BFH: Änderung der Gewinnermittlungsart
Ein nicht buchführungspflichtiger Steuerpflichtiger hat sein Wahlrecht auf Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich wirksam ausgeübt, wenn er eine Eröffnungsbilanz aufstellt, eine kaufmännische Buchführung einrichtet und aufgrund von Bestandsaufnahmen einen Abschluss macht. Der Steuerpflichtige bleibt für den betreffenden Gewinnermittlungszeitraum an die einmal getroffene Wahl gebunden, es sei denn, er legt eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse und einen vernünftigen wirtschaftlichen Grund für den Wechsel dar. Ein Irrtum über die steuerlichen Folgen der gewählten Gewinnermittlungsart begründet nicht die Möglichkeit sie zu ändern.
BFH, Urteil vom 27.11.2024, X R 1/23
Sachverhalt

Strittig ist die Zulässigkeit des Wechsels der Gewinnermittlungsart nach einer Außenprüfung.
Der Kläger (K) ermittelte seinen Gewinn bis 2011 durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR) nach § 4 Abs. 3 EStG. Im Jahr 2012 stellte er die Gewinnermittlung auf den Betriebsvermögensvergleich um. Für das Streitjahr 2016 reichte K beim Finanzamt eine auf den 31.12.2016 erstellte Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung ein.
Aufgrund einer Außenprüfung wurde für 2016 ein abweichender (höherer) Gewinn festgestellt. K legte gegen den entsprechenden Steuerbescheid Einspruch ein und legte zur Begründung eine geänderte Gewinnermittlung in Form einer EÜR für 2016 vor.
Das Finanzamt wies den Einspruch zurück. K habe sein Wahlrecht hinsichtlich der Art der Gewinnermittlung mit Einrichtung der entsprechenden Buchführung ausgeübt und sei nicht mehr berechtigt gewesen, die Wahl zu ändern.
Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg.
Entscheidung
Der BFH kommt entgegen der Auffassung des FG zu dem Ergebnis, dass K seine Gewinnermittlungsart für 2016 nicht ändern konnte. K erfülle im Streitjahr die Voraussetzungen für eine Gewinnermittlung durch EÜR nicht mehr, weil er durch die Aufstellung des Jahresabschlusses sein Wahlrecht bereits ausgeübt habe und daran auch gebunden sei.
Gewinnermittlung
Die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich ist der gesetzessystematische Regelfall. Die Gewinnermittlung durch EÜR kommt nur bei Erfüllung der in § 4 Abs. 3 S. 1 EStG genannten Voraussetzungen in Betracht (BFH-Urteil vom 20.03.2013, X R 15/11).
Nach § 4 Abs. 3 S. 1 EStG "können" Steuerpflichtige, die nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, und die auch keine Bücher führen und keine Abschlüsse machen, als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen.
Die Regelung zur EÜR fordert also zusätzlich zur fehlenden Buchführungs- und Aufzeichnungspflicht, dass der Steuerpflichtige tatsächlich keine Bücher führt und keine Abschlüsse macht. Führt er hingegen ohne gesetzliche Verpflichtung freiwillig Bücher und macht er Abschlüsse, sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der Gesetzesvorschrift nicht mehr erfüllt.
Ausübung des Wahlrechts
Maßgeblich für die Ausübung des Wahlrechts der Gewinnermittlungsart ist die tatsächliche Handhabung der Gewinnermittlung (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 02.06.2016, IV R 39/13). Ein nicht buchführungspflichtiger Steuerpflichtiger hat sein Wahlrecht auf Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich wirksam ausgeübt, wenn er eine Eröffnungsbilanz aufstellt, eine kaufmännische Buchführung einrichtet und aufgrund von Bestandsaufnahmen einen Abschluss macht (BFH-Urteil vom 05.11.2015, III R 13/13).
Der Abschluss ist in dem Zeitpunkt erstellt, in dem der Steuerpflichtige ihn fertiggestellt hat und objektiv erkennbar als endgültig ansieht. Beweisanzeichen dafür kann sein, dass er die Gewinnermittlung durch Übersendung an das Finanzamt in den Rechtsverkehr begibt (vgl. BFH-Urteile vom 20.04.2021, IV R 3/20; vom 20.04.2021, IV R 20/17 und vom 18.01.2023, I R 48/19).
Gemessen daran hat K sein Wahlrecht, den Gewinn für das Streitjahr durch Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln, ausgeübt und erfüllt deshalb die Voraussetzungen für eine EÜR nicht mehr.
Bindung an das ausgeübte Wahlrecht
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann das Gewinnermittlungswahlrecht nicht buchführungspflichtiger Steuerpflichtiger zwar grundsätzlich unbefristet ausgeübt werden (BFH-Urteil vom 05.11.2015, III R 13/13). Diese Möglichkeit wird jedoch in mehrfacher Hinsicht beschränkt.
Hat der Steuerpflichtige einmal die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich gewählt, liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für die EÜR nach § 4 Abs. 3 S. 1 EStG nicht mehr vor. Die einmal getroffene Wahl der Gewinnermittlungsart ist deshalb grundsätzlich nachträglich nicht mehr abänderbar (BFH-Urteil vom 02.06.2016, IV R 39/13). Nach der Erstellung des Jahresabschlusses kommt folglich die Wahl der EÜR grundsätzlich nicht mehr in Betracht (BFH-Urteil vom 20.04.2021, IV R 3/20).
Ausnahme bei Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse
In Ausnahmefällen hat die Rechtsprechung jedoch einen solchen Wechsell zugelassen.
Grundsätzlich bleibt der Steuerpflichtige nach einem Wechsel der Gewinnermittlungsart für drei Wirtschaftsjahre an diese Wahl gebunden; nur bei Vorliegen eines besonderen Grundes kann er vor Ablauf dieser Frist wieder zurückwechseln.
Legt der Steuerpflichtige die Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse und einen vernünftigen wirtschaftlichen Grund für den erneuten Wechsel der Gewinnermittlungsart dar, so kann ein Wechsel der Gewinnermittlungsart auf den gleichen Zeitpunkt zuzulassen sein (BFH-Urteil vom 02.06.2016, IV R 39/13).
Ein Irrtum bzw. die schlichte Unkenntnis aller mit der Ausübung des Wahlrechts verbundenen steuerlichen Folgen der gewählten Gewinnermittlungsart begründen nicht die Möglichkeit, sie zu ändern (BFH-Urteil vom 02.06.2016, IV R 39/13).
Nach diesen Maßstäben war K die Änderung der Wahlrechtsausübung nicht mehr möglich.
Betroffene Norm
§ 4 Abs. 1 S. 1, § 4 Abs. 3 S. 1 EStG
Streitjahr 2016
Anmerkung
Die frühere Rechtsprechung, der zufolge das Wahlrecht bereits zu Beginn des Gewinnermittlungszeitraums ausgeübt werden musste und nur die Mitteilung beziehungsweise Offenlegung einer bereits getroffenen Wahl im Klageverfahren noch nachgeholt werden konnte, hat der BFH zwischenzeitlich aufgegeben (BFH-Urteil vom 20.03.2013, X R 15/11).
Vorinstanz
Thüringer Finanzgericht, Urteil vom 31.08.2022, 4 K 599/21, EFG 2024, S. 1020
Fundstelle
BFH, Urteil vom 27.11.2024, X R 1/23
Weitere Fundstelle
BFH, Urteil vom 20.03.2013, X R 15/11, BFH/NV 2013, S. 1548
BFH, Urteil vom 02.06.2016, IV R 39/13, BStBl. II 2017, S. 154
BFH, Urteil vom 05.11.2015, III R 13/13, BStBl. II 2016, S. 468, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 20.04.2021, IV R 3/20, BStBl. II 2023, S. 703, BVerfG-anhängig: 2 BvR 1618/21, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 20.04.2021, IV R 20/17, BFH/NV 2021, S. 1191
