Zurück zur Übersicht
22.05.2017
Private Einkommensteuer

BFH: Rückabwicklung eines Anteilsverkaufs kein Anschaffungsvorgang

Die Rückabwicklung eines noch nicht beiderseits vollständig erfüllten Kaufvertrags führt bei dem früheren Veräußerer zu einem rückwirkenden Wegfall eines bereits entstandenen Veräußerungsgewinns (entgegen BFH-Urteil vom 21.10.1999). Sie stellt keine Anschaffung der zurückübertragenen Anteile dar.

Sachverhalt

M (verstorbener Ehemann der Klägerin) veräußerte in 1998 Anteile seiner insgesamt mehr als 13%igen Beteiligung an der A-GmbH. Nachdem der Käufer den gestundeten Kaufpreis nicht entrichtete, wurde 2001 die Rückabwicklung des Kaufvertrags mit Wegfall der Kaufpreisforderung vereinbart. In 2006 veräußerte die Klägerin ihre (von M geerbten) Anteile an der A-GmbH.

Finanzamt und FG waren der Ansicht, dass der in 2006 erzielte Veräußerungsgewinn unter Berücksichtigung der historischen Anschaffungskosten zu ermitteln sei. Mit der dagegen gerichteten Klage begehrte die Klägerin, die Rückabwicklung des Vertrags als Anschaffungsvorgang zu behandeln und entsprechend höhere Anschaffungskosten (erlassene Kaufpreisforderung) zu berücksichtigen.

Entscheidung

Das FG habe zutreffend angenommen, dass die Rückabwicklung des Vertrages auf den Zeitpunkt der Veräußerung (1998) zurückwirke und kein Anschaffungsvorgang sei. Maßgebend für die Ermittlung des in 2006 erzielten Veräußerungsgewinns seien daher die historischen Anschaffungskosten. Denn die Klägerin habe die Anteile im Jahr 2001 nicht zu höheren Anschaffungskosten zurückerworben, sondern zurückerhalten.

Die Anteilsveräußerung in 2006 stelle unstreitig eine steuerbare Veräußerung nach § 17 EStG dar.

Nach der Rechtsprechung des BFH führe die Rückabwicklung eines beiderseits noch nicht vollständig erfüllten Kaufvertrags nicht zu einer Anschaffung, soweit das spätere Ereignis mit steuerlicher Wirkung auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückwirkt (vgl. BFH-Urteil vom 28.10.2009).

Der Große Senat des BFH habe (zu § 16 Abs. 2 EStG) entschieden, dass es nur auf den tatsächlich erzielten Veräußerungsgewinn ankomme mit der Folge, dass später eintretende Veränderungen beim ursprünglich vereinbarten Veräußerungspreis solange und soweit materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückzubeziehen seien, als der Erwerber seine Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises noch nicht erfüllt hat (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19.07.1993). Entsprechendes gelte für die Ermittlung des Veräußerungspreises i.S. des § 17 Abs. 2 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 23.05.2012).

Für die Bewertung der als Gegenleistung (Veräußerungspreis) erhaltenen Sachgüter komme es auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Erfüllung der Gegenleistungspflicht an, wenn sie von den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entstehung des Veräußerungsgewinns abweichen. Eine Veränderung der wertbestimmenden Umstände (z.B. Börsenkurs) wirke materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der Entstehung des Veräußerungsgewinns zurück (BFH-Urteil vom 13.10.2015).

Diese Rechtsprechung, die ausdrücklich nur Umstände, die sich auf die Höhe des Veräußerungspreises auswirken, betreffe, sei zu übertragen auf die Frage, ob ein Anschaffungsvorgang dem Grunde nach anzunehmen ist. Der Fall, dass der Veräußerungspreis rückwirkend in voller Höhe entfällt, sei danach genauso zu behandeln wie der Fall, dass die Veräußerung insgesamt rückgängig gemacht wird. Danach liege grundsätzlich dann eine Rückabwicklung und keine Anschaffung vor, wenn der Vertrag im Zeitpunkt der Rückabwicklung noch nicht beiderseits vollständig erfüllt war (unabhängig davon, ob der Vertrag wegen einer Leistungsstörung rückabgewickelt worden ist) (vgl. BFH-Urteil vom 13.10.2015).

Etwas anderes gelte nach der Rechtsprechung, wenn die Gegenleistung vollständig erfüllt ist. Eine Rückabwicklung des Vertrags nach diesem Zeitpunkt wirke materiell-rechtlich nur dann zurück, wenn der Rechtsgrund für die spätere Änderung im ursprünglichen Rechtsgeschäft angelegt war (vgl. BFH-Urteil vom 23.05.2012).

Betroffene Norm

§ 17 EStG
Streitjahre: 2004 und 2006

Anmerkung

Der I. Senat des BFH hatte im Urteil vom 21.10.1999 in der Rückabwicklung eines Veräußerungs-/Anschaffungsgeschäfts auf der Seite des ursprünglichen Erwerbers eine Veräußerung und keine Rückabwicklung der Anschaffung erkannt. An dieser Auffassung hält er nicht länger fest.

Vorinstanz

Finanzgericht Niedersachsen, Urteil vom 26.11.2014, 9 K 10128/11

Fundstelle

BFH, Urteil vom 06.12.2016, IX R 49/15, BStBl II 2017 Seite 673

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 28.10.2009, IX R 17/09, BStBl II 2010, S. 539, siehe Deloitte Tax-News 
Großer Senats des BFH, Beschluss vom 19.07.1993, GrS 2/92, BStBl II 1993, S. 897
BFH, Urteil vom 23.05.2012, IX R 32/11, BStBl II 2012, 675, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 13.10.2015, IX R 43/14, BStBl II 2016, S. 212, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 21.10.1999, I R 43, 44/98, BStBl II 2000, S. 424

So werden Sie regelmäßig informiert:
Artikel teilen:
Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen einen bedarfsgerechteren Service bereitstellen zu können. Indem Sie ohne Veränderungen Ihrer Standard-Browser-Einstellung weiterhin diese Seite besuchen, erklären Sie sich mit unserer Verwendung von Cookies einverstanden. Möchten Sie mehr Informationen zu den von uns verwendeten Cookies erhalten und erfahren, wie Sie den Einsatz unserer Cookies unterbinden können, lesen Sie bitte unsere Cookie Notice.