FG München: Schachtelstrafe bei Gewinnkorrekturen nach Verständigungsverfahren
Eine aus einem internationalen Verständigungsverfahren resultierende Gewinnminderung einer inländischen Muttergesellschaft für Überpreislieferungen an eine ausländische Tochtergesellschaft führt zu einer verdeckten Gewinnausschüttung und in der Folge zu nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben im Sinne des § 8b Abs. 5 KStG. Die Anwendung von § 8b Abs. 5 KStG wird nicht durch das EU-Schiedsübereinkommen gesperrt.
FG München, Gerichtsbescheid vom 22.05.2023, 7 K 2545/19; BFH-anhängig: I R 39/23
Sachverhalt
Strittig ist, ob Gewinnminderungen, die auf zwischenstaatlichen Verständigungsvereinbarungen nach dem EU-Schiedsübereinkommen (SchÜ) beruhen, zu nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben gem. § 8b Abs. 5 KStG führen können.
Die Klägerin war eine inländische Muttergesellschaft mit ausländischen Tochtergesellschaften. Die deutsche Finanzverwaltung hielt die von der inländischen Muttergesellschaft in Rechnung gestellten Verrechnungspreise für unangemessen niedrig. Dies führte in Deutschland zu Gewinnerhöhungen. Zur Beseitigung der dadurch entstandenen wirtschaftlichen Doppelbesteuerung beantragten die Klägerin und die Finanzverwaltung die Durchführung eines Verständigungsverfahrens nach dem anzuwendenden Doppelbesteuerungsabkommen bzw. nach dem EU-Schiedsübereinkommen. Die Verständigungslösung führte für das Streitjahr zu einer Gewinnminderung bei der inländischen Muttergesellschaft. Nach der Finanzverwaltung seien die von der inländischen Muttergesellschaft an die Vertriebsgesellschaften nicht zurückgezahlten Beträge (Umsatzerlöse) im ersten Schritt innerhalb der Bilanz in Beteiligungserträge (erhaltene verdeckte Gewinnausschüttungen) umzuqualifizieren. Im zweiten Schritt habe dann auf Ebene der Einkommensermittlung eine außerbilanzielle Abrechnung gemäß § 8b Abs. 1 KStG und daneben eine außerbilanzielle Zurechnung i.H.v. 5% der Beteiligungserträge als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 5 KStG zu erfolgen.
Nach Auffassung der inländischen Muttergesellschaft liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 8b Abs. 5 KStG nicht vor, da die Umsetzung einer Verständigungsvereinbarung eine Korrektur sui generis sei und der Ansatz von 5% des Korrekturbetrages gegen die Verständigungsvereinbarung verstoße, da so keine volle Beseitigung der Doppelbesteuerung erfolgen würde.
Entscheidung
Das FG folgt der Auffassung des Finanzamts und kommt zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen der körperschaftsteuerlichen Schachtelstrafe i.S.d. § 8b Abs. 5 S. 1 KStG erfüllt sind.
Kein Vorrang von Verwaltungsabkommen (Verständigungen)
Das EU-Schiedsübereinkommen stellt ein multilaterales völkerrechtliches Abkommen der EU-Staaten zur Beseitigung der Doppelbesteuerung dar, welche aus Gewinnberichtigungen von verbundenen Unternehmen resultiert. Ihm stehe der höhere Rang des Europarechts nicht zu. Jedoch genieße es aufgrund seiner innerstaatlichen Umsetzung als völkerrechtlicher Vertrag im Sinne des § 2 Abs. 1 AO Vorrang vor den Steuergesetzen. Dies gelte jedoch nicht für die einzelnen Verständigungen, welche in der Umsetzung nach Maßgabe des EU-Schiedsübereinkommens durch die Finanzverwaltungen der beteiligten Vertragsstaaten getroffen werden, da Verwaltungsabkommen (vgl. Art. 59 Abs. 2 S. 2 GG) von § 2 Abs. 1 AO nicht erfasst sind und innerstaatlichen Gesetzen niemals vorgehen können.
Anwendung von innerstaatlichen Korrekturnormen
Nach dem FG regelt das EU-Schiedsübereinkommen nicht, wie die Verständigungslösungen innerstaatlich umzusetzen sind. Dies gelte analog auch für Verrechnungspreiskorrekturen nach Art. 9 Abs. 1 OECD-MA.
Als Rechtsgrundlage für eine Gewinnkorrektur auf der Grundlage des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA kommen dabei nach dem FG im nationalen Recht u.a. die Regelungen über verdeckte Gewinnausschüttungen (§ 8 Abs. 3 S. 2 KStG), verdeckte Einlagen (§ 4 Abs. 1 S. 1 EStG) oder § 1 AStG in Betracht. Ist nach diesen Vorschriften eine Korrektur aufgrund unangemessener Verrechnungspreise durchzuführen, ergebe sich aus innerstaatlichem Recht die konkrete Methodik der Berichtigung.
Keine Schrankenwirkung des EU-Schiedsübereinkommens
Das FG weist daraufhin, dass DBA-rechtliche Regelungen zur Gewinnabgrenzung von verbundenen Unternehmen als Ausprägung der sog. Schrankenwirkung des Abkommens weitergehende, innerstaatlich zulässige Korrekturmöglichkeiten sperren (vgl. BFH-Urteil vom 11.10.2012, I R 75/11). So entfalten die abkommensrechtlichen Regelungen zur Gewinnabgrenzung bei verbundenen Unternehmen z.B. eine Sperrwirkung gegenüber den sog. Sonderbedingungen, denen beherrschende Unternehmen im Rahmen der Einkommenskorrektur nach § 8 Abs. 3 S. 2 KStG bei Annahme einer vGA unterworfen sind (bestätigt durch BFH-Urteil vom 27.02.2019, I R 73/16).
Nach dem FG kann im Streitfall allerdings offenbleiben, ob und in welchem Umfang Art. 12,14 SchÜ nationale Regelungen sperren, die einer vollständigen Beseitigung der Doppelbesteuerung von Gewinnen im Sinne dieser Vorschrift entgegenstehen. Die Vorschrift des § 8b Abs. 5 KStG hebe nach seinem Regelungsgehalt nicht die Steuerfreiheit von Bezügen nach § 8b Abs. 1 KStG auf, sondern regele die Abzugsfähigkeit von (pauschalierten) Aufwendungen, die im Zusammenhang mit diesen Bezügen stehen. Folglich lässt die Vorschrift nach dem FG auch eine Gewinnminderung, die mit dem Ziel der Beseitigung einer Doppelbesteuerung nach Art. 14 SchÜ erfolgt, unberührt.
Auch keine Schrankenwirkung des § 175a AO
Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass § 175a AO die Änderung eines Steuerbescheids nur insoweit gestattet, als dies zur Umsetzung einer Verständigungsvereinbarung geboten ist und damit § 8b Abs. 5 KStG nicht zur Anwendung kommt. Hingegen hat nach dem FG § 175a AO nur bestandsdurchbrechende Wirkung. Diese Vorschrift stelle aber keine materiell-rechtliche Grundlage für die Umsetzung einer Verständigungsvereinbarung dar. Im Übrigen komme § 175a AO im Streitfall nicht zur Anwendung, da der Bescheid gemäß § 164 Abs. 2 AO geändert worden sei.
Tatbestandsvoraussetzungen des § 8b Abs. 5 KStG sind erfüllt
Im Streitfall seien die Voraussetzungen des § 8b Abs. 5 KStG erfüllt.
Nach Maßgabe der Verständigungen erfolgten durch die ausländischen Vertriebsgesellschaften Überzahlungen an die inländische Muttergesellschaft. Da keine Rückzahlungsverpflichtungen vereinbart wurden, liegen verdeckte Gewinnausschüttungen vor, welche auf Ebene der inländischen Muttergesellschaft als Bezug im Sinne des § 8b Abs. 1 KStG zu qualifizieren sind. § 8b Abs. 5 KStG komme auf diese Bezüge auch zur Anwendung, da § 8b Abs. 5 KStG nach seinem Wortlaut auch nicht danach unterscheide, aus welchem Rechtsgrund (Steuerbefreiung aus § 8b Abs. KStG oder aus den jeweiligen Verständigungsvereinbarungen i.V.m. Art. 14 SchÜ) die Bezüge im Sinne des § 8b Abs. 1 KStG bei der Ermittlung außer Ansatz geblieben sind.
Betroffene Norm
§ 8b Abs. 5 S. 1 KStG
Streitjahr: 2008
Fundstelle
FG München, Gerichtsbescheid vom 22.05.2023, 7 K 2545/19; BFH-anhängig: I R 39/23
Anmerkungen
Praxishinweise
Das FG weist im o.g. Gerichtsbescheid darauf hin, dass es offenbleiben kann, ob im Streitfall keine verdeckte Gewinnausschüttung gegeben wäre, sofern die Klägerin und die ausländischen Vertriebsgesellschaften vorab – zusammen mit der Vereinbarung von Verrechnungspreisen – Regelungen getroffen hätten, wonach im Falle von Verrechnungspreiskorrekturen automatisch eine Rückzahlung der überzahlten Preise durch die Klägerin an die Vertriebsgesellschaft zu erfolgen habe. Ggfs. könnte in der Praxis im Vorfeld eine vertragliche Preisberichtigungsklausel erwogen werden, die beispielsweise zur Anwendung kommt, wenn die Verrechnungspreise im Rahmen eines Verständigungsverfahrens als überhöht eingestuft worden sind. Ggfs. kann auch noch im Rahmen einer Betriebsprüfung/ Verständigungsverfahren auf eine bilanzielle Korrektur zur Beseitigung der Doppelbesteuerung hingewirkt werden.
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 11.10.2012, I R 75/11, BStBl. II 2013, S. 1046, siehe Deloitte Tax News
BFH, Urteil vom 27.02.2019, I R 73/16, BStBl. II 2019, S. 394, siehe Deloitte Tax News