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23.03.2012
Private Einkommensteuer

BFH: Vorbehaltsnießbraucher als wirtschaftlicher Eigentümer von Gesellschaftsanteilen

Wem Gesellschaftsanteile im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs übertragen werden, erwirbt sie nicht (i.S.v. § 17 Abs. 2 S. 5 EStG), wenn sie weiterhin dem Nießbraucher als wirtschaftlichem Eigentümer (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) zuzurechnen sind. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Nießbraucher nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögens- und Verwaltungsrechte) ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann.

Sachverhalt

Der Vater des Klägers schenkte diesem in den Jahren 2001 und 2004 Gesellschaftsanteile an einer GmbH unter Vorbehalt des lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauchs. Dem Nießbraucher gebührten danach die während des Nießbrauchs auf die Beteiligungen entfallenden ausgeschütteten Gewinnanteile. Zwar standen die mit den übertragenen Beteiligungen verbundenen Mitgliedschaftsrechte wie z.B. das Stimmrecht dem Kläger zu. Er bevollmächtigte jedoch den Vater unwiderruflich zur Ausübung des Stimmrechts in sämtlichen Gesellschaftsangelegenheiten und verpflichtete sich gegenüber dem Vater (u.a.), von seinem eigenen Stimmrecht hinsichtlich der übertragenen Anteile keinen Gebrauch zu machen bzw. ersatzweise nach Weisung des Nießbrauchers (des Vaters) zu stimmen. Nach Vertragsdurchführung betrugen die Anteile des Klägers am Stammkapital der GmbH (99,17 %) und der Anteil des Vaters (0,83 %).

Der Kläger und sein Vater verkauften sämtliche Anteile an der GmbH in 2006. Im Rahmen einer Vereinbarung verzichtete der Vater des Klägers auf seine eingeräumten Nießbrauchrechte. Als Gegenleistung für den Verzicht vereinbarten die Vertragsparteien einen Ablösebetrag.

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2007) erklärte der Kläger einen Veräußerungsgewinn unter Berücksichtigung der an den Vater geleisteten Ablösezahlung als Anschaffungskosten. Das Finanzamt erkannte den gezahlten Ablösebetrag nicht als nachträgliche Anschaffungskosten an und ermittelte einen entsprechend höheren Veräußerungsgewinn. Die Klage hatte Erfolg. Das FG gelangte zu der Auffassung, dass der Kläger Gesellschaftsanteile aufgrund der notariellen Schenkungsurkunde unentgeltlich erworben habe und dass er die Ablösungszahlung als nachträgliche Anschaffungskosten habe aufwenden müssen, um sich die vollständige rechtliche und wirtschaftliche Verfügungsmacht an den Anteilen zu verschaffen.

Entscheidung

Das Urteil ist aufzuheben, weil das FG von einem unentgeltlichen Erwerb der Gesellschaftsanteile durch den Kläger gemäß § 17 Abs. 2 S. 5 EStG ausgegangen ist, ohne zu prüfen, ob ihm die Gesellschaftsanteile nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zuzurechnen sind.

Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt war. Problematisch ist im Streitfall, welche Anschaffungskosten bei der Ermittlung des Gewinns nach § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigen sind.

Das FG geht davon aus, der Kläger habe die Gesellschaftsanteile vom Vater unentgeltlich (§ 17 Abs. 2 S. 5 EStG) erworben. Indes kann der BFH aufgrund der Feststellungen des FG nicht prüfen, ob die Gesellschaftsanteile dem Kläger aufgrund der Anteilsübertragung auch nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zuzurechnen waren oder ob das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen erst mit dem Verzicht des Vaters auf das Nießbrauchrecht - und damit entgeltlich gegen Zahlung des Ablösebetrags - übergegangen ist.

Das wirtschaftliche Eigentum an einem Kapitalgesellschaftsanteil geht nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO auf einen Erwerber über, wenn er aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann und die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte (insbesondere Gewinnbezugsrecht und Stimmrecht) sowie das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Urteil vom 26.01.2011).

Diese Grundsätze gelten auch, wenn zu entscheiden ist, ob der Veräußerer den veräußerten Anteil unentgeltlich (§ 17 Abs. 2 S. 5 EStG) "erworben" hat. Hat er kein wirtschaftliches Eigentum an dem Gesellschaftsanteil erlangt, hat er ihn nicht erworben. Der Nießbraucher ist wirtschaftlicher Eigentümer, wenn er nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögens- und Verwaltungsrechte) ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann (BFH-Urteil vom 06.10.2009).

Nach diesen Maßstäben ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Trotz der dem Vater als Nießbraucher eingeräumten unwiderruflichen Stimmrechtsvollmacht in sämtlichen Gesellschaftsangelegenheiten hat das FG die Anteile schon ab dem Zeitpunkt der Anteilsübertragung dem Kläger zugerechnet und ist deshalb von einem unentgeltlichen Erwerb ausgegangen. Sofern aber das wirtschaftliche Eigentum an den übertragenen Anteilen zunächst beim Vater verblieben ist, hat dieser die Anteile wirtschaftlich erst mit dem Verzicht auf den Nießbrauch im Jahr 2006 an den Kläger übertragen, und zwar entgeltlich gegen die Ablösezahlung als Gegenleistung.

Auch dann sind dem Kläger allerdings Anschaffungskosten in Höhe der Ablösungszahlung entstanden. Das führt aber nicht dazu, dass sich das Urteil deshalb aus anderen Gründen als richtig darstellte: Denn das FG hätte dann einen zu niedrigen Gewinn der Besteuerung unterworfen. Es hat nach § 17 Abs. 2 S. 5 EStG den maßgeblichen Gewinn - neben dem Ausgleichsbetrag als nachträgliche Anschaffungskosten - um die Anschaffungskosten des Vaters gemindert. Diese Vorschrift ist aber nicht anzuwenden und der Gewinn damit nicht um die Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers zu mindern, wenn die Gesellschaftsanteile erst im Jahr 2006 entgeltlich übertragen worden sind.

Betroffene Norm

§ 17 Abs. 2 S. 5 EStG, § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO
Streitjahr 2007

Vorinstanz

Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 06.08.2010, 1 K 2690/09 E, EFG 2011, S. 131

Fundstelle

BFH, Urteil vom 24.01.2012, IX R 51/10, BStBl II 2012, S. 308

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 26.01.2011, IX R 7/09, BStBl II 2011, S. 540, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 06.10.2009, IX R 14/08, BStBl II 2010, S. 460

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