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29.09.2022
Unternehmensteuer

BFH: AfA nach entgeltlichem Anteilserwerb an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft

Bei einem entgeltlichen Anteilserwerb an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft kann der erwerbende Gesellschafter Absetzungen für Abnutzung (AfA) auf die anteilig miterworbenen abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens nur nach Maßgabe seiner Anschaffungskosten und der Restnutzungsdauer des jeweiligen Wirtschaftsguts im Zeitpunkt des Anteilserwerbs beanspruchen. Verbindlichkeiten der Gesellschaft erhöhen anteilig die Anschaffungskosten des Erwerbers, soweit sie den mittelbar erworbenen abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Gesamthandsvermögens direkt zugeordnet werden können. Die AfA-Berechtigung nach entgeltlichem Erwerb eines Anteils an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft ist nicht anders zu ermitteln als nach dem Erwerb eines Mitunternehmeranteils.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine vermögensverwaltende GbR, war Eigentümerin mehrerer bebauter Grundstücke, die sie vermietete und verwaltete. An der GbR waren ursprünglich A und B zu je 50% beteiligt. Im Jahr 2011 veräußerte A 16% der Anteile an B und 34% an C. An der GbR waren danach B mit 66% und C mit 34% beteiligt. Zum Gesellschaftsvermögen der GbR gehörten neben dem Grundbesitz, Bankguthaben sowie Verbindlichkeiten aus Bankdarlehen, welche die GbR im Rahmen ihrer Tätigkeit aufgenommen, mit dem eigenen Grundbesitz besichert und in der Vergangenheit aus den erzielten Mieteinnahmen bedient hatte.

Streitig war, in welcher Höhe AfA auf die entgeltlich erworbenen Anteile zu berücksichtigen war. Finanzamt und FG waren der Auffassung, dass lediglich die gezahlten Kaufpreise und Anschaffungsnebenkosten die Anschaffungskosten der Anteile darstellten. Die Verbindlichkeiten aus Bankdarlehen, verringert um die gemeinschaftlichen Bankguthaben, seien nicht erhöhend bei den Anschaffungskosten zu berücksichtigen.

Entscheidung

Der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass das FG die AfA-Berechtigung des Erwerbers nach dem entgeltlichen Anteilserwerb fehlerhaft bestimmt hat. Die Verbindlichkeiten der Gesellschaft erhöhen anteilig die Anschaffungskosten des Erwerbers, soweit sie den mittelbar erworbenen abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Gesamthandsvermögens einzeln zuzuordnen sind.

AfA-Berechtigung bei nachträglichem Anteilserwerb

Hat ein Gesellschafter einen Anteil an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft entgeltlich erworben, so kann der Gesellschafter AfA auf die anteilig („mittelbar“) miterworbenen abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens nur nach Maßgabe seiner Anschaffungskosten und der Restnutzungsdauer des jeweiligen Wirtschaftsguts im Zeitpunkt des Anteilserwerbs beanspruchen.

Anschaffungskosten bei derivativem Anteilserwerb

Der Steuerpflichtige kann grundsätzlich nur die Anschaffungskosten geltend machen, die er auch getragen hat. Bei einem Gründungsgesellschafter ist anzunehmen, dass er die anteilig auf ihn entfallenden Anschaffungskosten der Gesellschaft letztlich tragen wird, da sie bis zu ihrer vollständigen Abschreibung seinen Gewinnanteil mindern. Beim derivativen Anteilserwerb sieht der BFH die Situation jedoch anders. Zwar müsse auch der Anteilskäufer die von der Gesellschaft noch nicht getilgten Darlehen "bezahlen". Seine Anschaffungskosten werden aber in der Regel von denjenigen des Gründungsgesellschafters abweichen. Auf die ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Gesellschaft komme es dann nicht mehr an. Der derivative, entgeltliche Anteilserwerb überlagere den in der Gesellschaftsbilanz abgebildeten Vorgang und bilde eine Zäsur.

Selbst wenn der entgeltliche Anteilserwerber genau die Anschaffungskosten des Gründungsgesellschafters aufwendet, könne der Gesellschafter dessen AfA nicht einfach fortsetzen, denn für ihn beginnt mit dem entgeltlichen Erwerb eine neue AfA-Reihe, die sich nach der Restnutzungsdauer des jeweiligen Wirtschaftsguts im Zeitpunkt des Anteilserwerbs bemisst (vgl. BFH-Urteil vom, 20.11.2014, IV R 1/11, zum Erwerb eines Mitunternehmeranteils an einer Personengesellschaft). Dies ergebe sich daraus, dass der Anteilserwerber soweit wie möglich dem Erwerber eines Einzelunternehmens bzw. einem Direkterwerber gleich zu stellen ist.

Korrektur des Ergebnisanteils

Nach dem BFH muss für die Ermittlung der AfA-Berechtigung des Erwerbers nach entgeltlichem Anteilserwerb folglich auf die anteilig miterworbenen Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens abgestellt werden. Zwar vermittle der Gesellschaftsanteil kein Bruchteilseigentum an den Wirtschaftsgütern des Gesamthandsvermögens. Eine Bruchteilsbetrachtung sei aber schon deshalb erforderlich, weil der (erworbene) Gesellschaftsanteil nach ständiger Rechtsprechung kein Wirtschaftsgut ist (vgl. BFH-Beschluss vom 25.02.1991, GrS 7/89, BFH-Urteil vom 06.05.2010, IV R 52/08 sowie BFH-Beschluss vom 26.07.2011, X B 208/10). Der Anteilskäufer könne danach regelmäßig die in seinem Ergebnisanteil quotal enthaltene AfA auf die Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens ertragsteuerlich nicht beanspruchen. Er müsse vielmehr seinen Ergebnisanteil insoweit korrigieren, als die darin enthaltene AfA von der ihm zustehenden AfA abweicht. Das sei nach dem BFH die AfA, die der Gesellschafter geltend machen könnte, wenn er die Wirtschaftsgüter direkt erworben hätte. Die Fortsetzung der AfA des Rechtsvorgängers kann ein neuer Gesellschafter allerdings beanspruchen, wenn er den Anteil unentgeltlich erworben hat.

Erhöhung der Anschaffungskosten um die Gesellschaftsschulden

Weiter führt der BFH aus, dass bei einem entgeltlichem Anteilserwerb die dem Anteil entsprechenden Gesellschaftsschulden die Anschaffungskosten des Erwerbers erhöhen, soweit sie den anteilig miterworbenen abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Gesamthandsvermögens direkt zugeordnet werden können. Soweit es sich auf Gesellschaftsebene um Anschaffungskosten der GbR für bestimmte abnutzbare Wirtschaftsgüter handelt, erhöht die noch bestehende Verbindlichkeit der GbR bei der Ermittlung der AfA-Berechtigung des eintretenden Gesellschafters auch dessen Anschaffungskosten. Wirtschaftlich finanziere der eintretende Gesellschafter dann (wie auch der Gründungsgesellschafter) einen Teil der Anschaffungskosten für die anteilig miterworbenen Wirtschaftsgüter "über die Gesellschaft". 

Im Streitfall waren die von der GbR aufgenommenen Darlehen tatsächlich dazu verwendet worden, um die Anschaffungskosten der im Gesamthandsvermögen liegenden bebauten Grundstücke zu bezahlen und waren daher den Grundstückserwerben zuzuordnen.

Zurechnung der Mehranschaffungskosten nach dem Verhältnis der stillen Reserven

Nach der ergangenen BFH-Rechtsprechung besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Anteilserwerber einen über dem Kapitalanteil liegenden Kaufpreis nur akzeptieren wird, wenn stille Reserven u.a. vorhanden sind (vgl. BFH-Urteil vom 18.02.1993, IV R 40/92). Dies rechtfertige es, die Mehranschaffungskosten des Anteilserwerbers den stillen Reserven der anteilig miterworbenen Wirtschaftsgüter direkt zuzuordnen. Danach sind die Anschaffungskosten den anteilig miterworbenen Wirtschaftsgütern des Gesamthandsvermögens in einem ersten Schritt nach dem Verhältnis ihrer Buchwerte zuzuordnen. Übersteigen die Anschaffungskosten des Erwerbers die anteilig erworbenen Buchwerte des Gesamthandsvermögens (Mehranschaffungskosten), sind sie (nur noch) auf diejenigen Wirtschaftsgüter zu verteilen, in denen stille Reserven ruhen. Maßstab ist nach dem BFH insoweit das Verhältnis der stillen Reserven zueinander.

Aufteilung auf Grund und Boden sowie Gebäude

Beim anteiligen Miterwerb von bebauten Grundstücken des Gesamthandsvermögens ist für die AfA eine erneute Aufteilung der anteiligen Anschaffungskosten auf Grund und Boden einerseits und Gebäude andererseits erforderlich. Die ursprüngliche Aufteilung, die der AfA-Ermittlung auf Gesellschaftsebene zugrunde liegt, kann vom Anteilserwerber nicht übernommen werden. In die neue Aufteilung gehen die aktuellen Bodenrichtwerte ein. Damit wird sichergestellt, dass eventuell im nicht abnutzbaren Wirtschaftsgut Grund und Boden durch Wertsteigerung entstandene stillen Reserven zutreffend erfasst werden. 

Betroffene Normen

​§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7 EStG

Streitjahr ​2012

Anmerkung

Einordnung in die bisherige Rechtsprechung

Mit Urteil vom 20.11.2014, IV R 1/11, hat der IV. Senat des BFH bereits entschieden, dass in der Ergänzungsbilanz erfasste Anschaffungskosten des Anteilserwerbers so fortzuführen sind, dass der Gesellschafter soweit wie möglich einem Einzelunternehmer, dem Anschaffungskosten für entsprechende Wirtschaftsgüter entstanden sind, gleichgestellt wird. Deshalb seien AfA auf die im Zeitpunkt des Anteilserwerbs geltende Restnutzungsdauer eines abnutzbaren Wirtschaftsguts des Gesellschaftsvermögens vorzunehmen.

Der IX. Senat schließt sich nun insoweit den Ausführungen des IV. Senats an. Bereits entschieden hat der IX. Senat des BFH, dass die für die Gewinnermittlung einer Mitunternehmerschaft geltenden Grundsätze beim entgeltlichen Erwerb eines Anteils an einer vermögensverwaltend tätigen Personengesellschaft entsprechend anzuwenden sind (Urteil vom 29.10.2019, IX R 38/17, Rz 30 ff.). Im hier besprochenen Urteil kommt der IX. Senat des BFH nu zu dem Schluss, kein sachlicher Grund ersichtlich sei, weshalb die AfA-Berechtigung nach entgeltlichem Erwerb eines Anteils an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft anders ermittelt werden sollte als nach dem Erwerb eines Mitunternehmeranteils.

Vorinstanz

Finanzgericht Köln, Urteil vom 10.10.2018, 9 K 3049/15 

Fundstelle

​BFH, Urteil vom 03.05.2022, IX R 22/19, BStBl II 2023, S. 186

Weitere Fundstellen

​BFH, Urteil vom 20.11.2014, IV R 1/11, BStBl. 2017 II, S. 34

BFH, Beschluss vom 25.02.1991, GrS 7/89, BStBl. II 1991, S. 691

BFH, Beschluss vom 26.07.2011, X B 208/10, BFH/NV 2011, S. 1868

BFH, Urteil vom 06.05.2010, IV R 52/08, BStBl. 2011 II, S. 261

BFH, Urteil vom 18.02.1993, IV R 40/92, BStBl. II 1994, S. 224

BFH, Urteil vom 29.10.2019, IX R 38/17, BStBl. II 2021, S. 202​

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