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14.01.2016
Private Einkommensteuer

BFH: Ermittlung des Veräußerungspreises von KapGes-Anteilen im Zeitpunkt der Erfüllung der Gegenleistung

Soweit bei einer Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen die Gegenleistung in Sachgütern besteht, ist der Veräußerungspreis mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Für die Bewertung kommt es auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Erfüllung der Gegenleistungspflicht an, wenn diese von den Verhältnissen im Veräußerungszeitpunkt abweichen (z.B. wegen verändertem Börsenkurs).

Sachverhalt

Der Kläger war an der N-AG beteiligt. Diese Beteiligung veräußerte er am 28.02.2002 teilweise an die U-AG. Als Gegenleistung erhielt der Kläger neue Aktien der U-AG zu einem vereinbarten Ausgabekurs von 24 Euro pro Aktie. Am 13.12.2002 wurde die von der U-AG hierzu durchgeführte Kapitalerhöhung in das Handelsregister eingetragen und die neuen U-Aktien wurden dem Depot des Klägers gutgeschrieben. Der Börsenkurs der U-Aktie betrug am 28.02.2002 18,69 Euro und am 13.12.2002 2,20 Euro. Der Kläger ermittelte den Veräußerungsgewinn unter Berücksichtigung des Börsenkurses vom 13.12.2002 (2,20 Euro/Aktie). Das Finanzamt legte hingegen den Börsenkurs vom 28.02.2002 (18,69 EUuro/Aktie) zugrunde.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Entscheidung

Das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Veräußerungspreis unter Zugrundelegung des Börsenkurses im Veräußerungszeitpunkt (28.02.2002), anstelle des Börsenkurses im Erfüllungszeitpunkt (13.12.2002) zu ermitteln sei.

Dass der Vorgang eine Veräußerung im Sinne von § 17 EStG darstelle sei ebenso unstreitig, wie dass der Veräußerungsgewinn bereits am 28.02.2002 realisiert wurde. Denn der Anspruch auf die Gegenleistung sei bei gegenseitigen Verträgen realisiert, sobald die eigene Leistung erbracht sei und der Veräußerungs-gewinn entstehe unabhängig davon, ob die Gegenleistung sofort fällig sei oder wann sie dem Veräußerer tatsächlich zufließe.

Lediglich die Bewertung der Gegenleistung (Veräußerungspreis) sei strittig. Zwar sei es richtig, dass bei einer Gegenleistung in Form von Sachgütern grundsätzlich der gemeine Wert unter Berücksichtigung der Umstände im Veräußerungszeitpunkt anzusetzen sei (an der abweichenden Auffassung im BFH-Urteil vom 25.08.2009 werde nicht festgehalten). Jedoch seien nach Auffassung des BFH dann die Verhältnisse im Zeitpunkt der (späteren) Erfüllung maßgebend, wenn diese, wie im vorliegenden Sachverhalt, von den Verhältnissen im Veräußerungszeitpunkt abwichen.

Der Große Senat des BFH habe in der Vergangenheit bereits zu § 16 Abs. 2 EStG entschieden, dass es nur auf den tatsächlich erzielten Veräußerungsgewinn ankomme und somit sämtliche später eintretende Veränderungen des Veräußerungspreises zu berücksichtigen seien, solange der Erwerber seine Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises noch nicht erfüllt habe (BFH-Beschluss vom 19.07.1993). Ob diese Grundsätze auch für die Bewertung von Sachgütern, also für die Berücksichtigung nachträglicher Veränderungen bei den wertbildenden Umständen gelten, werde bisher uneinheitlich beurteilt.

Der VIII. Senat des BFH habe für den Fall, dass die Gegenleistung in börsennotierten Aktien besteht, auf den Börsenkurs im Zeitpunkt der Abtretung der Aktien abgestellt (BFH-Beschluss vom 19.09.2012). Eine hiervon abweichende Auffassung vertreten das FG München und IX. Senat des BFH (FG München, Urteil vom 16.07.2008, BFH-Urteil vom 25.08.2009). Das Schrifttum spreche sich überwiegend dafür aus, eine bis zum Erfüllungszeitpunkt eingetretene Wertveränderung zu berücksichtigen. Der hier entscheidende IX. Senat schließe sich der Auffassung des VIII. Senats an.

Vor allem die punktuelle Erfassung des Veräußerungsgewinns und seine Abgrenzung vom laufenden Gewinn geböten es, auf den tatsächlich erzielten Erlös abzustellen. Dies schließe die Bewertung einer Sachleistung (hier der U-Aktien) am Tag des Gefahrübergangs (Erfüllung) ein, denn vorher habe der Veräußerer tatsächlich nichts erhalten.

Unbeachtlich bleibe auch der Umstand, dass sich der Kläger nicht abgesichert habe und ihm alleine das Kursrisiko zugewiesen wurde. Aus Sicht des Klägers unterscheide sich der erlittene Verlust nicht wesentlich von dem, dass ein Teil der Kaufpreisforderung endgültig ausgefallen wäre oder eine vereinbarte Teilleistung dauerhaft nicht erbracht worden sei. Auf den Grund der Einbuße solle es gerade nicht ankommen. Dementsprechend habe der BFH auch entschieden, dass realisierte Währungskursveränderungen die Höhe des Veräußerungsgewinns beeinflussen (BFH-Urteil vom 18.11.2014).

Auch läge keine unzulässige Durchbrechung des Realisationsgrundsatzes, wonach es für die Bewertung auf den Zeitpunkt der Entstehung des Veräußerungsgewinns ankomme, vor (so aber FG München vom 16.07.2008). Nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH gelte das Realisationsprinzip bei der Ermittlung eines Veräußerungsgewinns uneingeschränkt nur für den Zeitpunkt der Entstehung des Gewinns. Für die Höhe des tatsächlich erzielten Erlöses komme es dagegen auf den Zeitpunkt der Erfüllung (Zufluss) an. Die Normen § 16 Abs. 2 EStG und § 17 Abs. 2 EStG gingen insofern als speziellere Vorschriften dem Realisationsgrundsatz vor (BFH-Beschluss vom 19.07.1993).

Betroffene Norm
§ 17 Abs. 2 EStG
Streitjahr 2002

Vorinstanz
FG Münster, Urteil vom 02.10.2014, 1 K 1611/11 E

Fundstelle
BFH, Urteil vom 13.10.2015, IX R 43/14

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 25.08.2009, IX R 41/08, nicht amtlich veröffentlicht
Großer Senat des BFH, Beschluss vom 19.07.1993, GrS 2/92, BStBl II 1993, S. 897
BFH, Beschluss vom 19.09.2012, VIII B 90/12, BFH/NV 2012, S. 1962
FG München, Urteil vom 16.07.2008, 9 K 4042/06, EFG 2008, S.1611
BFH, Urteil vom 18.11.2014, IX R 30/13, BFH/NV 2015, S. 489

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