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30.01.2015
Private Einkommensteuer

BFH: Anwendung der Abgeltungsteuer bei Darlehen zwischen Angehörigen, nahe stehenden Personen und Gesellschafterfremdfinanzierung

Mit Urteilen vom 29.04.2014 sowie Urteil vom 14.05.2014 hat der BFH entschieden, dass das Vorliegen eines Angehörigenverhältnisses gem. § 15 AO allein nicht ausreicht, um von „nahe stehenden Personen“ auszugehen und den Abgeltungsteuersatz auszuschließen.
In einem weiteren Urteil vom 29.04.2014 stellt der BFH fest, dass der Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes bei Gesellschafterfremdfinanzierungen wegen einer (mindestens) 10%igen Beteiligung an der Kapitalgesellschaft verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.

Sachverhalte

Zu VIII R 9/13, VIII R 44/13, VIII R 35/13
In dem Verfahren VIII R 9/13 gewährten die verheirateten Kläger ihrem Sohn und ihren Enkeln, in dem Verfahren VIII R 44/13 gewährte der Kläger seiner Ehefrau und seinen Kindern fest verzinsliche Darlehen zur Anschaffung von fremd vermieteten Immobilien durch die Darlehensnehmer. Im Streitfall VIII R 35/13 stundete die Klägerin ihrem Bruder den Kaufpreis für die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen. Der Kaufpreis war ab dem Zeitpunkt ihres Ausscheidens aus der Gesellschaft zu verzinsen.

Zu VIII R 31/11
Die Klägerin gewährte einer GmbH, an der ihre Tochter und Enkelkinder beteiligt waren, ein festverzinsliches Darlehen.

Zu VIII R 23/13
Der Kläger ist Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, der er ein ungesichertes, verzinsliches Darlehen gewährte.

In allen Fällen unterwarf das Finanzamt die Kapitalerträge der tariflichen Einkommensteuer und nicht dem Abgeltungsteuersatz. Einspruch und Klage blieben jeweils ohne Erfolg.

Entscheidungen

Zu BFH VIII R 9/13, VIII R 44/13, VIII R 35/13
Das FG habe die Anwendung des Abgeltungsteuersatzes gem. § 32d Abs. 1 EStG zu Unrecht abgelehnt.

Nach dem Wortlaut des § 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG ist der Abgeltungsteuersatz ausgeschlossen, wenn Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge „einander nahe stehende Personen“ sind.

Der Begriff der „nahe stehenden Person“ ist im Einkommensteuergesetz nicht definiert. Auch könne nicht auf die Definition der „nahe stehenden Person“ in § 1 Abs. 2 AStG, § 138 InsO oder bei einer verdeckten Gewinnausschüttung zurückgegriffen werden. Nach dem Wortsinn unterfielen alle natürlichen und juristischen Personen, die zueinander in enger Beziehung stehen, dem Begriff der „nahe stehenden Person“. Hierzu gehörten auch Angehörige i.S. des § 15 AO.

Allerdings widerspreche eine solch weite Auslegung dem Willen des Gesetzgebers. Dem Gesetzgeber sei es darum gegangen Fälle zu erfassen, in denen auf eine der Vertragsparteien ein beherrschender oder außerhalb der Geschäftsbeziehung liegender Einfluss ausgeübt werden könne oder ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen bestehe. Ein solches absolutes Abhängigkeitsverhältnis sei in den Streitfällen nicht ersichtlich. Es reiche (entgegen BMF-Schreiben vom 22.12.2009 und 09.10.2012, jeweils Tz. 136) nicht aus, dass Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge Angehörige i. S. des § 15 AO seien.

Diese enge Auslegung sei zudem verfassungsrechtlich geboten. Es sei nicht zu rechtfertigen, wenn alleine das Vorliegen eines Angehörigenverhältnisses gem. § 15 AO einen Ausschluss vom Abgeltungsteuersatz nach sich zöge. Hielte der Darlehensvertrag einem Fremdvergleich stand, könne nicht bereits aufgrund des Fehlens einer Besicherung oder einer Regelung über eine Vorfälligkeitsentschädigung auf eine missbräuchliche Gestaltung zur Ausnutzung des Abgeltungsteuersatzes geschlossen werden. Dies gelte auch dann, wenn aufgrund des Steuersatzgefälles ein Gesamtbelastungsvorteil entstehe, da Ehe und Familie bei der Einkünfteermittlung keine Vermögensgemeinschaft begründeten.

Zu BFH VIII R 31/11
Das FG habe zu Unrecht angenommen, dass die Anwendung des Abgeltungsteuersatzes ausgeschlossen sei, weil der Gläubiger der Kapitalerträge ein Darlehen an eine GmbH gewährt hat, bei der ein Angehöriger i.S. des § 15 AO zu mehr als 10 % beteiligt ist.

§ 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Buchst. b S. 2 EStG, der die Anwendung des Abgeltungsteuersatzes ausschließt, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge eine dem Anteilseigener nahe stehende Person ist, sei vorliegend nicht einschlägig.

Alleine das Vorliegen eines Angehörigenverhältnisses gem. § 15 AO genüge nicht, um vom Vorliegen einer „nahe stehenden Person“ auszugehen. Es bedürfe viel mehr eines absoluten Abhängigkeitsverhältnisses (siehe Ausführungen zu BFH VIII R 9/13, VIII R 44/13, VIII R 35/13). Ein solches liege hier jedoch nicht vor.

Zu BFH VIII R 23/13
Das FG habe die Anwendung des Abgeltungsteuersatzes zu Recht gem. § 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG wegen der (mindestens) 10%igen Beteiligung des Klägers an der GmbH abgelehnt.

Der Wortlaut der Vorschrift sei eindeutig und begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG bei Gesellschafterfremdfinanzierungen verstoße nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Die Steigerung der Standortattraktivität für private Anleger durch die Einführung des Abgeltungsteuersatzes sei ein legitimer Grund für die unterschiedliche Behandlung von gem. § 32d EStG besteuerten Einkünften aus Kapitalvermögen und progressiv gem. § 32a EStG besteuerten Einkünften aus anderen Einkunftsarten.

Zudem sei die Ungleichbehandlung der Besteuerung von Kapitaleinkünften i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG im Vergleich zu Kapitaleinkünften i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG aus einer vGA, für die § 32d EStG keinen Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes vorsehe, kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, da diese Ungleichbehandlung durch die körperschaftsteuerliche Vorbelastung einer vGA gerechtfertigt sei. Schließlich sei auch die Wahl der Beteiligungsgrenze in Höhe von 10% für den Ausschluss vom Abgeltungsteuertarif von der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Typisierung gedeckt und nicht willkürlich.

Der Ausschluss vom Abgeltungsteuertarif werde ferner folgerichtig umgesetzt, da in einem solchen Fall weder die Verlustausgleichsbeschränkung (§ 20 Abs. 6 EStG) noch die Beschränkung des Werbungskostenabzugs (§ 20 Abs. 9 EStG) angewendet werden.

Betroffene Normen

§ 32d Abs. 1 EStG, § 32d Abs. 2 S. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG, § 32d Abs. 2 S. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG
Streitjahre 2009

Anmerkungen

BMF-Schreiben vom 19.12.2014
Mit dem Schreiben vom 09.12.2014 hat das BMF sein Schreiben zu Einzelfragen der Abgeltungsteuer vom 09.10.2012 aktualisiert und die Grundsätze der o.g. BFH-Urteile VIII R 9/13, VIII R 44/13 und VIII R 35/13 übernommen. Das BMF konkretisiert auf Basis der Urteile das Vorliegen eines Verhältnisses von nahestehenden Personen bzw. das schädliche Beherrschungsverhältnis. Ein solches liege vor, wenn der beherrschten Person auf Grund eines absoluten Abhängigkeitsverhältnisses im Wesentlichen kein eigener Entscheidungsspielraum verbleibe.

BFH-Urteil vom 28.01.2015, VIII R 8/14
Mit Urteil vom 28.01.2015 (siehe Kurzdarstellung) ergänzt der BFH seine mit o.g. Urteilen vom 29.04.2014 aufgestellten Grundsätze dahingehend, dass das Vorliegen eines Angehörigenverhältnisses gem. § 15 AO, z.B. einer ehelichen Lebensgemeinschaft, zwar allein nicht ausreiche, um von „nahe stehenden Personen“ auszugehen. Komme aber zwischen Ehegatten ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis hinzu, liege ein schädliches Näheverhältnis vor, das den Abgeltungsteuersatz ausschließe.

Vorinstanzen

Zu VIII R 9/13: Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 18.06.2012, 15 K 417/10
Zu VIII R 44/13: Finanzgericht München, Urteil vom 26.02.2013, 11 K 2365/10
Zu VIII R 35/13: Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 16.04.2013, 8 K 3100/11
Zu VIII R 31/11: Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 06.07.2011, 4 K 322/10
Zu VIII R 23/13: Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 12.04.2012, 14 K 335/10, siehe Deloitte Tax-News 

Fundstellen

BFH, Urteil vom 29.04.2014, VIII R 9/13
BFH, Urteil vom 29.04.2014, VIII R 44/13
BFH, Urteil vom 29.04.2014, VIII R 35/13 
BFH, Urteil vom 14.05.2014, VIII R 31/11
BFH, Urteil vom 29.04.2014, VIII R 23/13, Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen: BVerfG, Beschluss vom 07.04.2016, 2 BvR 2325/14 
Pressemitteilung Nr. 59 vom 20.08.2014 (zu VIII R 9/13, VIII R 44/13, VIII R 35/13)
Pressemitteilung Nr. 60 vom 20.08.2014 (zu VIII R 31/11)
Pressemitteilung Nr. 61 vom 20.08.2014 (zu VIII R 23/13)

Weitere Fundstellen

BMF, Schreiben vom 22.12.2009, IV C 1 - S 2252/08/10004, siehe Deloitte Tax-News aktualisiert durch BMF-Schreiben vom 09.10.2012, siehe Deloitte Tax-News, erneut aktualisiert durch BMF-Schreiben vom 09.12.2014
BFH, Urteil vom 28.01.2015, VIII R 8/14, siehe Deloitte Tax-News

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