BFH: Entgeltliche Ablösung eines Nießbrauchs an GmbH-Anteilen
Geht bereits bei der Bestellung des Nießbrauchs an GmbH-Anteilen neben dem zivilrechtlichen auch das wirtschaftliche Eigentum auf den Nießbrauchsverpflichteten über, führt die zu einem späteren Zeitpunkt im Rahmen der Veräußerung der GmbH-Anteile erfolgte Ablösezahlung an den Nießbrauchsberechtigten bei diesem zu nicht steuerbaren Einnahmen.
BFH, Urteil vom 20.09.2024, IX R 5/24
Sachverhalt

Eine Mutter (Klägerin) übertrug im Jahr 2012 mit notariellem Vertrag ihre Beteiligung an der Z-GmbH im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Vorbehalt eines Nießbrauchs, der insbesondere das Gewinnbezugsrecht umfasste, unentgeltlich auf ihren Sohn.
Im Rahmen der im Streitjahr erfolgten Veräußerung der Geschäftsanteile vereinbarten die Mutter und ihr Sohn die Aufhebung des Nießbrauchs an den Anteilen an der Z-GmbH gegen Zahlung von einem Ablösebetrag.
Das Finanzamt behandelte den Ablösebetrag im Einkommensteuerbescheid als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Mutter machte geltend, dass die Zahlung des Ablösebetrags eine nicht steuerbare Umschichtung auf der privaten Vermögensebene darstelle. Dahingehend hatten Einspruch und Klage keinen Erfolg. Das FG gab jedoch dem hilfsweisen Begehren der Mutter statt, mit dem sie eine Berücksichtigung des Ablösebetrags bei den Einkünften aus Kapitalvermögen begehrt hatte.
Entscheidung
Der BFH kommt entgegen dem FG zu dem Ergebnis, dass der Ablösebetrag für die Mutter nicht der Besteuerung unterliegt, da das wirtschaftliche Eigentum an den Geschäftsanteilen an der GmbH bereits mit der Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge von der Mutter auf den Sohn übergegangen ist.
Gesetzliche Grundlagen
Nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gehören zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt worden sind.
Keine erweiternde Bedeutung des § 24 EStG
Nach dem BFH hat die Vorschrift des § 24 EStG keine die Einkünfte erweiternde, sondern lediglich eine die Reichweite der einzelnen Einkunftsarten klarstellende Bedeutung. Die Klarstellung habe eine doppelte Wirkung. Einmal sei ihr positiv zu entnehmen, zu welcher Einkunftsart eine Entschädigung gehört. Zum anderen habe die Vorschrift auch eine negative Rechtsfolge. Sie stelle in § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG klar, dass alle diejenigen Entschädigungen aus dem Regelungsbereich des § 2 Abs. 1 EStG ausgenommen sind, die für entgehende oder entgangene Einnahmen gewährt werden, die nicht unter die Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 1 EStG fallen. Demzufolge müsse eine kausale Verknüpfung zwischen der Entschädigung und den entgangenen Einnahmen bestehen (vgl. BFH-Urteil vom 11.02.2015, VIII R 4/12).
Weiter hebt der BFH hervor, dass nachträgliche Einkünfte voraussetzen, dass dem Steuerpflichtigen die Einkünfte, für die Entschädigung gewährt wird, auch steuerlich zuzurechnen sind. Einkünfte sind demjenigen zuzurechnen, der den Tatbestand der Erzielung der Einkünfte erfüllt (vgl. § 2 Abs. 1 S. 1 EStG).
Wirtschaftliches Eigentum an einem Kapitalgesellschaftsanteil
Laut ständiger Rechtsprechung geht das wirtschaftliche Eigentum an einem Kapitalgesellschaftsanteil auf einen Erwerber über, wenn dieser durch ein (bürgerlich-rechtliches) Rechtsgeschäft eine rechtlich geschützte Position erworben hat, die auf den Erwerb des Rechts gerichtet ist und ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann. Zusätzlich müsse die wesentlichen mit dem Anteil verbundenen Rechte (insbesondere Gewinnbezugsrecht und Stimmrecht) sowie das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sein (vgl. BFH-Urteil vom 24.01.2012, IX R 51/10). Hierfür reiche es nicht aus, wenn an einem GmbH-Geschäftsanteil unentgeltlich ein Nießbrauch zugunsten eines Dritten bestellt wurde, der dem Nießbrauchsberechtigten lediglich einen Anspruch auf den mit der Beteiligung verbundenen Gewinnanteil gemäß § 1068 Abs. 2, § 1030 i.V.m. § 99 Abs. 2, § 100, § 101 Nr. 2 BGB einräumt. Erforderlich sei vielmehr, dass der Nießbrauchsberechtigte eine Rechtsposition innehabe, die ihm entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft verschaffe und insofern dem zivilrechtlichen Gesellschafter gleichstelle (vgl. auch BFH-Urteil vom 14.02.2022, VIII R 29/18).
Ob das wirtschaftliche Eigentum an GmbH-Geschäftsanteilen dem Nießbrauchberechtigten zuzurechnen sei, bleibt nach dem BFH indes eine Tatfrage des Einzelfalls. Die Feststellung des wirtschaftlichen Eigentums sei Gegenstand der tatrichterlichen Würdigung durch das FG und daher wegen § 118 Abs. 2 FGO für den BFH grundsätzlich bindend. Nach dem FG ist das wirtschaftliche Eigentum an den Geschäftsanteilen der Z-GmbH bereits mit der Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge von der Mutter auf ihren Sohn übergegangen.
Nichtsteuerbarer Vorgang aufgrund des Fehlens des wirtschaftlichen Eigentums an den Anteilen
Der BFH kommt zu dem Schluss, dass bei der Mutter aufgrund des bereits vorab erfolgten Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums an den Geschäftsanteilen an der Z-GmbH auf ihren Sohn keine steuerbaren Einkünfte (nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG) vorliegen.
Die bindende Feststellung des FG, dass die Mutter im Rahmen der vorwegggenommenen Erbfolge neben dem zivilrechtlichen auch das wirtschaftliche Eigentum an den GmbH-Geschäftsanteilen verloren habe, lässt es nach dem BFH nicht zu, den Ablösebetrag für die Aufgabe des Nießbrauchsrechts einem anderen Besteuerungstatbestand zuzuweisen. Entsprechend liegen nach der Auffassung des BFH bei der Mutter keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Rahmen der Anteilsveräußerung i.S.d. § 17 EStG, noch Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit nach § 17 i.V.m. § 24 EStG vor.
Betroffene Norm
§ 24 EStG
Streitjahr 2018
Anmerkungen
Einordnung in die Rechtsprechung
Der BFH äußert sich – soweit ersichtlich – erstmalig zu der Frage, wie die Ablösezahlung bei einem Nießbrauch an einem GmbH-Anteil beim Nießbrauchsberechtigten steuerlich zu berücksichtigen ist. Zu dieser Frage ist derzeit noch ein weiteres Verfahren beim BFH anhängig (IX R 14/24).
Im Hinblick auf die steuerliche Behandlung beim Nießbrauchsverpflichteten hatte der BFH bereits entschieden, dass Ablösezahlungen bei einem Nießbrauch beim Nießbrauchverpflichteten zu (nachträglichen) Anschaffungskosten auf den Gesellschaftsanteil führen und einen späteren Veräußerungsgewinn mindern (vgl. BFH-Urteil vom 18.11.2014, IX R 49/13).
Vorinstanz
Finanzgericht Nürnberg, Urteil 29.09.2023, 7 K 1029/21, EFG 2024, S. 902
Fundstelle
BFH, Urteil vom 20.09.2024, IX R 5/24
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 11.02.2015, VIII R 4/12, BStBl. II 2015, S. 647
BFH, Urteil vom 24.01.2012, IX R 51/10, BStBl. II 2012, S. 308, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 14.02.2022, VIII R 29/18, BStBl. II 2022, S. 544, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 18.11.2014, IX R 49/13, BStBl. II 2015, S. 224
