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11.03.2021
Internationales Steuerrecht

FG München: Rechtstypenvergleich zwischen ausländischen und deutschen Gesellschaftsformen

Muss der Gesellschafter einer US-amerikanischen LLC bei der Gesellschaftsgründung kein Stammkapital einlegen, so ist dies kein gewichtiges Indiz dafür, die ausländische Gesellschaft im Inland als Personengesellschaft zu behandeln. Denn auch bei deutschen Kapitalgesellschaften in Form von Unternehmergesellschaften (§ 5a GmbHG) ist es nicht erforderlich, nennenswertes Eigenkapital zuzuführen. Wegen der großen zivilrechtlichen Freiheit nach dem Recht der US-Bundesstaaten kann der erforderliche Typenvergleich zur Qualifizierung einer LLC als Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft nach deutschem Recht nicht einheitlich erfolgen. Es ist vielmehr eine Einzelprüfung erforderlich. 

Sachverhalt

Die Antragstellerin ist eine nach dem Recht des US-Bundestaates Colorado gegründete Gesellschaft in der Rechtsform der Limited Liability Company (LLC). Steuerlich handelt es sich nach dem US-Recht um eine transparente Gesellschaft. Der an ihr beteiligter Alleingesellschafter- und Geschäftsführer (A) verlegte seinen Wohnsitz von Denver nach Deutschland. Die LLC überwies in 2019 einen großen Geldbetrag auf ein privates Bankkonto des A und erklärte aufgrund der Auszahlung Kapitalertragsteuer.

Später legte die Antragstellerin gegen die Steueranmeldung bzw. Festsetzung der Kapitalertragsteuer Einspruch ein und begehrte die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Sie ist der Auffassung, dass eine LLC nach deutschem Recht als Personengesellschaft anzusehen ist und es sich bei der Auszahlung des Geldbetrages demnach nicht um eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) handelt, sondern um eine steuerfreie Entnahme. Das Finanzamt lehnte den Antrag auf AdV ab, über den Einspruch wurde bisher noch nicht entschieden.  

Entscheidung

Auch das FG wies den Antrag auf AdV ab, da es keine Zweifel gebe, dass eine nach dem Recht des US-Bundestaates Colorado gegründete LLC aus Sicht des deutschen Rechts eine Kapitalgesellschaft ist und es sich demnach um ausgeschüttete Kapitalerträge handelt, die der Kapitalertragsteuer nach § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG unterliegen.

Rechtstypenvergleich

Die Entscheidung, ob eine ausländische Gesellschaft eine Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft ist, richtet sich ausschließlich nach deutschem Recht. Nach der ständigen Rechtsprechung ist entscheidend, ob die ausländische Gesellschaft nach ihrem im Ausland geregelten Aufbau und ihrer wirtschaftlichen Gestaltung einer inländischen Personalgesellschaft oder einer Kapitalgesellschaft entspricht (vgl. BFH-Urteil vom 14.03.2007, XI R 15/05; BFH-Urteil vom 25.05.2011, I R 95/10; BFH-Urteil vom 04.04.2007, I R 110/05).

Einzelfallprüfung wegen zivilrechtlicher Freiheiten der US-Bundestaaten

Nach dem FG kann ein Typenvergleich einer US-amerikanische LLC aufgrund der großen zivilrechtlichen Freiheit nach dem Recht der Bundestaaten der Vereinigten Staaten von Amerika nicht einheitlich erfolgen. Vielmehr ist eine Einzelfallprüfung erforderlich. Entscheidend ist die Gesamtwürdigung der maßgebenden ausländischen Bestimmungen über die Organisation und Struktur der Gesellschaft. Auf die steuerliche Behandlung im Ausland kommt es nicht an. 

Demnach kann die LLC im Streitfall nach deutschem Recht auch als Kapitalgesellschaft klassifiziert werden, obwohl sie in den USA für Zwecke der Einkommensteuer transparent behandelt wird.

Beurteilungsmerkmale nach Auffassung der Finanzverwaltung

Nach der BFH-Rechtsprechung (vgl. BFH-Beschluss vom 20.08.2008, I R 34/08 und BFH-Urteil vom 11.10.2017, I R 42/15), der sich auch die Finanzverwaltung angeschlossen hat (vgl. BMF-Schreiben vom 19.03.2004 und BMF-Schreiben vom 26.09.2014, Rn. 1.2) sind bei einem Typenvergleich insbesondere diese Merkmale zu würdigen: 

  • Zentralisierte Geschäftsführung und Vertretung
  • Beschränkte Haftung
  • Freie Übertragbarkeit der Anteile
  • Gewinnzuteilung (durch Gesellschafterbeschluss)
  • Gewinnverteilung und Kapitalaufbringung
  • Unbegrenzte Lebensdauer der Gesellschaft
  • Formale Gründungsvoraussetzungen
  • Keine Indizwirkung für eine Personengesellschaft bei fehlender Beitragspflicht bei Gründung einer LLC

Umstritten war im Urteilsfall insbesondere die Würdigung des Merkmals „Kapitalaufbringung“.

Im Streitfall ergab sich aus dem Gesellschaftsvertrag der Antragstellerin, dass zum Zeitpunkt der Gründung keine Einlage zu leisten war. Zudem war nicht ersichtlich, ob sich eine spätere Einlagepflicht aus den Büchern der Antragstellerin ergibt. Das FG unterstellt – zugunsten der Antragstellerin –, dass keine spätere Einlagepflicht bestand.

Nach früherer BFH-Rechtsprechung war eine fehlende Pflicht, eine Kapitaleinlage zu leisten, als Indiz für eine Personengesellschaft zu werten. Das FG München hat nun über ein Streitjahr nach Einführung der Unternehmergesellschaft (§ 5a GmbHG, geltend mit Wirkung ab 1. 11. 2008) entschieden. Nach dem danach geltenden Recht ist es auch in Deutschland möglich, Kapitalgesellschaften ohne nennenswertes Eigenkapital zu gründen.

Bei Gesamtwürdigung aller o.g. Merkmale hält das FG trotz der fehlenden Beitragspflicht bei Gründung der LLC nach dem Recht des US-Bundestaates Colorado diese mit einer Kapitalgesellschaft für vergleichbar. Im Ergebnis sieht das FG also in der fehlenden Pflicht, bei Neugründung Eigenkapital einzulegen keine wesentliche Indizwirkung für eine Personengesellschaft oder eines Einzelunternehmens, da auch bei einer Unternehmergesellschaft (§ 5a GmbHG) kein gewichtiges Stammkapital aufgebracht werden muss.

Betroffene Normen

​§ 5a GmbHG

​Streitjahr 2019

Anmerkung

Das FG hat soweit ersichtlich erstmals zu einem Fall nach Einführung der Unternehmergesellschaft (§ 5a GmbHG), für die eine Eigenkapitalausstattung nur noch in Grenzen erforderlich ist, entschieden und im Hinblick darauf auch die Beschwerde an den BFH zugelassen (I B 76/20).

Fundstelle

Finanzgericht München, Beschluss vom 10.11.2020, 6 V 1784/20, BFH-anhängig: I B 76/20  

Parallelentscheidung: Finanzgericht München, Beschluss vom 10.11.2020, 6 V 1783/20

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 14.03.2007, XI R 15/05, BStBl II 2007, S. 924

BFH, Urteil vom 25.05.2011, I R 95/10 BStBl II 2014, S. 760, siehe Deloitte-Tax News 

BFH, Urteil vom 04.04.2007, I R 110/05, BStBl II 2007, S. 521

BFH, Beschluss vom 20.08.2008, I R 34/08, BStBl II 2009, S. 263

BFH, Urteil vom 11.10.2017, I R 42/15, BFH/NV 2018, S. 616

BMF, Schreiben vom 19.03.2004, BStBl I 2004, S. 411

BMF, Schreiben vom 26.09.2014, BStBl. I 2014, S. 1258

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