Besteuerung von Streubesitzanteilen: Update zum Gesetzgebungsprozess
Hintergrund
Die Besteuerung von Streubesitzanteilen (Beteiligungen von weniger als 10%) ist derzeit Gegenstand politischer Beratungen. Auslöser ist eine Entscheidung des EuGH (Urteil v. 20.10.2011 – C-284/09), wonach die deutschen Regelungen zur Besteuerung von Dividendenzahlungen gegen die unionsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit verstoßen, soweit sie Dividenden, die an EU-/EWR-Gesellschaften ausgeschüttet werden, wirtschaftlich einer höheren Besteuerung unterwerfen als Dividenden an inländische Gesellschaften.
Ausschüttungen an ausländische Körperschaften unterliegen nach derzeitiger Rechtslage - außerhalb des Anwendungsbereichs der Mutter-Tochter-Richtlinie (vgl. § 43b EStG) und einzelner Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit einer Verminderung der Quellensteuer auf 0% - dem Kapitalertragsteuerabzug. Der Kapitalertragsteuer kommt dabei abgeltende Wirkung zu, sofern die Beteiligung nicht ausnahmsweise zu einer inländischen Betriebsstätte der ausländischen Körperschaft gehört (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG). Für ausländische Körperschaften entsteht dadurch eine definitive Steuerbelastung, da § 8b Abs. 1, 5 KStG im Rahmen des Kapitalertragsteuereinbehalts keine Anwendung findet (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 3 EStG). Bei inländischen körperschaftsteuerpflichtigen Anteilseignern bleibt die Dividende dagegen bei der Einkommensermittlung zu 95% außer Ansatz (§ 8 Abs. 1, 5 KStG; Ausnahme § 8b Abs. 7, 8 KStG), die einbehaltene Kapitalertragsteuer wird auf seine Körperschaftsteuerschuld angerechnet oder ‑ bei einem Überhang der einbehaltenen Steuer ‑ erstattet (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. mit § 36 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 EStG).
Stand der Gesetzgebung
Im Hinblick auf die Folgen der EuGH-Entscheidung haben der Bundestag und der Bundesrat unterschiedliche Vorschläge gemacht, um diesen Verstoß zu beseitigen:
Die von den Regierungsfraktionen in den Bundestag eingebrachte und von Letzterem am 30.11.2012 unverändert beschlossene Gesetzesinitiative (Gesetz zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20.10.2011 in der Rechtssache C-284/09), mit der - unter bestimmten Bedingungen - die Steuerbefreiung für Dividenden auch für EU/EWR-ansässige ausländische Gesellschaften gelten soll, soweit diese unmittelbar an inländischen Kapitalgesellschaften beteiligt sind, fand keine Zustimmung im Bundesrat. Der Bundesrat vertritt den im Rahmen des GEsetzgebungsverfahrens zum JStG 2013 geäußerten Standpunkt, die 95%ige Steuerbefreiung von Dividenden und Veräußerungsgewinnen bei Streubesitzanteilen für körperschaftsteuerpflichtige Anteilseigner generell aufzuheben und lehnte seine Zustimmung zu dem oben genannten Gesetzvorhaben ab. Eine Anrufung des Vermittlungsausschusses seitens des Bundesrats erfolgte nicht. Zwischenzeitlich hat die Bundesregierung den Vermittlungsausschuss angerufen.
Mögliche Kompromisslinien könnten sich wie folgt darstellen:
- Die bislang für ausländische Kapitalgesellschaften einbehaltene Kapitalertragsteuer würde erstattet (wie vom Deutschen Bundestag vorgeschlagen).
- Für zukünftige Veranlagungszeiträume soll die Steuerbefreiung für Beteiligungen von weniger als 10% ausgeschlossen werden – unabhängig von der Ansässigkeit des körperschaftlichen Anteilseigners (wie vom Bundesrat vorgeschlagen).
Es wird angestrebt, den Gesetzgebungsprozess zu dem o.g. Gesetzgebungsverfahren bis März 2013 abzuschließen.
Fundstellen
Bundestag, Gesetz zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20. Oktober 2011 in der Rechtssache C-284/09, BR-Drs. 736/12, Zusammenfassung in den Deloitte Tax-News
Bundesregierung, Anrufung Vermittlungsausschuss, BR-Drs. 786/12
Bundesrat, Beschlussempfehlung FA Bundesrat zum JStG 2013, BR-Drs. 632/1/12, Zusammenfassung Deloitte Tax-News