BFH: Steuerbarkeit von Gewinnen aus der Veräußerung von Kryptowährungen
Der BFH bestätigt die Wirtschaftsguteigenschaft von Kryptowährungen. Gewinne aus der Veräußerung von Kryptowährungen, die innerhalb eines Jahres angeschafft und veräußert wurden, sind nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG steuerpflichtig.
Sachverhalt

Der Kläger kaufte, tauschte und veräußerte verschiedene Kryptowährungen, namentlich Bitcoin, Ether und Monero. Zwischen dem Erwerb und der Veräußerung lag weniger als ein Jahr.
Der Kläger war der Auffassung, dass Kryptowerte keine Wirtschaftsgüter sind und folglich kein Veräußerungsgeschäft vorliegt. Zudem sei eine Besteuerung aufgrund eines strukturellen Vollzugsdefizit verfassungswidrig.
Hingegen berücksichtigte das Finanzamt die Gewinne als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 22 Nr. 2 EStG i.V.m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG. Das FG schloss sich der Auffassung des Finanzamts an.
Entscheidung
Der BFH geht ebenfalls, wie auch das FG und die Finanzverwaltung, von der Steuerbarkeit des Gewinns aus der entgeltlichen Veräußerung von den im Privatvermögen gehaltenen Currency Tokens gem. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG aus.
Voraussetzungen eines privaten Veräußerungsgeschäfts
Ein privates Veräußerungsgeschäft ist gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG ein Veräußerungs-geschäft bei „anderen Wirtschaftsgütern“, bei dem der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Die Regelung betrifft alle Wirtschaftsgüter im Privatvermögen.
Der Begriff des „anderen Wirtschaftsguts“ i. S. d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG sei weit zu fassen (vgl. BFH-Urteil vom 02.03.1970, GrS 1/69) und unter einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszulegen. Umfasst sind somit nicht nur Sachen und Rechte, sondern auch tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten und Vorteile für den Betrieb, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten lässt, die nach der Verkehrsanschauung einer besonderen Bewertung zugänglich sind, in der Regel einen Nutzen für mehrere Wirtschaftsjahre erbringen und zumindest mit dem Betrieb übertragen werden können (vgl. u.a. auch BFH-Urteil vom 26.11.2014, X R 20/12).
Currency Token als Wirtschaftsgut
Nach dem BFH stellen die Currency Token BTC, ETH und XMR Wirtschaftsgüter i. S. d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG dar. Die Currency Token sind - wirtschaftlich betrachtet- als „Zahlungsmittel“ anzusehen und können für direkt zwischen den Beteiligten abzuwickelnde „Bezahlvorgänge“ Verwendung finden.
Zwar seien die Currency Token zivilrechtlich weder als „Geld“ noch als „E-Geld“ zu klassifizieren, dennoch könnten die Currency Token wie reale Zahlungsmittel einzeln übertragen, getauscht und in kleinere Untereinheiten geteilt werden. Sie werden auf speziellen Handelsplattformen gehandelt und verfügen über jederzeit abrufbare zeitaktuelle Kurse. Die Realisierbarkeit der Token sei somit wie bei realen Währungseinheiten gegeben.
Zu dem Zeitpunkt, in dem der Kläger die Token aus der Gesamtmenge des ihm insgesamt zur Verfügung stehenden „Token-Portfolios“ herausgelöst und in handelbare Untereinheiten wirtschaftlich verselbständigt hat, stellen diese objektiv werthaltige, im Sinne des Wirtschaftsbegriffs „selbständig bewertbare“ Positionen dar.
Vorliegend könne die Eigenschaft der Token als Wirtschaftsgut auch aus der strukturellen Vergleichbarkeit mit Fremdwährungen gefolgert werden, welche ebenfalls Gegenstand eines privaten Veräußerungsgeschäfts sein können (vgl. BFH-Urteil vom 02.05.2000, IX R 74/96). Currency Token sind, so der BFH, mit Fremdwährungen insoweit vergleichbar, als Dritte bereit sind, diese gegen Geld, Dienstleistungen oder Sachwerte zu tauschen.
Zurechnung der Currency Token
Die Currency Token sind nach dem BFH dem Kläger auch gem. § 39 Abs. 1 AO zuzurechnen. Dem Kläger werden die Currency Token demnach schon deshalb gem. § 39 Abs. 1 AO zugeordnet, weil ihm mittels des „Private Key“ in tatsächlicher Hinsicht die Berechtigung zukam, über die erworbenen Token zu verfügen.
Anschaffung und Veräußerung innerhalb eines Jahres
Die Steuerpflicht eines Veräußerungsvorgangs im Sinne des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG setzt voraus, dass das Wirtschaftsgut innerhalb eines Jahres angeschafft und veräußert wird. Nach dem BFH war dies im Streitfall auch der Fall.
Currency Token i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG werden angeschafft, wenn sie im Tausch gegen Euro, gegen eine andere Fremdwährung oder gegen andere virtuelle Währungen erworben werden; sie werden veräußert im Sinne der Vorschrift, wenn sie in Euro (bzw. in eine Fremdwährung) zurückgetauscht oder in andere virtuelle Währungen umgetauscht werden (so auch BMF-Schreiben vom 10.05.2022, Rz. 54).
Kein normatives Vollzugsdefizit
Die gesetzliche Besteuerungsgrundlage des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG ist, so der BFH, auch nicht verfassungswidrig. Hierfür müsste die Gleichheit im Belastungserfolg durch die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens in prinzipieller Weise verfehlt werden. Die Gleichheitswidrigkeit könne lediglich aus einem normativen Defizit des widersprüchlichen auf Ineffektivität angelegten Rechts folgen. Das Umsetzungsdefizit müsse bereits in der Regelung selbst angelegt sein oder gehäufte bzw. systematische Verstöße müssten nicht konsequent geahndet und unterbunden werden, ein tatsächlich feststellbarer Vollzugsmangel reiche nicht aus.
Im Streitfall liegen keine Anhaltspunkte für ein solches strukturelles Vollzugsdefizit vor. Es fehle bereits an der widersprüchlich auf Ineffektivität angelegten gesetzlichen Regelung. Folglich liegt nach dem BFH keine bewusst geschaffene oder gesetzlich vorgegebene Kontrolllücke vor, so dass die Besteuerungsgrundlage des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG verfassungskonform ist.
Betroffene Normen
§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG, § 39 Abs. 1 AO
Streitjahr 2017
Anmerkung
BMF-Schreiben vom 10.05.2022
Das BMF hat am 10.05.2022 ein Schreiben zu Einzelfragen zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen und sonstigen Token veröffentlicht (siehe Deloitte Tax News). Auch nach Auffassung des BMF stellen die einzelnen Einheiten virtueller Währungen und sonstigen Token Wirtschafsgüter dar. Folglich stellen auch nach dem BMF Gewinne aus der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen virtuellen Währungseinheiten Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG dar, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt.
Englischsprachigen Beitrag
Einen englischsprachigen Beitrag zum Thema findet man hier.
Vorinstanz
FG Köln, 25.11.2021, 14 K 1178/20, siehe unter Anmerkungen in den Deloitte Tax News
Fundstelle
BFH, Urteil vom 14.02.2023, IX R 3/22, lt. BMF zur Veröffentlichung im BStBl. II vorgesehen
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 02.03.1970, GrS 1/69, BStBl II 1970, 382
BFH, Urteil vom 26.11.2014, X R 20/12, BStBl II 2015, 325, siehe Deloitte Tax News
BFH, Urteil vom 02.05.2000, IX R 74/96, BStBl. II 2000, S. 469
BMF, Schreiben vom 10.05.2022, siehe Deloitte Tax News
