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11.03.2013
Private Einkommensteuer

Niedersächsisches FG: Gestaltungsmissbrauch bei Gesellschafter-Fremdfinanzierung

Einer Kapitalgesellschaft kann auch noch nach Beginn der Liquidation von den Gesellschaftern Finanzmittel zugeführt werden, deren späterer Verlust nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung darstellt.
Dies ist aber wegen Gestaltungsmissbrauchs ausgeschlossen, soweit die neu zugeführten Finanzmittel nur dazu dienen, Darlehen oder andere Fremdkapitalmittel abzulösen, die der auch die neuen Finanzmittel zuführende Gesellschafter der Gesellschaft vor Erwerb der Gesellschafterstellung gewährt hat.

Sachverhalt

Der Kläger erwarb im Jahr 2005 eine wesentliche Beteiligung i.S.d. § 17 EStG an der W-GmbH. Vor Erwerb der Beteiligung hatte der Kläger der GmbH 17.000 Euro als Einlage im Rahmen einer (typischen) stillen Gesellschaft und mehrere Darlehen über insgesamt 26.137 Euro gewährt. Die Gesellschafter beschlossen am 21.12.2006 die Liquidation der Gesellschaft. Am 27.12.2006 gewährte der Kläger der GmbH eine als Einlage bezeichnete Zahlung über 46.000 Euro. Am Folgetag zahlte die GmbH die vom Kläger im Rahmen der stillen Gesellschaft gezahlte Einlage über 17.000 Euro zurück sowie die zunächst gewährten Darlehen über 26.137 Euro. Im Streitjahr 2008 machte der Kläger infolge der Beendigung der Liquidation der W-GmbH einen Auflösungsverlust geltend. Das Finanzamt lehnte dabei die Berücksichtigung des im Dezember 2006 gewährten Betrags i.H.v. 46.000 Euro ab.

Entscheidung

Soweit der Kläger den am 27.12.2006 gewährten Betrag durch die Zahlung am Folgetag zurückerhalten hat, kann wegen Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO sein Verlust einkommensteuerlich nicht berücksichtigt werden.

Nachträgliche Anschaffungskosten auf eine wesentliche Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft sind auch an die Gesellschaft gewährte Finanzierungshilfen, soweit diese bis zur Veräußerung der Beteiligung oder der Auflösung der Gesellschaft nicht zurück gewährt werden. Zu diesen Finanzierungshilfen zählen sowohl verdeckte Einlagen wie Gesellschafterdarlehen, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind (vgl. z. B. BFH, Urteil vom 02.10.1984). Es kommt daher nicht darauf an, ob die vom Kläger am 27.12.2006 veranlasste Zahlung von 46.000 Euro als (verdeckte) Einlage anzusehen ist oder als Gesellschafterdarlehen, das im Übrigen auch durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst gewesen wäre.

Soweit der Kläger den Großteil des am 27.12.2006 gewährten Betrags von 46.000 Euro bei wirtschaftlicher Betrachtung durch die Rückzahlungen am Folgetag auf seine ursprünglich gewährte Zahlungen in Höhe von insgesamt 43.137 Euro zurückerhalten hat, kann sein Verlust einkommensteuerlich nicht berücksichtigt werden. Der Berücksichtigung steht die Regelung des § 42 AO (Gestaltungsmissbrauch) entgegen.

Ein Gestaltungsmissbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt und der Steuerpflichtige keine beachtlichen außersteuerlichen Gründe für die gewählte Gestaltung nachweist (§ 42 Abs. 2 AO). Eine angemessene, naheliegende Gestaltung wäre unter Berücksichtigung des Interesses des Klägers an der Vermeidung eines Insolvenzverfahrens gewesen, anstelle des „Hin- und Herzahlens“ mit der Liquidation der Gesellschaft bereits zeitnah nach Einstellung ihres aktiven Geschäftsbetriebes Anfang 2005 zu beginnen. Schon zu jenem Zeitpunkt, als der Kläger noch nicht Gesellschafter war, hätte die schon länger bestehende bilanzielle Überschuldung durch Vereinbarung (qualifizierter) Rangrücktritte hinsichtlich der vom Kläger gewährten Darlehen bzw. Beteiligungen im Rahmen einer typischen stillen Gesellschaft insolvenzrechtlich überwunden werden können.

Hingegen ist die erst sehr spät beginnende Liquidation und Rückzahlung der vom Kläger ursprünglich gewährten Geldbeträge nach Neugewähr von Darlehen oder Gesellschaftereinlagen vergleichbar dem kurzfristigen Zurückzahlen eines sodann formell neu gewährten Darlehens zur Vermeidung der gewerbesteuerlichen Bewertung als Dauerschuldverhältnis (vgl. BFH, Urteil vom 19.06.1985) ungewöhnlich und unangemessen. Zweck kann insoweit nur gewesen sein, dem Kläger die steuermindernde Berücksichtigung wirtschaftlich bereits entstandener Vermögensverluste des Privatvermögens in Höhe der ursprünglichen Darlehen, nach § 17 EStG zu ermöglichen. Die W-GmbH konnte die ursprünglichen Darlehen und auch die Einlagen im Rahmen der stillen Gesellschaft nur zurückzahlen, weil sie tags zuvor einen entsprechenden Betrag vom Kläger erhalten hatte. Mithin hat sich durch die gegenläufigen Zahlungen – was das zentrale Indiz für eine unangemessene Gestaltung ist (vgl. BFH, Urteil vom 17.12.2003) – weder die wirtschaftliche Position des Klägers noch der GmbH geändert.

Betroffene Norm
§ 17 EStG
Streitjahr 2008

Fundstelle  
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 26.09.2012, 2 K 13510/10

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 02.10.1984, VIII R 36/83, BStBl II 1985, S. 320
BFH, Urteil vom 19.06.1985, I R 115/82, BStBl II 1985, S. 680
BFH, Urteil vom 17.12.2003, IX R 56/03, BStBl II 2004, S. 648

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