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06.05.2013
Private Einkommensteuer

Niedersächsisches FG: Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Darlehenszinsen bei mindestens 10%-iger Beteiligung

Mit Urteil vom 29.04.2014 hat der BFH die Auffassung des Niedersächsischen FG bestätigt, dass der Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes gem. § 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG bei Gesellschafterfremdfinanzierung wegen einer (mindestens) 10%igen Beteiligung an der Kapitalgesellschaft verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.
BFH, Urteil vom 29.04.2014, VIII R 23/13, siehe Deloitte Tax-News
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Niedersächsisches FG:
Der Gesetzgeber hat innerhalb des ihm zustehenden Regelungsspielraums ohne Verstoß gegen Verfassungsgrundsätze entschieden, dass Zinserträge aus Darlehensverträgen, die von einer Kapitalgesellschaft an einen Anteilseigner gezahlt werden, der zu mindestens 10 % an der Gesellschaft beteiligt ist, der tariflichen Einkommensteuer und nicht dem Abgeltungssteuersatz unterliegen. In dieser Ausnahmeregelung ist kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG zu sehen.

Sachverhalt

Der Kläger ist alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH und gewährte dieser ein Darlehen. Aufgrund der mindestens 10%-igen Beteiligung des Klägers an der GmbH unterwarf das Finanzamt die Darlehenszinsen nicht der Abgeltungsteuer (§ 32d Abs. 1 EStG), sondern dem persönlichen Steuersatz des Klägers von rund 32 % (§ 32d Abs. 2 Nr. 1b EStG). Nach Auffassung des Klägers ist diese Ausnahmeregelung von der Abgeltungsteuer nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz i.S.v. Art. 3 GG vereinbar.

Entscheidung

Die Klage ist unbegründet. Das Finanzamt hat zu Recht die vom Kläger im Streitjahr erzielten Darlehenszinsen gem. § 32d Abs. 2 Nr. 1b EStG dem persönlichen Steuersatz unterworfen. Hiergegen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Kapitalerträge unterliegen grundsätzlich der sog. Abgeltungsteuer, die pauschal in Höhe von 25 % zuzüglich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer mit abgeltender Wirkung erhoben wird (§ 32d Abs. 1 S. 1 EStG).
Ihre Einführung im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 sollte die Standortattraktivität und die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Finanzplatzes verbessern. Es sollten jedoch keine Anreize dafür geschaffen werden, Eigenkapital in die privilegiert besteuerte private Anlageebene zu verlagern und durch Fremdkapital zu ersetzen. Zu diesem Zweck wurden die in § 32d Abs. 2 Nr. 1b EStG genannten Ausnahmen eingeführt. Danach unterliegen u.a. Kapitalerträge aus Gesellschafterdarlehen (i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) nicht der Abgeltungssteuer, wenn sie von einer Kapitalgesellschaft an einen Anteilseigner gezahlt werden, der zu mindestens 10 % an der Gesellschaft beteiligt ist. Da der Kläger alleiniger Gesellschafter der GmbH und damit zu mehr als 10 % an ihr beteiligt ist, ist diese Voraussetzung im Streitfall erfüllt. Bei Gesellschafterdarlehen fehlt es an dem typischerweise zwischen fremden Dritten bestehenden Interessensgegensatz, so dass eine erhöhte Gefahr missbräuchlicher Gestaltungen besteht. Eine etwaige Schlechterstellung des Gesellschafters als Darlehensgläubiger durch die Ausnahmeregelung des § 32d Abs. 2 Nr. 2 EStG ist damit gerechtfertigt.

Darüber hinaus liegen auch keine Anhaltspunkte für die vom Kläger geltend gemachte Ungleichbehandlung vor. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG besagt, dass wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln ist (vgl. BVerfG-Beschluss vom 21.06.2006). Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum (vgl. BVerfG-Beschluss vom 07.11.2006), der durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit begrenzt ist (vgl. BVerfG-Beschluss vom 21.06.2006). Als sachliche Gründe für Ausnahmen von diesen Grundsätzen erkennt das Bundesverfassungsgericht außerfiskalische Förderungs- und Lenkungszwecke und Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse an (vgl. BVerfG-Beschluss vom 15.01.2008). Dabei müssen die steuerlichen Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichhalt der steuerlichen Belastung stehen (vgl. BVerfG-Urteil vom 20.04.2004). Das FG konnte unter Berücksichtigung dieser Grundsätze im Streitfall keinen Verstoß des § 32d Abs. 2 Nr. 1b EStG gegen Art. 3 GG feststellen. Während der Sicherung des Steueraufkommens fiskalische Erwägungen zugrunde liegen, handelt es sich bei der Erhöhung der Standortattraktivität vor allem um ein dem Gemeinwohl dienendes Lenkungsziel. Zur Sicherung des Steuersubstrats tragen vertragliche Gestaltungen nicht bei, die dazu führen würden, dass auf Seiten des Gläubigers Kapitalerträge nur zu 25 % besteuert werden und die entsprechenden Aufwendungen auf Seiten des Schuldners als in vollem Umfang abziehbare Betriebsausgaben oder Werbungskosten behandelt werden. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass ab einer gewissen Beteiligungshöhe (hier: 10 %) Gesellschafter mit ihren Kapitalgesellschaften vermehrt auf Steuerersparnis ausgerichtete Gestaltungen vereinbaren.

Betroffene Norm  
§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, § 32d Abs. 2 Nr. 1b EStG, Art. 3 GG
Streitjahr 2009

Fundstelle
BFH, Urteil vom 29.04.2014, VIII R 23/13, siehe Deloitte Tax-News
Pressemitteilung Nr. 61 vom 20.08.2014
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 12.04.2012, 14 K 335/10

Weitere Fundstellen
BVerfG, Beschluss vom 21.06.2006, BVerfGE 116, S. 164
BVerfG, Beschluss vom 07.11.2006, BVerfGE 117, S. 1
BVerfG, Beschluss vom 15.01.2008, BVerfGE 120, S. 1
BVerfG, Urteil vom 20.04.2004, BVerfGE 110, S. 274

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