FG Münster: Wegfall der Wegzugsbesteuerung nur bei Rückkehrwille
Für das nachträgliche Entfallen der Wegzugsbesteuerung nach § 6 Abs. 3 AStG ist neben der (objektiven) Wiederbegründung der unbeschränkten Steuerpflicht auch erforderlich, dass glaubhaft gemacht wird, dass bereits bei Wegzug (subjektiv) der Wille zur Rückkehr bestand. Dieser Wille muss nicht bereits bei Wegzug gegenüber dem Finanzamt dargelegt und glaubhaft gemacht werden, sondern kann auch erst bei Rückkehr angezeigt werden.
Sachverhalt
Der Kläger zog nach Dubai und gab seinen inländischen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt auf. Zum Zeitpunkt seines Wegzugs war der Kläger an mehreren im Inland ansässigen Kapitalgesellschaften beteiligt. Zwei Jahre nach dem Wegzug begründete der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt wieder in Deutschland. Das Finanzamt setzte für das Jahr des Wegzugs steuerpflichtige Veräußerungsgewinne gem. § 6 Abs. 1 AStG i.V.m. § 17 EStG an. Es vertrat die Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 AStG für ein Entfallen der Wegzugsbesteuerung nicht erfüllt seien, da der Kläger nicht bereits bei seinem Wegzug seinen Rückkehrwillen gegenüber der Finanzverwaltung angezeigt und glaubhaft gemacht habe.
Entscheidung
Das FG ist der Ansicht, dass für das Entfallen der Wegzugsbesteuerung neben der (objektiven) Wiederbegründung der unbeschränkten Steuerpflicht auch erforderlich ist, dass glaubhaft gemacht wird, dass bereits bei Wegzug (subjektiv) der Wille zur Rückkehr bestand. Im Gegensatz zum Finanzamt lässt das FG jedoch eine Glaubhaftmachung des Rückkehrwillens im Wegzugszeitpunkt erst bei Rückkehr zu.
Vorliegen der Voraussetzungen für die Wegzugsbesteuerung
§ 6 Abs. 1 S. 1 AStG bestimmt, dass bei einer natürlichen Person, die insgesamt mindestens zehn Jahre nach § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtig war und deren unbeschränkte Steuerpflicht durch Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts endet, im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht die stillen Reserven von im Privatvermögen gehaltenen wesentlichen Kapitalgesellschaftsbeteiligungen (Beteiligung mind. 1 %) auch ohne Veräußerung aufgedeckt werden und ein Veräußerungsgewinn nach § 17 Abs. 1 EStG zu versteuern ist (sog. Wegzugsbesteuerung). Diese Tatbestandsvoraussetzungen waren im Streitfall gegeben.
Nachträglicher Wegfall der Wegzugsbesteuerung
Beruht die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht auf vorübergehender Abwesenheit und wird der Steuerpflichtige innerhalb von fünf Jahren seit Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht wieder unbeschränkt steuerpflichtig, so entfällt die Wegzugsbesteuerung nachträglich unter bestimmten Voraussetzungen (§ 6 Abs. 3 AStG).
Tatbestandsmerkmal der „vorübergehenden Abwesenheit“
Welche inhaltliche Bedeutung dabei dem Tatbestandsmerkmal der „vorübergehenden Abwesenheit“ zukommt, ist umstritten. Nach Auffassung der Finanzverwaltung und Teilen des Schrifttums soll hierunter im Sinne einer „subjektiven Theorie“ der bei Wegzug bestehende Wille des Steuerpflichtigen zur Rückkehr und damit der Wille, wieder unbeschränkt steuerpflichtig zu werden, zu verstehen sein (vgl. BMF-Schreiben vom 14.05.2004, Tz. 6.4.1). Im Schrifttum wird demgegenüber teilweise nach Maßgabe einer „objektiven Theorie“ die Auffassung vertreten, dass die fristgemäße Rückkehr des Steuerpflichtigen für das Entfallen der Wegzugsbesteuerung in den Fällen ausreicht, in denen die Rückkehr innerhalb von fünf Jahren (und nicht, wie in den von § 6 Abs. 3 S. 2 AStG geregelten Fällen, innerhalb von zehn Jahren) erfolgt.
Entfallen der Wegzugsbesteuerung nur bei Rückkehrwille
Das FG schließt sich der „subjektiven Theorie“ an. Für das Entfallen der Wegzugsbesteuerung gem. § 6 Abs. 3 AStG sei neben der tatsächlichen Rückkehr in Form der (Wieder-)Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht auch zu verlangen, dass bereits bei Wegzug der Wille des Steuerpflichtigen zur (Wieder-)Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht innerhalb eines Zeitraums von längstens fünf Jahren bestand. § 6 Abs. 3 AStG gelte nicht für gescheiterte oder „abgebrochene“ Auswanderungen und stelle keine „Reparaturvorschrift“ für steuerlich „missglückte“ Wegzüge dar.
Anforderungen an den Nachweis der Rückkehrwillens
Die Anforderungen an den Nachweis des bei Wegzug bestehenden Rückkehrwillens dürfen nach Ansicht des FG jedoch nicht überspannt werden. Der Nachweis könne auch erst bei Rückkehr geführt werden. Nach Verwaltungsauffassung ist nach „den Gesamtumständen des Einzelfalls zu beurteilen“, ob im Zeitpunkt des Wegzugs eine Rückkehrabsicht bestand; „bloße Absichtserklärungen“ sollen insoweit nicht ausreichen (vgl. BMF-Schreiben vom 14.05.2004, Tz. 6.4.1). Dem lasse sich nicht die Anforderung entnehmen, dass die Rückkehrabsicht bereits bei Wegzug gegenüber dem Finanzamt darzulegen und glaubhaft zu machen wäre, so das FG.
Weiterhin sei es sachgerecht, nur eine Glaubhaftmachung der Rückkehrabsicht und nicht einen Vollnachweis zu verlangen. Zumindest erforderlich sei aber, dass der Steuerpflichtige substantiiert Tatsachen darlegt und glaubhaft macht, nach denen das Bestehen einer Rückkehrabsicht bereits bei Wegzug als überwiegend wahrscheinlich anzusehen ist. Der Rückkehrwille dürfe nicht in Widerspruch zu den Gesamtumständen des Einzelfalles stehen. Dabei sei insbesondere das Verhalten des Steuerpflichtigen vor und bei Wegzug von Bedeutung.
Ergebnis
Im Streitfall ist dem Kläger die Glaubhaftmachung, dass er bei seinem Wegzug den Willen hatte, nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne von nicht mehr als fünf Jahre nach Deutschland zurückzukehren und wieder unbeschränkt steuerpflichtig zu werden, nach Auffassung des FG allerdings nicht gelungen. Die Wegzugsbesteuerung könne daher nicht nachträglich entfallen und für das Jahr des Wegzugs seien folglich steuerpflichtige Veräußerungsgewinne gem. § 6 Abs. 1 AStG i.V.m. § 17 EStG zu erfassen.
Betroffene Norm
§ 6 Abs. 3 AStG
Streitjahr 2014
Anmerkungen
Referentenentwurf ATAD-Umsetzungsgesetz:
Am 10.12.2019 hat das BMF den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD-Umsetzungsgesetz) veröffentlicht (zum Inhalt des Gesetzentwurfes siehe Deloitte-Tax-News). Bestandteil des Referentenentwurfs sind auch Änderungen bei den Wegzugsbesteuerungsregelungen des § 6 AStG (siehe Deloitte Tax-News). Im Referentenentwurf werden die Anforderungen an den Umfang der unbeschränkten Steuerpflicht nunmehr in § 6 Abs. 2 AStG - E abschließend geregelt. Die Dauer der unbeschränkten Steuerpflicht soll auf insgesamt mindestens sieben Jahre innerhalb eines Betrachtungszeitraums der letzten zwölf Jahre vor Eintritt eines der Tatbestände des § 6 Abs. 1 AStG verkürzt werden. Zudem wird die sog. Rückkehrerregelung in § 6 Abs. 3 AStG - E klarer gefasst. Die bloße Absicht zur Rückkehr und eine hinreichende Wahrscheinlichkeit sollen danach für den Grundtatbestand dieser Regelung genügen. Die Rückkehroption - und damit das Entfallen der Wegzugsbesteuerung - soll künftig grundsätzlich innerhalb von 7 Jahren (mit der Möglichkeit der Verlängerung des Rückzugszeitraumes um weitere 5 Jahre) möglich sein. Diese Neuregelungen sollen für Wegzugsfälle gelten, die ab dem 01.01.2020 verwirklicht werden. Bei bis zum 31.12.2019 verwirklichten Wegzugsfällen ist das alte Recht maßgeblich.
Fundstelle
Finanzgericht Münster, Urteil vom 31.10.2019, 1 K 3448/17 E, BFH-anhängig: I R 55/19
Weitere Fundstellen
BMF, Schreiben vom 14.05.2004 (Anwendungserlass zum AStG), BStBl I 2004, Sondernummer 1/2004, S. 3