BFH: Stipendium eines ausländischen Stipendiengebers steuerfrei
Sachverhalt
Eine deutsche Ärztin (Klägerin) hat von einer französischen Stiftung für ein Projekt ein Stipendium erhalten. Die französische Stiftung war in Deutschland weder beschränkt noch unbeschränkt steuerpflichtig, konnte jedoch auch nach deutschen Kriterien als gemeinnützig angesehen werden. Die von der Klägerin geltend gemachte Steuerfreiheit der Stipendiumszahlungen war von der Finanzverwaltung unter Bezugnahme auf den Wortlaut des § 3 Nr. 44 EStG und die fehlende deutsche Steuerpflicht der französischen Stiftung abgelehnt worden.
Entscheidung
Das von der französischen Stiftung gezahlte Stipendium hat bei der Klägerin zu steuerfreien Einnahmen gemäß § 3 Nr. 44 EStG geführt. Deutschland steht nach dem DBA mit Frankreich das Besteuerungsrecht für die Bezüge aus dem Stipendium zu. Die französische Stiftung konnte trotz fehlender inländischer Steuerpflicht der Klägerin ein Stipendium gewähren, das nach § 3 Nr. 44 EStG bei den Empfängern steuerfrei ist. Nach dieser Vorschrift sind Stipendien steuerfrei, die unmittelbar aus öffentlichen Mitteln oder von zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtungen, denen die Bundesrepublik Deutschland als Mitglied angehört, zur Förderung der Forschung oder zur Förderung der wissenschaftlichen oder künstlerischen Ausbildung oder Fortbildung gewährt werden. Das gleiche gilt für Stipendien, die zu den in Satz 1 bezeichneten Zwecken von einer Einrichtung, die von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts errichtet ist oder verwaltet wird, oder von einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG gegeben werden.
Aufgrund des durch das JStG 2009 neu gefassten § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG sind beschränkt steuerpflichtige Gesellschaften aus Staaten der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums den inländischen steuerbegünstigten Institutionen gleichgestellt. Die Neuregelung ist auch auf Veranlagungszeiträume vor 2009 anzuwenden, um den Anforderungen des Urteils des EuGH (Centro di Musicologia Walter Stauffer) nachzukommen, wonach es geboten ist, "ausländische steuerbegünstigte Körperschaften, die in der EU oder in Teilen des EWR-Raums ansässig sind, den inländischen Körperschaften gleichzustellen". Ob in den Veranlagungszeiträumen vor 2009 eine steuerbegünstigte ausländische Körperschaft vorliegt, richtet sich nach den für den betreffenden Veranlagungszeitraum jeweils geltenden Vorschriften. Das FG hat bindend festgestellt, dass die französische Stiftung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke i.S. des § 52 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 AO verfolgt. Die Voraussetzungen, die an einen gemeinnützigen Stipendiumsgeber gemäß § 3 Nr. 44 EStG gestellt werden, sind insoweit erfüllt.
Die Neuregelung im JStG 2009 setzt das Bestehen einer beschränkten Steuerpflicht der EU/EWR-Körperschaft voraus. Diese Voraussetzung erfüllt die französische Stiftung nicht, da sie keine inländischen Einkünfte erzielt. Die Vorschrift des § 3 Nr. 44 EStG fordert jedoch nicht, dass eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG tatsächlich im konkreten Fall steuerbefreit sein muss. Es muss sich lediglich um eine Körperschaft im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG handeln. Es reicht bei gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung aus, wenn eine Körperschaft, würde sie inländische Einkünfte erzielen, von der Körperschaftsteuer befreit wäre. Eine andere Auslegung, die die Steuerfreiheit eines Stipendiums bei dem Stipendiaten von dem - zufälligen - Vorhandensein inländischer Einkünfte des Stipendiumsgebers abhängig machen würde, verstieße gegen die Kapitalverkehrsfreiheit.
Betroffene Normen
§ 3 Nr. 44 EStG, § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG, § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG (JStG 2009), §§ 51 ff. AO
Streitjahr 2001
Vorinstanz
Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 12.12.2007, 3 K 209/03, EFG 2008, S. 670; Zusammenfassung siehe Deloitte Tax-News
Fundstelle
BFH, Urteil vom 15.09.2010, X R 33/08
Weitere Fundstellen
EuGH, Urteil vom 14.09.2006, C-386/04 - Centro di Musicologia Walter Stauffer -, Slg. 2006, I-8203