Zurück zur Übersicht
04.08.2022
Internationales Steuerrecht

FG Schleswig-Holstein: Keine vollständige Freistellung des Übernahmegewinns bei einer grenzüberschreitenden Fusion

Bei grenzüberschreitenden innergemeinschaftlichen Aufwärtsverschmelzungen von Tochter-Kapitalgesellschaften auf ihre 100 %ige inländische Mutter-Kapitalgesellschaft ist es mit dem Unionsrecht in Form der Fusionsrichtlinie vereinbar, dass nach nationalem deutschen Umwandlungssteuerrecht die tatsächlich angefallenen Transaktionskosten den steuerfrei zu stellenden Übernahmegewinn mindern. Ebenfalls ist es aus unionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, dass vom Übernahmegewinn 5 Prozent als nichtabziehbare Betriebsausgaben dem Steuerbilanzgewinn der Mutter-Kapitalgesellschaft außerbilanziell wieder hinzuzurechnen sind. 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine deutsche Kapitalgesellschaft, hatte ihre europäischen Tochter-Kapitalgesellschaften mit Übernahmegewinnen auf sich verschmolzen (sog. „Upstream-Merger“). Das Finanzamt bezog die tatsächlich entstandenen Transaktionskosten entsprechend den Vorgaben des deutschen Umwandlungssteuerrechts in die Ermittlung der Übernahmegewinne ein und behandelte von diesen pauschal 5 % als nichtabziehbare Betriebsausgaben. Dagegen wandte sich die Klägerin, die der Auffassung war, dass die Übernahmegewinne richtlinienkonform vollständig steuerfrei zu stellen seien. 

Entscheidung

Das FG Schleswig-Holstein kam in Übereinstimmung mit dem Finanzamt zu dem Schluss, dass die durch die grenzüberschreitenden innergemeinschaftlichen Aufwärtsverschmelzungen entstandenen Kosten der Vermögensübergänge die steuerfrei zu stellenden Übernahmegewinne mindern (§ 12 Abs. 2 S. 1 und 2 UmwStG i.V.m. § 8b Abs. 2 S. 1 und 2 KStG) und dass pauschal 5 % der positiven Übernahmeergebnisse als nichtabziehbare Betriebsausgaben dem steuerlichen Gewinn außerbilanziell wieder hinzuzurechnen sind (gem. § 12 Abs. 2 S. 1 und 2 UmwStG i.V.m. § 8b Abs. 3 S. 1 KStG). Dieses steuerliche Ergebnis nach deutschem Umwandlungssteuerrecht sei auch mit den Regelungen der Fusionsrichtlinie vereinbar.

Gesetzliche Grundlagen

Gem. § 12 Abs. 2 S. 1 UmwStG bleibt bei der übernehmenden Körperschaft ein sich aus der Übernahme ergebender Gewinn oder Verlust abzüglich der Kosten für den Vermögensübergang außer Ansatz. Nach § 12 Abs. 2 S. 2 UmwStG ist jedoch § 8b KStG anzuwenden, soweit der Gewinn abzüglich der anteilig darauf entfallenden Kosten für den Vermögensübergang, dem Anteil der übernehmenden Körperschaft an der übertragenden Körperschaft entspricht. Von dem jeweiligen Gewinn gelten nach § 8b Abs. 3 S. 1 KStG pauschal 5% als Ausgaben, die nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen.

Bisherige Auffassungen im Schrifttum

Die Frage, ob die im Streitfall angewendeten nationalen deutschen Regelungen, d.h. die in § 12 Abs. 2 S. 2 UmwStG angeordnete umfassende Anwendung von § 8b KStG, mit den unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar sind, ist gerichtlich - soweit ersichtlich - bislang nicht entschieden worden und wird im juristischen Schrifttum unterschiedlich beantwortet.

Bereits bei Einführung der nationalen deutschen Regelungen wurde die Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht in Teilen der Literatur in Zweifel gezogen. Art. 7 Abs. 1 der Fusionsrichtlinie schreibe zwingend eine 100 %ige Steuerneutralität sowohl auf Ebene der Gesellschaft als auch auf Ebene der Gesellschafter vor. Im Gegensatz zur Mutter-Tochter-Richtlinie enthalte die Fusionsrichtlinie keine Öffnungsklausel für ein pauschales Betriebsausgabenabzugsverbot in Höhe von 5 % der Übernahmegewinne. Weitergehend wird vereinzelt vertreten, dass auch die tatsächlich entstandenen Kosten der Vermögensübergänge den Übernahmegewinn nicht mindern dürften. Im Rahmen von „Wertsteigerungen“ seien bereits nach dem Wortverständnis keine Kosten zu berücksichtigen.

Nach der Gegenauffassung verkenne die geäußerte Kritik, dass es sich bei dem pauschalen Betriebsausgabenabzugsverbot nicht um eine unzulässige Besteuerung der Wertsteigerung handle, sondern um einen davon zu trennenden eigenständigen Besteuerungstatbestand. Während der Übernahmegewinn durch nationale Regelungen bereits vollständig steuerfrei gestellt werde, betreffe das pauschale Betriebsausgabenabzugsverbot lediglich die Ausgabenseite.

Das FG schließt sich nun der letztgenannten Auffassung an.

Intention der Fusionsrichtlinie

Zweck der Richtlinie ist es, binnenmarktähnliche Verhältnisse in der Gemeinschaft zu schaffen. Fusionen sollen nicht durch „besondere“ Beschränkungen, Benachteiligungen oder Verfälschungen aufgrund von steuerlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten behindert werden. Es sollen vielmehr „wettbewerbsneutrale“ steuerliche Regelungen für diese Vorgänge geschaffen werden, um die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen auf internationaler Ebene zu stärken.

Grenzüberschreitende Fusionen sollen im Vergleich zu entsprechenden Fusionen bei Gesellschaften desselben Mitgliedstaats nicht durch Bestimmungen steuerlicher Art benachteiligt werden.

Übernahmegewinne sollen nach dem Richtliniengeber in gleichem Umfang steuerbefreit sein wie Gewinnausschüttungen nach der Mutter-Tochter-Richtlinie. Würde die Möglichkeit der Pauschalierung nichtabziehbarer Kosten lediglich für Gewinnausschüttungen, nicht aber für Übernahmegewinne gelten, würde die angestrebte Gleichbehandlung nicht erreicht. Vielmehr würden dann Übernahmegewinne bei grenzüberschreitenden Fusionen gegenüber Gewinnausschüttungen privilegiert werden.

Eine solche vom Richtliniengeber beabsichtigte Besserstellung grenzüberschreitender Fusionen ist für das FG nicht erkennbar. Daraus resultiere, dass ein Verbot nationaler Regelungen zur pauschalen Nichtabziehbarkeit von Kosten bei grenzüberschreitenden Fusionen nicht im Sinne des Richtliniengebers sein könne.

Der Richtliniengeber sei erkennbar davon ausgegangen, dass zur Erreichung des Gleichlaufs der Besteuerung solche Kosten nach näherer Maßgabe der Regelungen der Mitgliedstaaten Berücksichtigung finden sollen.

Wollte man die Fusionsrichtlinie dahingehend verstehen, dass ein pauschales Abzugsverbot lediglich im Zusammenhang mit Beteiligungseinkünften möglich sei, während dies bei grenzüberschreitenden Fusionen unzulässig sei, liefe dies dem Regelungsziel einer insoweit gleichlaufenden Besteuerung zuwider. Es würde nämlich eine Situation entstehen, in der erwirtschaftete Gewinne von Tochtergesellschaften nicht ausgeschüttet, sondern thesauriert werden könnten, um das Eingreifen eines pauschalen Abzugsverbots zu umgehen und diese dann im Wege der grenzüberschreitenden Fusion wirtschaftlich in Form des übergehenden Aktivvermögens ohne Eingreifen eines pauschalen Abzugsverbots auf die Muttergesellschaft zu übertragen.

Einordnung in die BFH-Rechtsprechung zum pauschalen Betriebsausgabenabzugsverbot nach nationalem Normverständnis

Der BFH hat für den Fall eines von einer beschränkt steuerpflichtigen Körperschaft erzielten Veräußerungsgewinns bezüglich der Anteile an einer inländischen Kapitalgesellschaft aus Sicht des nationalen Rechts bereits entschieden (vgl. BFH, Urteil vom 31.05.2017, I R 37/15), dass die gesetzliche Fiktion nichtabziehbarer Betriebsausgaben nicht durch eine wirtschaftliche Betrachtung überspielt werden kann, der zufolge die Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 2 S. 1 KStG im Ergebnis nur zu 95 % gewährt werden solle und § 8b Abs. 3 S. 1 KStG daher als Vorschrift verstanden werden müsste, welche die Steuerfreistellung partiell wieder zurücknimmt. Aus diesem Grund hatte der BFH auch bereits entschieden, dass die vollständige Freistellung der Dividenden von der Besteuerung rechtlich nicht durch die 5%ige Betriebsausgabenfiktion beeinträchtigt wird und die Betriebsausgabenfiktion folglich nicht in Konflikt mit dem abkommensrechtlichen Schachtelprivileg steht. Bei der sogenannten Schachtelstrafe nach nationalem Recht handele es sich daher nicht um eine partielle Rücknahme der Steuerbefreiung, sondern - entsprechend dem Gesetzeswortlaut - um eine typisierende und pauschalierende Kürzung von Betriebsausgaben (BFH-Urteile vom 13.06.2018, I R 94/15 und vom 30.05.2018, I R 35/16).

Betroffene Normen

§ 12 Abs. 2 S. 1 und 2 UmwStG, § 8b Abs. 2 S. 1 und 2 KStG, § 8b Abs. 3 S. 1 KStG

Streitjahr 2010

Hinweise zum weiteren Verfahrensverlauf und für die Praxis

Das FG Schleswig-Holstein setzt sich – soweit ersichtlich – erstmalig mit der Frage der Vereinbarkeit der Regelungen im nationalen UmwStG mit den Vorgaben der Fusionsrichtlinie bei grenzüberschreitenden innergemeinschaftlichen Aufwärtsverschmelzungen auseinander. Das FG hat von einem Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zwar abgesehen. Es hat aber die Revision zum BFH zugelassen, die mittlerweile auch eingelegt wurde, sodass mit Spannung abzuwarten bleibt, ob der BFH die Sichtweise des FG teilen wird.
Solange diese höchstrichterliche Entscheidung noch nicht vorliegt, sollten Fälle mit vergleichbaren Sachverhaltsgestaltungen in Abstimmung mit dem Mandanten verfahrensrechtlich offengehalten werden. Allerdings sollte bei einer steuerlichen Beratung entsprechender Umwandlungsvorgänge die vom FG vorgenommene Auslegung der Fusionsrichtlinie, also deren Vereinbarkeit mit den nationalen umwandlungssteuerrechtlichen Vorschriften im Blick behalten werden.

Fundstelle

Finanzgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 24.03.2022, 1 K 181/19, EFG 2022, S. 979, BFH-anhängig: I R 17/22

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 31.05.2017, I R 37/15, BStBl. II 2018, S. 144, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 13.06.2018, I R 94/15, BStBl. II 2020, S. 755, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 30.05.2018, I R 35/16, BFH/NV 2019, S. 46, siehe Deloitte Tax-News

So werden Sie regelmäßig informiert:
Artikel teilen:
Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen einen bedarfsgerechteren Service bereitstellen zu können. Indem Sie ohne Veränderungen Ihrer Standard-Browser-Einstellung weiterhin diese Seite besuchen, erklären Sie sich mit unserer Verwendung von Cookies einverstanden. Möchten Sie mehr Informationen zu den von uns verwendeten Cookies erhalten und erfahren, wie Sie den Einsatz unserer Cookies unterbinden können, lesen Sie bitte unsere Cookie Notice.