscheidung

 Das FG hat entschieden, dass der Antrag unbegründet sei. A habe keinen Anordnungsanspruch, dem BZSt zu untersagen, mit der Finanzverwaltung der Niederlande eine bilaterale Betriebsprüfung zu vereinbaren und die notwendigen Informationen zu übersenden.

Ein Anordnungsanspruch ergebe sich nicht aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB analog i.V.m. § 30 AO im Hinblick auf die Weiterleitung von Informationen zur Vorbereitung und Vereinbarung einer gleichzeitigen Betriebsprüfung, da A eine entsprechende Informationsweitergabe gem. § 1004 Abs. 2 BGB zu dulden habe. Das Steuergeheimnis stehe einer Informationsweitergabe gem. § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO nicht entgegen, da die Voraussetzungen für die Vereinbarung einer gleichzeitigen Prüfung gem. § 12 EUAHiG vorliegen (vgl. § 117 Abs. 1 u. 2 AO i.V.m. § 12 EUAHiG).

Nach § 12 Abs. 1 EUAHiG könne auf Vorschlag einer Finanzbehörde das zentrale Verbindungsbüro (im vorliegenden Fall das BZSt) mit einem oder mehreren Mitgliedsstaaten vereinbaren, im jeweils eigenen Hoheitsgebiet eine gleichzeitige Prüfung einer oder mehrerer Personen von gemeinsamem oder ergänzendem Interesse durchzuführen.

Amtshilfeersuchen deutscher Finanzbehörden an ausländische Behörden stehen im Ermessen der deutschen Finanzverwaltung. Grundsätzlich müsse die begehrte Auskunft für Zwecke der deutschen Besteuerung erforderlich sein (vgl. § 111 Abs. 1 AO u. § 6 Abs. 1 S. 2 EUAHiG). Nach Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH-Urteil vom 16.05.2017) setze ein Informationsersuchen eines Mitgliedstaates an einen anderen Mitgliedstaat voraus, dass die begehrte Information für eine Besteuerung im ersuchenden Staat „voraussichtlich erheblich ist“. Das Tatbestandsmerkmal der „voraussichtlichen Erheblichkeit“ erfordere, dass zum Zeitpunkt des Ersuchens und der Informationsweitergabe eine vernünftige Möglichkeit aus Sicht des ersuchenden Vertragsstaates bestehe, dass die begehrte Information für steuerliche Zwecke relevant sein werde (vgl. auch FG Köln, Beschluss vom 07.09.2015). Unerheblich sei, ob die Informationen nach ihrer Übermittlung tatsächlich relevant seien.

Die Frage der Angemessenheit von Verrechnungspreisen zwischen A und im Ausland ansässigen Schwestergesellschaften sei für die Besteuerung in Deutschland erheblich.

Zwar seien gem. § 6 Abs. 3 EUAHiG Amtshilfeersuchen gegenüber anderen Mitgliedsstaaten subsidiär, allerdings habe die Betriebsprüfung im Hinblick auf die angeforderten Bilanzunterlagen sämtliche nach der AO vorgesehenen Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft, ohne Einblick in die entsprechenden Daten der ausländischen Schwestergesellschaft zu erhalten. Auch die Zustimmung von A zur Durchführung einer gleichzeitigen Betriebsprüfung sei nicht notwendig.

Betroffene Normen

 § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO, §§ 6, 12 EUAHiG
Streitjahr 2016

Anmerkung

Das BMF hat mit Schreiben vom 06.01.2017 ein Merkblatt über koordinierte Außenprüfungen mit Steuerverwaltungen anderer Staaten und Gebiete herausgegeben, in dem insbesondere die rechtlichen Grundlagen für solche Außenprüfungen dargestellt, als auch deren praktische Durchführung erläutert werden (siehe Deloitte Tax-News).

Fundstelle

 Finanzgericht Köln, Beschluss vom 23.05.2017, 2 V 2498/16

Weitere Fundstellen

 EuGH, Urteil vom 16.05.2017, C-682/15, NWB 2017, S. 1718
Finanzgericht Köln, Beschluss vom 07.09.2015, 2 V 1375/15, EFG 2015, S. 1769
BMF, Schreiben vom 06.01.2017, IV B 6 – S 1315/16/10016:002, BStBl. I 2017, S. 89

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