BFH: Verwendung des Grundstockvermögens einer gemeinnützigen Stiftung
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine rechtsfähige Stiftung des privaten Rechts. Sie soll nach ihrer Satzung Forschung und Lehre auf einem bestimmten Gebiet fördern. Nach ihrer Satzung soll das Stiftungsvermögen grundsätzlich in seinem Bestand ungeschmälert erhalten bleiben. Zur Erfüllung des Stiftungszwecks dürfen nach der Satzung nur dessen Erträge sowie etwaige Zuwendungen herangezogen werden. Als Ausnahme ist vorgesehen, dass bei dringenden Bedarf in einzelnen Geschäftsjahren das Vermögen selbst angegriffen werden darf, und zwar innerhalb eines Geschäftsjahres bis zu 20.000 DM, soweit der Vorstand die Notwendigkeit hierzu durch besonderen einstimmig gefassten Beschluss festgestellt hat.
In den streitgegenständlichen Jahren erkannte der Beklagte (das Finanzamt) die Gemeinnützigkeit der Stiftung wegen Verstoßes gegen das Gebot der Selbstlosigkeit ab. Die Stiftung hatte in den betroffenen Jahren keine Spenden erhalten und die Wertpapiererträge deckten gerade einmal die Aufwendungen für die satzungsmäßigen Zwecke, jedoch nicht die darüber hinaus angefallenen Verwaltungskosten (einschließlich Vorstandsbezüge und Prüfungsentgelte).
Die Klägerin sah es als entscheidungserheblich an, ob die nicht realisierten Wertsteigerungen des Stiftungsvermögens unter das Mittelverwendungsverbot des § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO zu fassen sind, also bei der Beurteilung der überwiegenden Mittelverwendung zu berücksichtigen seien.
Entscheidung
Das Grundstockvermögen einer Stiftung gehört jedenfalls im Grundsatz nicht zu den Mittel i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO. Es kann allenfalls dann, wenn es nach den Satzungsbestimmungen zur Erfüllung des Satzungszwecks verwendet werden darf, in die Frage einbezogen werden, ob die Stiftung dem Gebot zur satzungsmäßigen Verwendung ihrer Mittel entsprochen hat.
Nach der Rechtsprechung des BFH kann ein Verstoß gegen das Mittelverwendungsverbot des § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO insbesondere dann vorliegen, wenn die Körperschaft ihre Mittel überwiegend zur Deckung der Verwaltungskosten verwendet (BFH Urt. v. 18.12.2002, BFH/NV 2003, 1025; BFH v. 23.09.1998, BStBl. II 2000, 320). Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO dürfen Mittel der Körperschaft nur für ihre satzungsmäßigen Zweck verwendet werden. Stiftungsvermögen (sog. Grundstockvermögen) soll den Bestand der Stiftung sichern und gehört deshalb nicht zu den Mitteln i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO, sofern es satzungsmäßig gebunden ist.
Ein andere Beurteilung kann nur in Betracht kommen, wenn und soweit das Grundstockvermögen nach den Satzungsbestimmungen zur Erfüllung des Stiftungszwecks verwendet werden darf. Dass dies nach dem Vorbringen der Klägerin erfüllt sei, insbesondere dass mit Rücksicht auf die Verwaltungsausgaben (Vorstandsvergütungen) ein „dringender Bedarf“ i.S.d. Satzung der Klägerin vorgelegen hätte, der zudem vom Vorstand vorab in Form eines besonderen und einstimmig gefassten Beschlusses festgestellt worden wäre, ist nicht ersichtlich. Eine Entscheidung darüber, ob bei Vorliegen dieser satzungsgemäßen Verwendungsvoraussetzungen, nicht realisierte Wertsteigerungen des Stiftungsvermögens dem Begriff der Mittel in § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO zu unterstellen sei, musste daher nicht erfolgen.
Vorinstanz
FG Berlin-Brandenburg Urt. v. 15.02.2011, 8 K 8082/09
Fundstelle
BFH, Urteil v. 07.09.2011, I B 36/11, BFH/NV 2011, 2013
Ansprechpartner
Andrea Kochenbach I München